Heft 
(1.1.2019) 03
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Nr. 3/94 - Seite 10

STUDIE

Das Image von Potsdam aus der Sicht lokaler Unternehmer - eine empirische Studie

Durch die deutsche Wiederverei- Ergebnisse unserer Untersuchun- nigung und die Öffnung Osteuro- gen geben:

pas haben sich insbesondere für die neuen Bundesländer die poli­tischen, gesellschaftlichen, wirt­schaftlichen und geograhischen Rahmenbedingungen z. T. gra­vierend verändert. Diese Ent­wicklung wird durch die herr­schende Rezenssion noch ver­stärkt. Dabei besteht gerade für die Regionen die Notwendigkeit, sich als international wettbe­werbsfähiger Wirtschaftsstandort zu profilieren. Nur wenn es ge­lingt, einen Wirtschaftsraum für Investoren attraktiv zu gestalten, können dort Investoren gebunden und krisenfeste Wachstums- und Zukunftsbranchen angeworben werden, die dem Land eine ge­sunde wirtschaftliche Basis und der Bevölkerung sichere Arbeits­plätze geben. Voraussetzung für die Entwicklung eines erfolgrei­chen Konzepts zurVermark­tung einer Region ist eine ge­naue Analyse der Stärken und Schwächen dieser Region im Vergleich zu konkurrierenden Wirtschaftsstandorten. So ist das Image eines Landes, einer Regi­on oder einer Stadt ein ganz zen­traler Standortfaktor.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing im Sommersemester 1993 mit Stu­denten und Studentinnen im Rah­men eines Marktforschungsprak­tikums eine empirische Untersu­chung des Images von der Stadt Potsdam bei lokalen Unterneh­mern, das Bild also, das sich die­se Menschen von der Stadt Pots­dam als Lebens- und Wirtschafts­raum machen, durchgeführt wor­den. Befragt wurden 182 Unter­nehmen der Stadt und des Land­kreises Potsdam, die 10 oder mehr Beschäftigte haben. Durch diese bewußt getroffene Auswahl war es uns möglich, gerade Aus­sagen über die wirtschaftlich be­deutenderen Unternehmern die­ser Region zu treffen.

Im folgenden möchten wir einen Überblick über die wichtigsten

Der Wirtschaftsraum Pots­dam wird durch die befragten Unternehmer teilweise sehr unterschiedlich, in der Ten­denz allerdings negativ beur­teilt. So weist Potsdam über­wiegend Standortnachteile, wie überhöhte Grundstücks­preise, eine bürokratisch arbei­tende kommunale Verwaltung, eine hohe Kriminalitätsrate, nicht ausreichende Fördermaß­nahmen durch den Staat und zu hohe Lohnkosten auf. Positiver werden dagegen nur das Quali­fikationsniveau der Facharbei­ter, das Angebot an Lehr- und Forschungsstätten sowie das Kulturangebot eingeschätzt. Einen eindeutigen Standort­vorteil - und das ist alarmie­rend - gibt es allerdings aus der Sicht der befragten lokalen Unternehmer nicht.

Vergleicht man die Angaben zur Einschätzung einzelner Standortfaktoren (günstig vs. ungünstig) mit deren jewei­liger Bedeutung für das einzel­ne Unternehmen (sehr wichtig vs. weniger wichtig), so ergibt sich eine Vierfeldermatrix, die in der folgenden Abbildung dargestellt ist. Eine regionale Wirtschaftsförderung, das zeigt die Graphik, muß sich in erster Linie auf die fünf Gestaltungsbereiche Grund­stückspreise, Kriminalitätsrate, Kommunale Verwaltung, Staatliche Fördermaßnahmen und Infrastruktur konzentrie­ren. Kommunikationspolitisch könnte Potsdam das hohe Qualifikationsniveau der Men­schen, das Angebot an Lehr- und Forschungsstätten sowie das Kulturangebot zur Profilie­rung nutzen. Die Ergebnisse dieser empirischen Studie le­gen es nahe, Potsdam im Rah­men eines strategischen re­gionalen Marketing als eine High-tech-Metropole mit ei­nem großen Absatzmarkt - Berlin - vor der Tür und direk­

tem Zugang zu den internatio­nalen Märkten zu positionie­ren.

