Heft 
(1929) 1
Seite
42
Einzelbild herunterladen

42

Ursache des Unglücks selbst und die Persönlichkeit des römischen Feldherrn lassen mich etwas dabei verweilen.

Oninctilius Varus stammte aus einer angesehenen, wenn auch nicht gerade altadligen Familie. Er war ein Mann von sanftem und ruhigem Charakter, geistig und körperlich etwas schwerfällig und mehr an das ruhige Lagerleben als an den Kriegsdienst gewöhnt. Wie wenig er ein Verächter des Geldes war, bezeugte seine Verwaltung der Provinz Syrien. Als armer Mann war er nämlich in ein reiches Land gekommen, und als reicher Mann hatte er ein armes Land verlassen.

Als Befehlshaber des in Germanien stehenden römischen Heeres lebte er in dem Wahne, die Einwohner des Landes seien Menschen, die außer Sprache und Gliedmaßen nichts weiter von Menschen an sich hätten, und mit Juristerei könnte er denen beikommen, die mit dem Schwerte nicht zu bändigen waren.

Mit solchen Ansichten und Vorsätzen kam er ins Innere Germaniens. Gleich als ob er sich unter Leuten befinde, die an den Segnungen des Friedens ihre Freude hätten, füllte er die Sommerszeit dadurch aus, daß er ihnen Recht sprach und ordentliche Gerichtsverhandlungen vor seinem Richterstuhle führte.

Diese Menschen aber man möchte es kaum glauben, wenn man es nicht miterlebt hätte sind trotz ihres wilden Wesens äußerst verschlagen und zur Lüge wie geboren. Sie heuchelten dem Varus ganze Reihen erdichteter Rechtshändel vor. Bald belangten sie sich ohne Grund vor Gericht, bald dankten sie dem Varus dafür, daß solche Händel jetzt nach römischem Recht geschlichtet würden, daß die neue, bisher un­bekannte Zucht und Ordnung ihre Wildheit allmählich mildere und daß bei Streitigkeiten an die Stelle der Entscheidung durch Waffengewalt jetzt die durch Richterspruch trete. Durch alles dies wiegten sie den Quinctilius in die größte Sorglosigkeit, sodaß er sich mehr wie ein aus dem römischen Forum recht­sprechender Prätor, als ein Befehlshaber eines im Herzen Germaniens stehenden Heeres vorkam.

Unter den Germanen lebte damals ein junger Mann vor­nehmer Abkunft, namens Arminius, der Sohn Segimers, des Fürsten seines Volkes. Er war persönlich tapfer und besaß eine rasche Auffassungsgabe und größere geistige Gewandtheit als andere Barbaren. Seines Geistes Feuer leuchtete ihm aus Antlitz und Augen. Ans unfern Feldzügen bisher war er unser ständiger Begleiter gewesen; außer dem römischen Römerrecht hatte er auch die Nitterwürde erlangt.