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(1.1.2019) 01
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Macht und Mission machte Prof. Di. Manfred Görtemaker als die Triebkräfte amerikanischer Politik aus. Die (West-Deutschen profitierten davon nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges: sichtbares Zeichen dafür waren z.B. die sogenanntenRosinenbomber, die West-Berlin während der Blockade der Stadt auf dem Luftwege versorgten. Bild: BN:US Information Agency

stetige Zusammenarbeit mit West-Europa und - ab 1946 - auch in immer stärkerem Maße mit West-Deutschland entwickelt hat. Für den dahinter stehenden missionarischen Drang der USA habe dabei die sogenannte Truman-Doktrin gesorgt, die eine Zweitei­lung der Welt in gut und böse vornahm und weltanschaulich rechtfertigte.

Der Verkündung der Truman-Doktrin 1947 folgte bald darauf ein Programm, mit dessen Hilfe das wirtschaftliche Überleben Europas ermöglicht werden sollte: der nach seinem Urheber bezeichneteMarshall-Plan". Da dieser, so Görtemaker, von der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten abgelehnt worden sei, habe er ebenfalls zur immer strenger werdenden Teilung Europas beige­tragen - eine Entwicklung, die die USA in ihrer Mission im Interesse von Demokratie und Freiheit nur bestärkten.

Doch die anfängliche Polarität des Kalten Krieges, symbolisiert am Beispiel der Entste­hung zweier deutscher Staaten und ihrer Konfrontation, wich langsam einer zaghaften Annäherung. Nach Görtemakers Schilderun­gen fand diese Aufweichung starrer Positio­nen auf amerikanischer Seite ihren endgül­

Die Historikerin hielt im Dezember vergange­nen Jahres ihre Antrittsvorlesung zum The­ma'Ratio Status' undpolitica christiana. Überlegungen zu Alternativen politischen Denkens in der Frühen Neuzeit und stellte ihre Forschungsergebnisse dar. Sie betonte, daß das politische Denken der Frühen Neu­zeit ein außerordentlich facettenreiches Ge­bilde wäre, in dem die Staatsräsonlehre nur eine von mehreren Strömungen darstelle. Sie unterscheidet vier Richtungen des politi­schen Denkens jener Zeit. Zum einen den po­litischen Aristotelismus, der zur Rechtferti­gung der Autonomie des Staates gegenüber ständischen bzw. kirchlichen Herrschafts­forderungen diente. Weiter eine kleine Grup­pe politischer Denker, die geprägt war von dem calvinistischen Juristen J. Althusius. Ihr Entwurf für eine frühneuzeitliche Staatsform sei mitmonarchia mixta" zu kennzeichnen. Drittens handle es sich um den Tacitismus. Er beinhalte die Aufrechterhaltung des Herr­schaftssystems als Anliegen des Herrschers, die Kirche war demnach dem Herrschaftsan­spruch des Regenten untergeordnet. Die politica christiana, diechristliche Staats­lehre schließlich erachte eine prinzipielle Trennung von Politik und Kirche als unnötig,

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tigen Niederschlag in der Politik John F. Kennedys, der 1960 an die Regierung kam und sichjung und dynamisch um einen Ausgleich bemüht habe. Die Überzeugungs­kraft für sein eigenes Volk gewann er dabei, so der Historiker, nicht zuletzt aus einem missionarischen Sendungsbewußtsein her­aus:The eyes of all people are upon us, zitierte Manfred Görtemaker den 1963 ermor-

da die politische Herrschaft als Teil der christlichen Schöpfungsordnung betrachtet wurde. Luise Schorn-Schütte verdeutlichte, daß diepolitica christiana als retardierend- traditionales Moment politischen Denkens in der Frühen Neuzeit gilt. Damit sei aber die Realität nur unzureichend beschrieben wor­den. Sie begründete ihre Behauptung damit, daß sich die Geschichtsschreibung über das politische Denken bisher fast ausschließlich auf wenige herausragende Persönlichkeiten beschränkte. Außerdem würde der nach- reformatorische Prozeß der Trennung von Religion und Politik in seiner Vielschichtig­keit unzureichend erfaßt.Meine These", so die Wissenschaftlerin,ist, daß sich in dem bezeichneten Zeitraum mit der christlichen Staatslehre ein politisch-theoretisches Ord­nungsmuster mit praktischer Tiefenwirkung entfaltete, das als Alternative zum stets als dominant charakterisierten Staatszweck­denken in Gestalt der Lehre von der Staats­räson angesehen werden kann. Anschlie­ßend widmete sich die Professorin einigen Konfliktfeldern, wie Jena 1560/61, Braun­schweig 1590 bis 1604 sowie Braunschweig- Wolfenbüttel 1657, in deren Rahmen Elemen­te derchristlichen Staatslehre zur Recht -

deten Präsidenten, der wie seine Vorgänger Truman und Eisenhower mit viel Idealismus, aber auch mit einer entschiedenen Machtpo­litik an die Verwirklichung seiner Ziele ge­gangen wäre. - Die enorme Durchschlags­kraft dieser Politikvon Gott und Gold zu diskutieren, bot der sich an die Vorlesung anschließende Umtrunk willkommene Gele­genheit. Hg.

Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte bei ihrer Antritts­vorlesung Foto: Tribukeit

fertigung politischen Handelns als real wir­kende Kräfte sichtbar würden. Diese Erschei­nungen ordnete Luise Schorn-Schütte in die zeitgenössische, politiktheoretische und kon­fessionspolitische Diskussion ein. Sie gelang­te zu dem Schluß, daß die Bedeutung der christlichen Staatslehre für das politische Denken der Frühen Neuzeit von der For­schung bisher weitgehend verkannt wurde. Die politischen Theorien seien nicht im luft­leeren Raum entstanden, vielmehr sei die Af­finität bestimmter sozialer Gruppen zu den einzelnen Stufen politiktheoretischer Ord­nungsmuster nachweisbar. Diese Varianten politischen Denkens in der Frühen Neuzeit stützten das politische Handeln solcher so­zialen Gruppen, die den sozialen Wandel je­ner Jahrzehnte mittrugen. Abschließend ver­wies die Referentinauf die Existenz von Spielräumen in der Geschichte, die der Histo­riker ebenso wahmehmen sollte wie die gro­ßen Linien stringenter Entwicklungen. B.E.

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SPIELRÄUME IN DER GESCHICHTE WAHRNEHMEN

Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte hielt Antrittsvorlesung

Sie hätte auch an die 500 Jahre alte Universität Basel gehen können. Prof. Dr. Lui­se Schorn-Schütte entschied sich 1993 aber für Potsdam. Die Inhaberin des Lehr­stuhls für Neuere Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Frühen Neuzeit im Historischen Institut ist zugleich Schatzmeisterin des seit 1994 in Potsdam ansässigen Vereins für Reformationsgeschichte.