Heft 
(1896) 4
Seite
386
Einzelbild herunterladen

386

15. (5. öffentliche) Versammlung de» IV. Vereinsjahres.

Und doch lebte die Schafklauenmuschel schon einmal in unseren Gegenden, nämlich vor zehntausenden von Jahren in der letzten Zwischen­eiszeit.*) Die hierauf folgende allerjüngste Vergletscherung unsers Bodens hat sie wie ein anderes Schaltier, die in unseren Monatsblättern wiederholt genannte Deckelschnecke Lithoglyphus naticoides,**) ferner den Karpfen und den Damhirsch, sowie andere Tierarten aus­gerottet. Durch den modernen Menschen erst sind diese genannten Tiere, die Schaltiere unabsichtlich, der Karpfen und der Schaufler ab­sichtlich, wieder in unsere Gegenden eingeschleppt beziehentlich einge­führt worden.

I. P. E. Friedrich Stein, Die lebenden Schnecken und Muscheln der Umgegend Berlins schreibt S. 106 im Jahre 1850 Folgendes von der Schafklaue:

Diese Muschel, welche vor weniger als 50 Jahren, hier noch so selten war, dass einzelne von Berlin nach Wien gesandte Stücke mit etwa 5 Silbergroschen bezahlt wurden, und die wahrscheinlich durch Schiffe oder Flosshölzer (aus der Wolga?) zu uns kam, hat sich jetzt so vermehrt, dass man sie scheffelweise sammeln könnte. Ihre leeren Ge­häuse liegen hier und da zu Tausenden am Ufer des Tegeler Sees, ge­wöhnlich in Klumpen zusammengehäkelt, die eine Anodonta oder einen Unio umschliessen; durch diese Gewohnheit, sich an andere Gegen­stände zu hängen, werden sie allerdings, wie schon Troschel nachwies, den Anodonten verderblich, indem die Wogen solcher Art bedeckte Muscheln aus dem Grundschlamm herausreissen und nach und nach auf das Ufer werfen, wo dann aber auch mit einer Muschel 3040 Ticho- gonien zu Grunde gehen.

Ed. v. Martens S. 187 sagt von der Schafklaue:Ursprünglich nur im Südost-Europa, namentlich im Kaspischen Meer***), seit 1825

*) Zuerst festgestellt bei Baumgartenbrück durch Professor Dr. G. Berendt, vgl. Die Diluvial-Ablagerungen der Mark Brandenburg, insbesondere der Umgegend von Potsdam. Berlin 1863, 8. 41.

**) Vgl. meine Berichte im Monatsblatt II. 8. 37 und III. 8. 138. Jetzt ist Lithoglyphus naticoides Férussac im Berlin-Spandauer Schiffahrts-Kanal so ge­mein geworden, dass dieses zierliche Schaltier anfängt, andere etwa gleichgrosse Schnecken, wie Valvata und selbst die gewöhnliche Bythinia geradezu zurück zu drängen.

***) Das angebliche Vorkommen in dem Kaspischen Meer ist sehr auffallend,

da dies Meer viel salziger als die Ostsee und auch noch salziger als die Nordsee ist, in welche beiden Meere die Schaf klaue aus den Flussmündungen nicht hineintritt, doch wohl eben nur, weil ihr Salzwasser nicht behagt. Hiermit stimmt es, dass unser Ber­liner Landsmann, der grosse Naturkundige Simon Pallas sie nur von der Wolga als Mvtilus Wolgaee beschreibt. Es müsste also das behauptete Wohnen der Dreyssen im Kaspischen Meere revidiert werden. E. Fr.