Heft 
(1903) 12
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Die Tone des norddeutschen Flachlandes und ihre Verarbeitung, mit besonderer Berücksich­tigung der Herstellung und Verwendung von

Portlandzement.

Von Dr. Max Fiebelkorn.

Meine geehrten Damen und Herren!

Vor vielen tausend Jahren sah es im Norden Europas weit anders aus als heute. Wo sich jetzt die weiten Steppengebiete Russlands aus­dehnen, wo sich die landschaftlich leider noch so vielfach verkannten Gebiete des norddeutschen Flachlandes hinziehen, wo sich die üppigen Wiesen Hollands mit ihren weitverzweigten Kanälen, ihren sauberen Dörfern und ihren Windmühlen befinden, wo die Kreidefelsen Englands die Wogen der Nordsee gegen sich anbranden lassen, überall dort war zu jener Zeit, die wir in der Geologie als die Diluvialzeit oder das Dilu­vium zu bezeichnen pflegen, eine Eisschicht, deren Mächtigkeit ganz gewaltig gewesen sein muss. Nach der Ansicht der einen Forscher betrug ihre Dicke 1000 m, während andere sie sogar bis 4000 m schätzen zu müssen glauben.

Die Ursache für eine derartige Vereisung Nord-Europas und damit des norddeutschen Flachlandes, von dem ich heute Abend allein sprechen werde, ist uns nicht bekannt. Es giebt für sie eine grosse Reihe von Hypo­thesen, deien Zahl immer noch durch weitere vermehrt wird, indessen hat noch niemand vermocht, das Rätsel mit Sicherheit zu lösen, und wir müssen uns infolgedessen mit der Kenntnis der Tatsache begnügen, ohne die Ursache zu wissen.

Auf jeden Fall steht fest, dass zu Beginn der Diluvialzeit oder, was dasselbe besagt, zu Ende der vorhergehenden Formation, der Tertiär­zeit, das Durchschnittsklima Nord-Europas um einige Grade sank. Dies genügte vollkommen, um die Gletscher, welche die Bergspitzen Skandi-

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