Nr. 3/94 - Seite 8
WIP
„WIPIANER“ AN DER UNIVERSITÄT
Zahlreiche Wissenschaftler aus Einrichtungen der Akademie der Wissenschaften erhielten nach deren Auflösung eine Förderung im Rahmen des Wissenschaftier-Integrationsprogramms (WIP), das Teil der Hochschulerneuerung in den neuen Bundesländern ist. Zu den Zielen der Erneuerung gehört die Rückführung der Forschung an die Universitäten.
Für die Anbindung an der Universität Potsdam gab es eine Vielzahl von Interessenten; mit technischen Kräften belief sich die Zahl auf etwa 350 Personen. Vom Gründungssenat wurde empfohlen, in die Universität Potsdam solche Projekte zu integrieren, „die entweder Bestandteil der konzipierten Strukturen werden könnten oder diese Strukturen sinnvoll, z. B. durch den Ausbau von Spezialisierungsrichtungen, ergänzen“.
Inzwischen hat die Universität Potsdam für 260 Personen eine positive Entscheidung getroffen. Davon haben 195 wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter in 88 Projekten das Angebot einer Aufnahme in die Universität im Rahmen des WIP bis maximal Ende 1996 angenommen. Darunter befinden sich auch die Bewerber aus dem Potsdamer Raum. Damit ist unsere Universität im Vergleich zu den Berliner Universitäten weit über das übliche Maß hinausgegangen. Die Einstellung einer so großen Anzahl von Personen erfordert hohen verwaltungstechnischen Aufwand. Hier haben die Angehörigen der Universitätsverwaltung in den letzten Monaten ein großes Stück Arbeit geleistet.
In der jetzigen Aufbausituation unserer Universität spielt das gegenseitige Kennenlernen der Mitarbeiter, die Kenntnis von Vorhaben und Projekten - auch im Hinblick auf die für Potsdam gewollte starke interdisziplinäre Zusammenarbeit - eine große Rolle. Die Redaktion möchte dazu einen Beitrag leisten und wird in loser Folge die Projektgruppen vorstellen.
WIP-Projektgruppe „Astronomie“ bei der Universität Potsdam
WIP-Projekt „Magnetische Sterne“
Projektleiter: Dr. S. Hubrig Untersuchung der Struktur von Magnetfeldern ausgewählter Stemtypen und Einzelsteme
Subtilere Vorstellungen vom Verhalten und der Entwicklung der Sonne, dem Hauptgestaltungsfaktor des Klimas auf der Erde ausarbeiten zu wollen, erfordert in der Sternphysik eine Vielzahl von unterschiedlichen physikalischen Mechanismen, um ihr komplexes Zusammenwirken zu analysieren und zu verstehen. Für die Erklärung bestimmter, an einigen Stemtypen zu beobachtenden Erscheinungen, erweisen sich die Magnetfelder in zunehmendem Maße als gut geeignet. Sie signalisieren riesige Ladungsträgerströme im Inneren der Plasmakugeln und erklären das Entstehen anomaler Anhäufungen bestimmter exotischer chemischer Elemente. Für die erfolgreiche Beobachtung derartiger Erscheinungen braucht man sehr große Teleskope mit raffinierten Lichtanalysatoren.
WIP-Projekt
„Astronomie“
Projektleiter: Dr. E. Schilbach Kinematik unserer Galaxis in einem inertialen Referenzsystem (3 Wiss.) Der astrometrische ESA-Satel- lit HIPPARCOS, der am
15. August 1993 sein vierjähriges Beobachtungsprogramm beendete, liefert zum ersten Mal homogene, sehr genaue Positionen, Eigenbewegungen und Parallaxen für ca. 120 000 Sterne. Durch die HIPPAR- COS-Daten erhalten wir eine neue Basis für die kosmische Entfemungsskala und für die kinematischen Untersuchungen unserer Galaxis im Abstand bis zu 1 kpc von der Sonne. Das entsprechende Koordinatensystem wird jedoch eine Restrotation relativ zu einem Inertialsystem aufweisen. Diese Rotation kann durch die Bestimmung der Position und Eigenbewegungen von HIPPARCOS- Stemen bezüglich extragalaktischer Objekte abgeleitet werden, was allerdings nur unter Einbeziehung zusätzlicher Beobachtungen möglich ist. Das Potsdamer Programm schlägt vor, Himmelsaufnahmen mit dem Tautenburger Schmidt-Teleskop für diesen Zweck zu nutzen. Als größte Schmidt-Kamera der Welt besitzt das Tautenburger Teleskop besonders günstige instrumentelle Parameter für diese Aufgabe. Dabei wird eine ähnlich hohe Genauigkeit erwartet wie bei einem Anschluß mit VLBI (Very Long Base Interferometry)-Be- obachtungen. Das Potsdamer Programm wurde vom HIP-
PARCOS-Consortium als Teil des Projektes „Link to Extraga- lactic Reference Frame“ bestätigt.
In einer größeren Entfemungsskala (> lkpc) können die Bewegungsverhältnisse in unserer Galaxis effektiv nur bei Nutzung photographischer Beobachtungen mit lichtstarken Teleskopen studiert werden. Mit dem Tautenburger Teleskop werden bis zu 100 000 Sterne auf einer Photoplatte abgebildet. Diese enorme Information kann erst jetzt, nach der Entwicklung vollautomatischer Plattenmeßmaschinen wissenschaftlich erfaßt werden. Anhand der Messungen von Tautenburger Platten mit Meßmaschinen in Paris und Cambrigde (UK) untersuchen wir die Kinematik von offenen und Kugel- stemhaufen. Dabei handelt es sich entsprechend um die jüngsten und ältesten Objekte unserer Galaxis.
Aus den Ergebnissen lassen sich Rückschlüsse auf die Entwicklung unserer Galaxis ziehen.
WIP-Projekt „Kompa- te Galaxiengruppen“
Projektleiter: Dr. H. Tiersch Merger-Prozesse in kompakten Galaxiengruppen
Eine Erscheinungsform des Umgangs miteinander, die man bei den Menschen mittlerweile überwunden glaubt, ist im Universum noch gang und gäbe: der Kannibalismus. Begegnen .sich zwei Sternsysteme im Kosmos, so treten sie in gravitative Wechselwirkung miteinander. Vor allem Effekte wie die dynamische Reihung und Gezeitenwechselwirkung führen dazu, daß die größere Galaxie das kleinere Stemsystem „frißt“. Besonders aktiv ist der „Galaxienkannibalismus“ in kompakten Galaxiengruppen, wo die Einzelgalaxien dicht beieinander sind. N-Körper- Rechnungen haben gezeigt, daß solche Gruppen eine Lebenszeit von 2 ... 3 Milliarden Jahren haben, dann sind alle Galaxien der Gruppe zu einer Riesengalaxie verschmolzen. Solch ein Zeitraum erscheint sehr lang, ist im astronomischen Sinne aber sehr wenig, verglichen mit dem Alter des Universums von 15 ... 20 Milliarden Jahren. Durch Beobachtungen von mehreren Galaxiengruppen, die sich naturgemäß in verschieden weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadien befinden, soll aus dem räumlichen Nebeneinander ein zeitliches Nacheinander abgeleitet werden. Dazu führt unsere Projektgruppe optische