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Macht und Mission machte Prof. Di. Manfred Görtemaker als die Triebkräfte amerikanischer Politik aus. Die (West-Deutschen profitierten davon nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges: sichtbares Zeichen dafür waren z.B. die sogenannten „Rosinenbomber“, die West-Berlin während der Blockade der Stadt auf dem Luftwege versorgten. Bild: BN:US Information Agency
stetige Zusammenarbeit mit West-Europa und - ab 1946 - auch in immer stärkerem Maße mit West-Deutschland entwickelt hat. Für den dahinter stehenden missionarischen Drang der USA habe dabei die sogenannte „Truman-Doktrin“ gesorgt, die eine Zweiteilung der Welt in gut und böse vornahm und weltanschaulich rechtfertigte.
Der Verkündung der Truman-Doktrin 1947 folgte bald darauf ein Programm, mit dessen Hilfe das wirtschaftliche Überleben Europas ermöglicht werden sollte: der nach seinem Urheber bezeichnete „Marshall-Plan". Da dieser, so Görtemaker, von der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten abgelehnt worden sei, habe er ebenfalls zur immer strenger werdenden Teilung Europas beigetragen - eine Entwicklung, die die USA in ihrer Mission im Interesse von Demokratie und Freiheit nur bestärkten.
Doch die anfängliche Polarität des Kalten Krieges, symbolisiert am Beispiel der Entstehung zweier deutscher Staaten und ihrer Konfrontation, wich langsam einer zaghaften Annäherung. Nach Görtemakers Schilderungen fand diese Aufweichung starrer Positionen auf amerikanischer Seite ihren endgül
Die Historikerin hielt im Dezember vergangenen Jahres ihre Antrittsvorlesung zum Thema „'Ratio Status' und ‘politica christiana’. Überlegungen zu Alternativen politischen Denkens in der Frühen Neuzeit“ und stellte ihre Forschungsergebnisse dar. Sie betonte, daß das politische Denken der Frühen Neuzeit ein außerordentlich facettenreiches Gebilde wäre, in dem die Staatsräsonlehre nur eine von mehreren Strömungen darstelle. Sie unterscheidet vier Richtungen des politischen Denkens jener Zeit. Zum einen den politischen Aristotelismus, der zur Rechtfertigung der Autonomie des Staates gegenüber ständischen bzw. kirchlichen Herrschaftsforderungen diente. Weiter eine kleine Gruppe politischer Denker, die geprägt war von dem calvinistischen Juristen J. Althusius. Ihr Entwurf für eine frühneuzeitliche Staatsform sei mit „monarchia mixta" zu kennzeichnen. Drittens handle es sich um den Tacitismus. Er beinhalte die Aufrechterhaltung des Herrschaftssystems als Anliegen des Herrschers, die Kirche war demnach dem Herrschaftsanspruch des Regenten untergeordnet. Die „politica christiana“, die „christliche Staatslehre“ schließlich erachte eine prinzipielle Trennung von Politik und Kirche als unnötig,
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tigen Niederschlag in der Politik John F. Kennedys, der 1960 an die Regierung kam und sich „jung und dynamisch“ um einen Ausgleich bemüht habe. Die Überzeugungskraft für sein eigenes Volk gewann er dabei, so der Historiker, nicht zuletzt aus einem missionarischen Sendungsbewußtsein heraus: „The eyes of all people are upon us“, zitierte Manfred Görtemaker den 1963 ermor-
da die politische Herrschaft als Teil der christlichen Schöpfungsordnung betrachtet wurde. Luise Schorn-Schütte verdeutlichte, daß die „politica christiana“ als retardierend- traditionales Moment politischen Denkens in der Frühen Neuzeit gilt. Damit sei aber die Realität nur unzureichend beschrieben worden. Sie begründete ihre Behauptung damit, daß sich die Geschichtsschreibung über das politische Denken bisher fast ausschließlich auf wenige herausragende Persönlichkeiten beschränkte. Außerdem würde der nach- reformatorische Prozeß der Trennung von Religion und Politik in seiner Vielschichtigkeit unzureichend erfaßt. „Meine These", so die Wissenschaftlerin, „ist, daß sich in dem bezeichneten Zeitraum mit der christlichen Staatslehre ein politisch-theoretisches Ordnungsmuster mit praktischer Tiefenwirkung entfaltete, das als Alternative zum stets als dominant charakterisierten Staatszweckdenken in Gestalt der Lehre von der Staatsräson angesehen werden kann“. Anschließend widmete sich die Professorin einigen Konfliktfeldern, wie Jena 1560/61, Braunschweig 1590 bis 1604 sowie Braunschweig- Wolfenbüttel 1657, in deren Rahmen Elemente der „christlichen Staatslehre“ zur Recht -
deten Präsidenten, der wie seine Vorgänger Truman und Eisenhower mit viel Idealismus, aber auch mit einer entschiedenen Machtpolitik an die Verwirklichung seiner Ziele gegangen wäre. - Die enorme Durchschlagskraft dieser Politik „von Gott und Gold“ zu diskutieren, bot der sich an die Vorlesung anschließende Umtrunk willkommene Gelegenheit. Hg.
Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte bei ihrer Antrittsvorlesung Foto: Tribukeit
fertigung politischen Handelns als real wirkende Kräfte sichtbar würden. Diese Erscheinungen ordnete Luise Schorn-Schütte in die zeitgenössische, politiktheoretische und konfessionspolitische Diskussion ein. Sie gelangte zu dem Schluß, daß die Bedeutung der christlichen Staatslehre für das politische Denken der Frühen Neuzeit von der Forschung bisher weitgehend verkannt wurde. Die politischen Theorien seien nicht im luftleeren Raum entstanden, vielmehr sei die Affinität bestimmter sozialer Gruppen zu den einzelnen Stufen politiktheoretischer Ordnungsmuster nachweisbar. Diese Varianten politischen Denkens in der Frühen Neuzeit stützten das politische Handeln solcher sozialen Gruppen, die den sozialen Wandel jener Jahrzehnte mittrugen. Abschließend verwies die Referentin „auf die Existenz von Spielräumen in der Geschichte, die der Historiker ebenso wahmehmen sollte wie die großen Linien stringenter Entwicklungen“. B.E.
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SPIELRÄUME IN DER GESCHICHTE WAHRNEHMEN
Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte hielt Antrittsvorlesung
Sie hätte auch an die 500 Jahre alte Universität Basel gehen können. Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte entschied sich 1993 aber für Potsdam. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Neuere Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Frühen Neuzeit im Historischen Institut ist zugleich Schatzmeisterin des seit 1994 in Potsdam ansässigen Vereins für Reformationsgeschichte.