G. Sello, Der Roland zu Perleberg und andere märkische Rolande. 285
ginnt 1297*); die uns überlieferte wertvolle Aufzeichnung des Berliner Schöffenrechts gehört, wie Clauswitz selbst bestätigt**), dem Ende des 14. Jahrhunderts an. Was Clauswitz sonst an dieser Stelle über Weichbilder und Weichbilderrecht bemerkt, über den „geringen Umfang der ursprünglichen Stadtgerechtigkeit in unseren (märkischen) Städten“, und darüber, dass ein „Geharnischter mit Schwert“ kein „entsprechendes Sinnbild“ dafür sei, kann, als das Wesen der Frage nicht berührend, dieselbe vielmehr nur verdunkelnd, hier unerörtert bleiben.
Bauen wir auf das, was sich uns für die Rolande zu Berlin und Brandenburg mit grosser Wahrscheinlichkeit, wie ich meine, ergeben hat, die Vermutung auf, dass auch Stendal, die wichtigste Stadtgründung Albrechts des Bären um die Mitte des XII. Jahrhunderts, bei oder bald nach seiner Gründung, und nicht erst etwa bei Einholung späterer Schöffensprüche, von seiner Mutterstadt Magdeburg den Roland entlehnte, so dürften gegen die Yernunftmässigkeit und die sachliche Berechtigung solches Schlusses Einwendungen nur von denen erhoben werden, welche ein vom historischen Standpunkt nicht wohl anzuerkennendes Interesse daran haben, die eigene fertige Theorie von der Entstehung und Bedeutung der Rolandbilder um jeden Preis zu verteidigen, statt an der methodischen Klarlegung der äusseren und inneren Entwickelnngs- geschichte der Bildwerke unbefangen mitzuarbeiten. Formell ist der Stendaler Roland, welcher am Stützpfeiler die Jahreszahl 1525 trägt***), gerade wie der Brandenburger, eine Nachbildung der Magdeburger Statue. Zwar ist seine Rüstung dem Stil der Zeit seiner Errichtung gemäss modernisiert. Aber die Haltung, insbesondere des schwertbewehrten rechten Arms, und die schlanken Proportionen der drei Bildwerke sind durchaus übereinstimmend. Vor allen Dingen weist die Narrenfigur mit Schellenkappe und Dudelsack, welche hinter dem Rücken des Stendaler Roland den Stützpfeiler krönt, auf das Vorbild des Magdeburger, wo an der Rückseite des Stützpfeilers auf einem schlichten prismatischen Kragstein fast das gleiche Narrenbild — man vergleiche bezüglich des Kostüms die vorn offene Bekleidung des Oberkörpers, die weiten Ärmel, die grosse Gürteltasche — angebracht war. Während letztere Figur mit der Linken den Dudelsack, mit der Rechten einen Spiegel hielt, stützt der barhäuptige Stendaler Narr mit jener Hand einen Renaissance-Schild mit dem Stadtwappen, und hält den Dudelsack
*) Vgl, G. Sello, Brandenburg. Stadtrechtsquellen, Mark. Forsch. XVIII, 1881,S. 3 ft'.
**) „Berlinisches Stadtbuch“, 1883 (im Aufträge der städtischen Behörden hrg. von Clauswitz\ S. XIV. Die Entstehung der 4 ersten Bücher des Schöffenrechts habe ich Mark. Forsch. XVI, 45 in die Jahre 1325/1328 (wegen eines späteren Zusatzes s. 1. c. XVII, 57) gesetzt, die des 5. Buches bald nach 1364 (1. c. XVI, 43)
***) Ältere Nachrichten über seine Existenz, etwa in städtischen Rechnungsbüchern, sind in. W. bis heut noch nicht ermittelt.