Heft 
(1902) 11
Seite
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11. (1. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.

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kirchlichen Sinnes erworben und die Güte gehabt auch mir die hier­auf bezüglichen nachfolgenden Leitsätze, aufgestellt im Mai d. J., zur weiteren Verbreitung zur Verfügung zu stellen.

Leitsätze.

Die Bedeutung der kirchlichen Ortsgeschichte zur Weckung und Vertiefung des kirchlichen Sinnes.

1. Wie eine lebendige, zielbewusste Behandlung der vaterländischen Ge­schichte geeignet ist, in begeisterungsfiihigen Herzen tatenfreudige Liebe zu Volkstum und Vaterland zu wecken und zu mehren, so wird gleichermassen die rechte Kenntnis der Kirchengeschichte, und be­sonders auch der kirchlichen Ortsgeschichte, uns antreiben zu opfer­willigem Dank für die reichen Gnadensegnungen, die uns in unserer evangelischen Kirche geschenkt sind.

2. Grade gegenüber den aufiösenden und zerreibenden Mächten der Gegenwart ist cs überaus nötig, das kirchliche Gemeindebewusstsein zu wecken und zu vertiefen Dass so viele unserer Gemeindeglieder sieh an dem kirchlichen Gcmeindelebcn so wenig beteiligen, liegt nicht bloss daran, dass sie dem Glauben ihrer Kirche entfremdet sind, sondern auch daran, dass sic von der freud- und leidvollen Geschichte ihrer Kirche kaum eine Ahnung haben. Denn die einzelnen Äusserungen des kirchlichen Gemeindelebens werden uns erst dann innere Teil­nahme abgewinnen, wenn wir die in ihnen wirkenden Kräfte, sowie ihre gliedliciic Einfügung in das Leben der Einzelgemeinde, wie der Gesamtkirchc recht verstehen, d. h. wenn wir ihre Geschichte verstehen.

3. Auch manche gute, altkirchliche Sitte und Ordnung, deren Wegfall wir im Interesse des kirchlichen Gcmeindelebens schmerzlich bedauern, wäre nicht abhanden gekommen, wenn die zur Aufrechterhaltung der­selben berufenen Autoritäten von vornherein ein besseres, geschichtlich vermitteltes Verständnis gehabt hätten.

4. Jemehr zumal in unseren ländlichen Gemeinden die Kenntnis der Orts­geschichte gepflegt wird, um so mehr zeigt sich bei ihnen ein gesunder kirchlicher Sinn, der an dem Altüberlieferten mit Verständnis festhält und gegenüber den Einwirkungen der modernen Wirtschaftsentwicke­lung den Gemeindegliedern die heimatliche Scholle lieb und w r ert macht.

5. Das Verständnis für Heimatkunde und kirchliche Ortsgeschichte ist in erfreulichem Wachsen begriffen. Es kommt darauf an, dass wir diesen geschichtlichen Sinn für unsere kirchliche Gemeindearbeit in geeigneter Weise ausnützen.

C. Dies kann geschehen durch Mitteilungen in der Lokalpresse, durch Vorträge auf Familienabenden, durch Herausgabe grösserer oder kleinerer Ortschroniken, durch Zusammenstellung von Gemeinde­büchern, durch volkstümlich abgefasste Einzelbilder aus der märkischen Kirchengeschichte.

7. Stoff für solche kirchliche Ortsgeschichten ist, trotzdem in Kriegs- und Friedenszeiten schon viel Urkundenmaterial verloren gegangen, doch