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und darum kein Anlaß zu Zweifeln, seit wir in dem Blutwunderpilz, dem Bacillus prodigiosus, seinen Erreger kennen. So liegen die Ursachen, die für die Wallfahrten entscheidend gewesen sein sollen, durchaus im Bereich der Möglichkeiten. Dafür aber, daß solche Wallfahrten tatsächlich, und zwar vor der Gründung des Klosters, stattgefunden haben, lassen sich einige Beweise erbringen. Wir sehen ganz deutlich, daß das Kloster an einem Orte angelegt ist, der bereits vorher eine Bedeutung gehabt haben muß.
Es fällt nämlich zunächst auf, daß die sogenannte Blut- kapelle außerhalb des eigentlichen Klosters getrennt von allen Klostergebäuden liegt. Das läßt sich nur so erklären, daß sie als Anlage bereits früher vorhanden gewesen sein muß als das Kloster. Es darf ferner nicht übersehen werden, daß das Kloster in einer seit den ältesten Zeiten reich besiedelten Gegend unmittelbar an einer alten, vielbegangenen Straße liegt, die, von der Altmark kommend, über Wittenberge, Perleberg, Pritzwalk, Wittstock in das Land Stargard und weiter zur Ostsee führte. Nun Pflegte der Zisterzienserorden, zu dem auch Heiligengrabe gehörte, seine Klöster immer nur in entlegenen Gegenden an unwirtlichen Orten anzulegen. Beides trifft für Heiligengrabe nicht zu, sondern das gerade Gegenteil. Auch dafür gibt es ebenfalls nur die eine Erklärung, daß der Ort, an dem das Kloster begründet wurde, schon vorher bestand und sich durch besondere Umstände so vor anderen auszeichnete, daß eine andere Wahl nicht möglich war. Und dieser Ort war eben jene Kapelle, die über der Stätte errichtet war, die als das „heilige Grab" bezeichnet zu werden pflegte, da nach der Legende an ihr der Jude die Hostie, den Leib des Herrn, vergraben hatte. Nach ihr trug auch das Kloster seinen Namen. Dieser Name kommt für kein anderes deutsches Kloster vor und begegnet uns zum ersten Male schon 30 Jahre nach der Gründung. Er war aber sicher schon vorher, wenn vielleicht auch neben anderen Namen, gebräuchlich.
Daß aber tatsächlich in Heiligengrabe ein Wunderblut verehrt wurde, dafür gibt es keinen besseren Beweis als eine Urkunde des Klosters Stepenitz, die davon erzählt, wie das Kloster in den Besitz eines Wunderblutes gelangt und um dessent- willen recht eigentlich begründet sei. Diese Urkunde ist gefälscht und stammt aus der Zeit unmittelbar nach der Gründung Heiligengrabes! Sie scheint trotz bischöflicher Ablaßprivilegien keinen Glauben gefunden zu haben und war nicht in der Lage,