Heft 
(1.1.2019) 03
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WISSENSCHAFT

Nr. 3/94-Seite 11

Erste Tagung des Arbeitskreises Historische Anthropologie

Um den neueren theoretisch-me­thodischen Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft Rech­nung zu tragen und diese für die eigene Forschungspraxis frucht­bar zu machen, wurde bei der von Prof. Dr. Jan Peters geleite­ten Max-Planck-Arbeitsgruppe Gutsherrschaft als sozialhistori­sches Phänomen an der Univer­sität Potsdam ein überregionaler Arbeitskreis Historische Anthro­pologie für Doktoranden ge­gründet, dessen erste Tagung vom 17.-20. Dezember 1993 in Potsdam stattgefunden hat. Ins­gesamt sind vier derartige zwei- bis dreitägige Tagungen im Halbjahresrhythmus geplant. Der Arbeitskreis wird durch die Doktoranden Christoph Mötsch und Christof Jeggle organisiert und durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur finanziert.

Die zur Debatte stehende Histo­rische Anthropologie, seit 1993 auch in Form einer gleichnami­gen historischen Zeitschrift an­getreten, ist kein bereits fertiges Konzept der historischen For­schung, sondern bezeichnet viel­mehr das Bemühen, neue Wege der historischen Kulturanalyse zu entwickeln. Die verschiede­nen Ebenen von Kommunikati­on und zwischenmenschlichem Handeln in konkreten Lebens- verhältnissen bilden den Schwerpunkt des Forschungsin­teresses. Die empirische For­schungsarbeit konzentriert sich auf konkret umrissene Netzwer­ke persönlicher Beziehungen. Die intensive Rezeption und Diskussion von theoretischen Ansätzen anderer Fächer, vor al­lem der Ethnologie, der Kultur­soziologie und der Fiteraturwis- senschaft, ist dabei der Aus­gangspunkt für die Erarbeitung der notwendigen theoretischen Grundlagen.

Der AK hat sich dabei die Auf­gabe gestellt, die theoretische Diskussion und die Forschungs­praxis der beteiligten Doktoran- dinnen und Doktoranden unmit­telbar zu verknüpfen, um Nutzen und Anwendbarkeit der neuen Ansätze zu überprüfen. Das Spektrum der durch die 17 Teil­

nehmer repräsentierten Fächer wie auch die Themen der For­schungsprojekte waren breit ge­streut. Eine gemeinsame Diskus­sionsgrundlage wurde durch ei­nen vorher verschickten Reader mit theoretischen Aufsätzen her­gestellt.

Auf Referate im herkömmlichen Sinne wurde verzichtet, um die Diskussion freier und lebhafter gestalten zu können. Durch ein­leitende Thesen der Veranstalter wurde eine Leitlinie für die wei­tere Arbeit angeboten. Die De­batte nahm ihren Ausgang vom inzwischen klassischen Ansatz des Ethnologen Clifford Geertz, der sehr kritisch diskutiert und in wesentlichen Punkten weiterent­wickelt wurde. Ein zentraler Punkt war dabei die Überlegung, menschliches Handeln grund­sätzlich als sinnproduzierendes Handeln aufzufassen und die Analyse dieser Sinnproduktion und der ihr zugrundeliegenden Denkmuster im jeweiligen sozia­len Kontext in den Mittelpunkt der Kulturanalyse zu stellen. Mit welchen Methoden diese Unter­suchungen durchgeführt werden können, wurde im folgenden un­ter anderem an Hand der struk­turanalytischen Ansätze von Marshall Sahlins und der Frage nach der Einbeziehung von Herrschaftsverhältnissen im Rahmen hermeneutischer Ver­fahren intensiv erörtert. In die theoretische Debatte eingebettet waren Berichte einiger Teilneh­mer aus ihrer Forschungsarbeit: Die Anwendung ethnologischer Konzepte der Ritualanalyse bei der Untersuchung der Autobio­graphie eines elsäßischen Kan­nengießers aus dem 17. Jahrhun­dert und die Rekonstruktion von Lebensrealitäten von Frauen in Münster/W. im späten 16. Jahr­hundert. Die Bedeutung des kommunikativen Kontextes, in dem historische Überlieferungen entstanden sind, wurde am Bei­spiel der Funktion von Verwal­tungsschriften in der mündlich geprägten Kultur der spätmittel­alterlichen Ostschweiz disku­tiert. Die konkrete Bezugnahme der theoretischen Modelle auf die eigenen Forschungsvorhaben

ließ die Probleme der Anwend­barkeit deutlich zutage treten. Plädiert wurde daher für einen vorsichtigen, pragmatischen Umgang mit den Theorieange­boten der Nachbarwissenschaf­ten.

Ein hervortretendes Merkmal der äußerst konzentriert und konstruktiv geführten Debatten der Tagung ist darin zu sehen, daß die Probleme einer kultur- hermeneutischen Analyse nicht beschönigt, sondern offensiv an­

gegangen wurden. Betont wur­de, daß keine Bedeutungsanaly­se ohne sorgfältige und systema­tisch-kritische Quellenanalyse und eine intensive Kenntnis der spezifischen sozialen, ökonomi­schen und kulturellen Kontext­bedingungen gelingen kann, auch wenn letztere für Historiker auf Grund der Quellenlage häu­fig nur schwer zu rekonstruieren sind.

Christoph Mötsch Christof Jeggle

Verein für Reformationsgeschichte

Seit dem 1. Januar 1994 hat die Geschäftsstelle des Ver­eins für Reformationsge­schichte ihren Sitz an der Uni­versität Potsdam.

Damit wurde der Sitz dieses äußerst renommierten wissen­schaftlichen Vereinszur Er­forschung der Reformation und ihrer Weltwirkung nach 45 Jahren von Heidelberg in das Land Brandenburg verlegt und ist damit seinem ur­sprünglichen Sitz Halle räum­lich näher gerückt.

Der Verein für Reformations­geschichte wurde vor über 100 Jahren gegründet und be­stimmt seitdem mit zuneh­mend wissenschaftlichem

Charakter die internationale historisch-theologische For­schung zur Reformation. Seit dem Ende des 2. Weltkrieges besteht eine enge wissen­schaftliche Zusammenarbeit mit derSociety for Reforma­tion Research in den USA, mit der zusammen die interna­tional hoch geachtete Zeit­schriftArchiv für Reformati­onsgeschichte herausgege­ben wird.

Die Verlagerung der Ge­schäftsstelle an die Universität Potsdam hängt mit der Wahl von Prof. Dr. Luise Schorn- Schütte zur Schatzmeisterin des Vereins für Reformations­geschichte zusammen.

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