Deutsches Passionsspiel.
Von Günther Ehrenthal.
Vorbemerkung: Die nachfolgende Arbeit, Einleitung zum Deutschen Passionsfpiel und Auszüge daraus, wollte der Verfasser Herr Assessor Ehrenthal freundlichst für unser Museumshest zusammenstellen. Dienstliche Gründe machten es ihm zu unserem größten Bedauern unmöglich, den für Erscheinen des Heftes gesetzten Zeitpunkt innezuhalten. Mit seiner freundlichen Erlaubnis stelle ich nun aus der Einleitung seines kleinen Werkes und aus dem Text einiges zusammen, das die Gemeinde unserer Heimatfreunde mit diesem ihnen bisher unbekannten Erzeugnis deutschen Wesens und deutscher Art wenigstens etswas vertraut machen soll. Vor zehn Jahren hat Assessor Ehrenthal dies deutsche Passionsspiel aus einer Anzahl von Passionsspielen des 15. und 16. Jahrhunderts zusammengestellt. Was vor zehn Jahren noch nicht den verdienten Widerhall fand, dürfte ihn doch heute finden, und wir freuen uns, gerade unseren Museumsmitgliedern diesen unbekannten Reichtum nahe bringen zu dürfen. Bei Auswahl der Textprobe war der Gesichtspunkt maßgebend, möglichst etwas Geschlossenes zu geben. Deshalb steht im Mittelpunkt der gewählten Szenen Maria, die Mutter Jesu. Ihr Kampf um den Sohn, ihre Klage um den Gemarterten sind in aller Einfalt und Schlichtheit der Worte unbeschreiblich ergreifend und innig. Aus ihnen spricht derselbe Geist wie aus den alten deutschen Marien- und Passionsbildern, etwa Schongauers oder Dürers. Die ganze Gemütskraft eines leidenschaftlich um die höchsten Fragen ringenden Volkes kommt in diesen erschütternden Szenen zum Durchbruch. Die Probe schließt mit dem erhabenen Ausblick auf die Pieta.
Das Büchlein erschien seinerzeit im Verlage von Dr. Karl Mo- ninger, Greifswald, als 4. Band der Reihe: Alte und neue deutsche Spiele. A. v A.
Aus dem Vorwort.
Deutsche Mystik, alte deutsche Kunst, alte deutsche Dichtung erstehen aus jahrhundertelanger Vergessenheit. An solcher Erneuerung möchte dies kleine Werk mithelsen, indem es ein Gebiet auszeigt, an dem man bisher vorbeigegangen ist.
Weihnachtsspiele. Totentänze, das mächtige alte Zehnjungfrauenspiel, die Mysterienspiele vom Ritter St. Georg, vom Theophilus bewegen mit ihrer einfachen, echten Kraft wieder die Herzen der Hörer, das Passionsspiel — blieb vergessen. Wie kommt das? Ist gerade das Passionsspiel unfruchtbar für das religiöse Leben, unfähig eine Brücke zu werden von der still gewordenen Welt der Kirche zum Empfinden unseres Volkes, ist es etwa arm an dichterischer Kraft und echtem deutschen Gemüt? Auch die Literarhistoriker pflegen die Passionen des Mittelalters sehr kurz abzutun, und doch trieb gerade auf diesem Gebiet unsere volkstümliche Dichtung besonders kräftige Blüten. — Durch Unduldsamkeit der kirchlichen und weltlichen Autoritäten frühzeitig unterdrückt, verfiel dieser ganze Zweig der Literatur bis heute der Vergessenheit. Und als das Interesse für das Mittelalter wiedererwachte, erschienen die deutschen Spiele so wertlos, daß es Hugo von Hoffmannsthal unternahm, ein altes Mysterienspiel aus dem Französischen — die Passion des Arnoul