Heft 
(1896) 4
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16.. öffentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.

Dass dasselbe nicht von den Müggelseewerken, welche hauptsächlich den Osten und Südosten unserer Stadt mit Trinkwasser versorgen, her- stamme, liess schon das geschilderte örtliche Auftreten der Verun­reinigung erkennen. Alle Erscheinungen wiesen vielmehr auf die Bezugs­quelle des Tegeler Sees hin, wo denn auch zweifelsohne der Sitz des Übels gefunden worden ist.

Über die Ursache des letzteren gingen die Ansichten auseinander; während der chemische Sachverständige Dr. Bischof annahm, dass irgend welche Theerdestillate vielleicht von Schilfen aus auf die Ober­fläche des Tegeler Sees und durch die Sauger der Städtischen Werke zu Tegel in die Wasserspeisungsröhren gelangt seien, äusserte sich der Städtische Betriebsingenieur Piefke von vornherein ganz richtig dahin, wie der hohe Ammoniakgehalt des von ihm untersuchten verjauchten Wassers andeute, dass es längere Zeit mit stickstoffhaltigen organischen Verbindungen, welche fast garnicht in niederen Pflanzen (Algen), wohl aber in tierischen Kadavern (kleinen Fischen, Schnecken pp.) auf­gestapelt sind, in Berührung gekommen sei.

Mir ist, aus gleich zu erörternden Gründen, kein Augenblick ein Zweifel gewesen, dass kleine Lebewesen und zwar fast auschliesslich die von mir in unserm Monatsblatt III. Jahrgang 1894 95 Seite 142 aufgeführten Schafklauen-Muscheln (Dreissena, Congeria] poly- morpha van Beneden (gleich Tichogonia [Mytilus] chemnitzii Rossmässler) der Sündenbock gewesen seien.

Diese Schafklauen-Muschel*) ist wegen gewisser anatomischer Eigenschaften und wegen der geographischen Ausbreitung die inter­essanteste unter allen norddeutschen Süsswasser-Muscheln.

Sie hat äusserlich Ähnlichkeit mit der als wohlschmeckende Speise­muschel in Berlin seit Jahrzehnten mehr und mehr beliebten Mies­muschel (Mytilus edulis Linne), welche vor der Erwerbung Schleswig- Holsteins fast nur von der Nordsee in der gestreiften Abart (Mytilus galloprovincialis) meist aus Ostende zu uns kam, seitdem aber in der Hauptsache aus der westlichen Ostsee, vornehmlich aus Kiel und Apenrade bezogen wird, wo man diese Tiere domestiziert und an ins Meer ge­triebenen schwachen Pfählen (daher auch die Tiere Pfahlmuscheln genannt werden) gewissennassen künstlich züchtet.

Wie die riesenhafte Steck- oder Schinken-Muschel (Pinna)**), so sondert die Miesmuschel, die ihr nahestehende Bartmuschel (Modiola

*) In Ungarn heissen die versteinerten Dreissenen aus den tertiären Congerien- Schichten ganz ähnlichZiegenklauen, vgl. Ed. v. Martens: Die Weich- und Schaltiere. Leipzig und Prag 1883 S. 188.

**) Pinna squamosa Gmelin, schuppige Steckmuschel und P. nobilis Linné edle Steckmuschel, im Mittel- und Adriatischen Meer. In Abb azia be i Fiume am Quarnero habe ich während des Mai 1806 diese riesigen dünnen Muschelschalen,