Heft 
(1896) 4
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15. (5. flffentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.

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Die vorsorgliche Mutter Natur hat aber sowohl bei den mies- lnuschelartigeu Muscheln (Dimya), zu denen unsereSchafklaue gehört, wie bei den Austern dafür gesorgt, dass sie ein Entwickelungstadium durchinachen, in welchem sie beweglicher sind und sich ihren künftigen Hauswirt, auf dem sie sich ansiedeln, beliebig auswählen können. Diese Muscheln durchleben nämlich, sobald sie die Muttermuschel verlassen, noch einen Larven zu stand, in welchem sie mittels Wimper be wegungen im Wasser frei umherschwimmen und sich auf demjenigen Object, welches sie als Träger ihrer selbst fürs Leben wünschen, niederlassen können. Sie klammern sich hier fest und verwandeln sich dabei erst durch einen Umwandelungsprozess in die eigentliche Muschel, welche sich nunmehr ihrer Unterlage anpasst.

Dieser eigenartige biologische Vorgang ist es, welcher bei dem massenhaften Eindringen der Schafklauen-Muschel in die Saugerohre und Zuleitungen unserer Wasserwerke am Tegeler- und Müggel-See den eigentlichen springenden Punkt bildet.

Allerdings sind diese Saugerohre, an der Öffnung mit welcher sie in das Seewasser eintauchen, mit einem Maschengitter versehen, welches das Eindringen grösserer Körper (Fische, Borke, Wasserpflanzen, Korke u. dgl.) verhindert, zu eng dürfen die Maschen aber selbstredend nicht sein, damit nicht der Zufluss des Wassers gehemmt wird. In der Muschellaichzeit gehen nun die Larvenschwärme am Ufer auseinander, um sich dort Wohnstätten zu suchen, da sie in der Tiefe des Sees nicht leben. Bei dieser Gelegenheit gerathen sie in den Saugestrudel der Wasserleitungsröhren und werden durch die Vergitterung derselben hinein gerissen. Sie heften sich an den Wandungen der grossen Rohre fest und gründen dort weit ausgedehnte Kolonien aus Hunderttausenden und aber Hunderttausenden bestehend. Obwohl sie in der Freiheit das Licht lieben, kommen sie im Dunkeln der Röhren fort, da ihnen dort beständig fliessendes Wasser und mit demselben ihre mikroskopische Nahrung zugeführt wird. Sie wachsen nebeneinander gesellig dicht ge­drängt sehr gleichmässig, erreichen aber so weit ich gesehen, niemals die etwa bis 40 mm gellende äusserste Länge unter günstigsten A T er- hältnissen im freien Wasser lebender Individuen. Sie bleiben also in den Röhren gleichsam in einer Art von Verkümmerung.

Als ich im Jahre 1894 die unter der ausgezeichneten Leitung des Professor Dr. Johannes Frenzel stehende biologische und Fischerei- Station Müggelsee besuchte, welche der Deutsche Fischerei-Verein unter den Auspizien seines Präsidenten Fürsten zu Hatzfeldt-Trachen- berg Durchlaucht angelegt hat und welche unmittelbar mit den dortigen Berliner Wasserwerken grenzt, so fiel mir ein Muschelkegel auf, etwa einen Meter hoch und an der Grundfläche im Durchmesser eben-