15. (5. öffentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres,
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überlieferte Text kann sich freilich weder an Umfang noch an Aufwand von Geist und Kenntnissen mit „Herrn Schmidt“ messen. Er lautet:
Anne Rusel geht nach Sirop, Sirop!
Anne Rusel! geht’s denn gar nicht mehr?
’S wird schon gehn, ’s wird schon gehn!
Woll’n ein bischen stille steh’n.
Die Namensform Rusel für Rosalie deutet auf die Nachbarprovinz Schlesien, und so erklärt es sich, dass dieses geistreiche Tanzpoem nur in die Neumark und bis Frankfurt a. 0. eingedrungen, in der Mittelmark und weiter westlich aber unbekannt geblieben ist.*) Auch in Frankfurt ist es der heutigen Jugend nicht mehr bekannt. Vor 50 Jahren tanzten aber die Knechte und Mägde der dortigen Ackerbürger danach, was auf dem Lande wohl noch heute geschehen mag. Das Lokal in dem in Frankfurt diese Tanzbelustigungen hauptsächlich stattfanden, hiess der Paddenkrug und lag am Eingang des Poetensteigs. Das alte unansehnliche Gebäude ist längst verschwunden; meine Schwägerin, Frau Professor Mathilde Ascherson und ihre jüngere Schwester, Frl. Anna Sandau wissen sich desselben, das aber damals kein Wirtshaus mehr war, noch unter diesem Namen zu erinnern. Ihre älteste Schwester, Frl. Auguste S. hat aber als Kind dort nach den Klängen von „Anne Rusel“ tanzen seh’n und die denkwürdige Inschrift mit Kreide auf den Bretterzaun des Paddenkrugs gemalt gelesen: „Barfüssige Damen dürfen hier nicht tanzen!“
12. Herr W. Pütz:
Die Pfingstinsel bei Pichelsdorf.
Nachdem die Wissenschaft den Satz aufgestellt hat, dass in unseren Tagen noch dieselben Naturkräfte in Thätigkeit sind, welche einst das Weltall „aus dem Chaos schlugen“ und die verschiedenen Entwickelungs-
*) Frau Elwine Linke teilt mir mit, dass in ihren Schuljahren zu Kammin in Pommern, vor etwa 30—40 Jahren, der nachfolgende Vers von Kindern allgemein gesungen und seine Melodie auch heim Tanz aufgespielt werde. Zur Erklärung sei daran erinnert, dass es früher allgemeine Sitte war (und auch in Berlin bei Kindern „kleiner Leute“ noch ist) Syrup auf Weissbrot gestrichen zu gemessen, ähnlich wie von Wohlhabenderen Honig verwendet wird. Syrup war deshalb ein in viel höherem Masse (als heut bei den Materialwaarenhändlem, denen man deshalb den Spitznamen „Syrups- michel“ (wie heut zu Tage „Heringsbändiger“) gab, begehrter Artikel. Der Vers lautet:
Anna geht nach Syrup, Syrup!
Holt für’n Dreier Schmier’ — up, Schmier’ — up,
Leckt den ganzen Syrup aus,
Bringt den leeren Topf nach Haus.