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STUDIE
Das Image von Potsdam aus der Sicht lokaler Unternehmer - eine empirische Studie
Durch die deutsche Wiederverei- Ergebnisse unserer Untersuchun- nigung und die Öffnung Osteuro- gen geben:
pas haben sich insbesondere für die neuen Bundesländer die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und geograhischen Rahmenbedingungen z. T. gravierend verändert. Diese Entwicklung wird durch die herrschende Rezenssion noch verstärkt. Dabei besteht gerade für die Regionen die Notwendigkeit, sich als international wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort zu profilieren. Nur wenn es gelingt, einen Wirtschaftsraum für Investoren attraktiv zu gestalten, können dort Investoren gebunden und krisenfeste Wachstums- und Zukunftsbranchen angeworben werden, die dem Land eine gesunde wirtschaftliche Basis und der Bevölkerung sichere Arbeitsplätze geben. Voraussetzung für die Entwicklung eines erfolgreichen Konzepts zur „Vermarktung“ einer Region ist eine genaue Analyse der Stärken und Schwächen dieser Region im Vergleich zu konkurrierenden Wirtschaftsstandorten. So ist das Image eines Landes, einer Region oder einer Stadt ein ganz zentraler Standortfaktor.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing im Sommersemester 1993 mit Studenten und Studentinnen im Rahmen eines Marktforschungspraktikums eine empirische Untersuchung des Images von der Stadt Potsdam bei lokalen Unternehmern, das Bild also, das sich diese Menschen von der Stadt Potsdam als Lebens- und Wirtschaftsraum machen, durchgeführt worden. Befragt wurden 182 Unternehmen der Stadt und des Landkreises Potsdam, die 10 oder mehr Beschäftigte haben. Durch diese bewußt getroffene Auswahl war es uns möglich, gerade Aussagen über die wirtschaftlich bedeutenderen Unternehmern dieser Region zu treffen.
Im folgenden möchten wir einen Überblick über die wichtigsten
Der Wirtschaftsraum Potsdam wird durch die befragten Unternehmer teilweise sehr unterschiedlich, in der Tendenz allerdings negativ beurteilt. So weist Potsdam überwiegend Standortnachteile, wie überhöhte Grundstückspreise, eine bürokratisch arbeitende kommunale Verwaltung, eine hohe Kriminalitätsrate, nicht ausreichende Fördermaßnahmen durch den Staat und zu hohe Lohnkosten auf. Positiver werden dagegen nur das Qualifikationsniveau der Facharbeiter, das Angebot an Lehr- und Forschungsstätten sowie das Kulturangebot eingeschätzt. Einen eindeutigen Standortvorteil - und das ist alarmierend - gibt es allerdings aus der Sicht der befragten lokalen Unternehmer nicht.
Vergleicht man die Angaben zur Einschätzung einzelner Standortfaktoren (günstig vs. ungünstig) mit deren jeweiliger Bedeutung für das einzelne Unternehmen (sehr wichtig vs. weniger wichtig), so ergibt sich eine Vierfeldermatrix, die in der folgenden Abbildung dargestellt ist. Eine regionale Wirtschaftsförderung, das zeigt die Graphik, muß sich in erster Linie auf die fünf Gestaltungsbereiche Grundstückspreise, Kriminalitätsrate, Kommunale Verwaltung, Staatliche Fördermaßnahmen und Infrastruktur konzentrieren. Kommunikationspolitisch könnte Potsdam das hohe Qualifikationsniveau der Menschen, das Angebot an Lehr- und Forschungsstätten sowie das Kulturangebot zur Profilierung nutzen. Die Ergebnisse dieser empirischen Studie legen es nahe, Potsdam im Rahmen eines strategischen regionalen Marketing als eine High-tech-Metropole mit einem großen Absatzmarkt - Berlin - vor der Tür und direk
tem Zugang zu den internationalen Märkten zu positionieren.
Eine Typologisierung der Unternehmer auf der Basis der Einschätzung und Bewertung der von uns vorgelegten 13 Standortfaktoren ergab vier Gruppen, die wir etwas plakativ als Potsdam-Fans, Kritische, Differenziert und Undifferenziert Unzufriedene bezeichnen. Die Potsdam- Fans stehen Potsdam als Wirtschaftsstandort noch am positivsten gegenüber. Mit Ausnahme der als zu hoch bewerteten Grundstückspreise schätzen sie die Standortfaktoren befriedigend bis gut ein. Diese Gruppe macht allerdings nur 10 % der befragten Unternehmen aus. Insbesondere die Grundstückspreise und die kommunale Verwaltung kommen bei den Kritischen (24 %) sehr schlecht weg. Die staatlichen Fördermaßnahmen und die Qualität der Facharbeiter werden dagegen positiver eingeschätzt. Alarmierend ist der hohe Anteil von unzufriedenen Unternehmern (Differenziert und Undifferenziert) mit insgesamt 67 %. Diese Gruppe beurteilt fast alle Standortfaktoren schlecht bis sehr schlecht. Während die Differenziert Unzufriedenen (24 %) noch nuanciert urteilen, zeichnen sich die Undifferenziert Unzufriedenen (43 %) insbesondere durch eine generell hohe Anspruchshaltung aus.
Diese empirische Studie zeigt auch, daß die befragten Unternehmer der Region Potsdam als Lebensraum ambivalent gegenüberstehen. Sie haben von Potsdam ein stark diffe-
ziell, alt und konservativ, chaotisch und ungepflegt sowie kriminell und teuer erlebt. Potsdam wird als baulich leicht marode, belebte historische Kulturstadt mit landschaftlichen Reizen gesehen. Auch die Lebensqualität ist ein ernst zu nehmender Standortfaktor, der gepflegt und vermittelt werden muß.
• Deutliche Unterschiede gibt es auch zwischen den Unternehmen in der Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Lage. 52,2 % erwarten eine günstige Entwicklung des allgemeinen Geschäftsklimas, 20,1 % dagegen eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Hinsichtlich der Investitionsbereitschaft läßt sich konstatieren, daß 64,3 % . der befragten Unternehmen für die Zukunft Investitionen planen. Standortverlegungen werden insbesondere wegen schlechter Infrastruktur, bürokratischer Arbeitsweise der Kommunen, nicht ausreichender staatlicher Förderung, mangelnder Verfügbarkeit an Grundstücken und hohen Grundstückspreisen in Betracht gezogen. Diese Ergebnisse weisen mit aller Dringlichkeit darauf hin, daß effiziente Konzepte zur Standortsicherung und zum Ausbau Potsdams als international wettbewerbsfähiger Wirtschaftsraum zu entwickeln sind. Abschließend sei für interessierte Leser darauf hingewiesen, daß der vollständige Untersuchungsbericht „Das Image von Potsdam aus der Sicht lokaler Unternehmer“ gegen eine Schutzgebühr von DM 15,- am Lehrstuhl erhältlich ist (Bezugsadresse: Universität Potsdam, Wirtschaftsund Sozialwissenschaftliche Fa-
renziertes Bild (Image), wel- kultät, Lehrstuhl für BWL/Mar- ches positive und negative Ei- keting, August-Bebel-Straße 89, genschaften gleichermaßen in 14482 Potsdam, sich vereint. Potsdam wird ei- Tel.: 03 31-9 77 35 95). nerseits als eine gute, schöne, freundliche, warme und anziehende Stadt und andererseits Prof. Dr. Ingo Balderjahn/ als starr, langsam und provin- Dipl.-Ök. Claudia Mennicken