Eine Typologisierung der Un­ternehmer auf der Basis der Einschätzung und Bewertung der von uns vorgelegten 13 Standortfaktoren ergab vier Gruppen, die wir etwas plaka­tiv als Potsdam-Fans, Kriti­sche, Differenziert und Un­differenziert Unzufriedene bezeichnen. Die Potsdam- Fans stehen Potsdam als Wirt­schaftsstandort noch am posi­tivsten gegenüber. Mit Aus­nahme der als zu hoch bewer­teten Grundstückspreise schät­zen sie die Standortfaktoren befriedigend bis gut ein. Diese Gruppe macht allerdings nur 10 % der befragten Unterneh­men aus. Insbesondere die Grundstückspreise und die kommunale Verwaltung kom­men bei den Kritischen (24 %) sehr schlecht weg. Die staatli­chen Fördermaßnahmen und die Qualität der Facharbeiter werden dagegen positiver ein­geschätzt. Alarmierend ist der hohe Anteil von unzufriedenen Unternehmern (Differenziert und Undifferenziert) mit insgesamt 67 %. Diese Grup­pe beurteilt fast alle Stand­ortfaktoren schlecht bis sehr schlecht. Während die Diffe­renziert Unzufriedenen (24 %) noch nuanciert urteilen, zeichnen sich die Undifferen­ziert Unzufriedenen (43 %) insbesondere durch eine gene­rell hohe Anspruchshaltung aus.

Diese empirische Studie zeigt auch, daß die befragten Unter­nehmer der Region Potsdam als Lebensraum ambivalent gegenüberstehen. Sie haben von Potsdam ein stark diffe-

ziell, alt und konservativ, chaotisch und ungepflegt so­wie kriminell und teuer erlebt. Potsdam wird als baulich leicht marode, belebte historische Kulturstadt mit landschaftli­chen Reizen gesehen. Auch die Lebensqualität ist ein ernst zu nehmender Standortfaktor, der gepflegt und vermittelt werden muß.

Deutliche Unterschiede gibt es auch zwischen den Unterneh­men in der Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Lage. 52,2 % erwarten eine günstige Entwicklung des all­gemeinen Geschäftsklimas, 20,1 % dagegen eine Ver­schlechterung der wirtschaftli­chen Lage. Hinsichtlich der Investitionsbereitschaft läßt sich konstatieren, daß 64,3 % . der befragten Unternehmen für die Zukunft Investitionen pla­nen. Standortverlegungen werden insbesondere wegen schlechter Infrastruktur, büro­kratischer Arbeitsweise der Kommunen, nicht ausreichen­der staatlicher Förderung, mangelnder Verfügbarkeit an Grundstücken und hohen Grundstückspreisen in Be­tracht gezogen. Diese Ergeb­nisse weisen mit aller Dring­lichkeit darauf hin, daß effizi­ente Konzepte zur Standortsi­cherung und zum Ausbau Pots­dams als international wettbe­werbsfähiger Wirtschaftsraum zu entwickeln sind. Abschließend sei für interessierte Leser darauf hingewiesen, daß der vollständige Untersuchungs­berichtDas Image von Potsdam aus der Sicht lokaler Unterneh­mer gegen eine Schutzgebühr von DM 15,- am Lehrstuhl er­hältlich ist (Bezugsadresse: Uni­versität Potsdam, Wirtschafts­und Sozialwissenschaftliche Fa-

renziertes Bild (Image), wel- kultät, Lehrstuhl für BWL/Mar- ches positive und negative Ei- keting, August-Bebel-Straße 89, genschaften gleichermaßen in 14482 Potsdam, sich vereint. Potsdam wird ei- Tel.: 03 31-9 77 35 95). nerseits als eine gute, schöne, freundliche, warme und anzie­hende Stadt und andererseits Prof. Dr. Ingo Balderjahn/ als starr, langsam und provin- Dipl.-Ök. Claudia Mennicken