TITEL
AUSZEICHNUNG DANK BIOSENSOR-FORSCHUNG
Prof. Scheller erhielt den Karl Heinz Beckurts-Preis 1994
Als ein Wissenschaftler, der sowohl in der früheren DDR als auch in der heutigen, vereinten Bundesrepublik äußerst erfolgreich die Grenzen seines Faches überschritten hat bzw. überschreitet, ist Professor Dr. Frieder Scheller inzwischen international bekannt. Neuerliches Zeichen für die Reputation des Forschers, der an der Universität Potsdam seit 1993 den (ersten) Lehrstuhl für Analytische Biochemie inne hat, ist die Verleihung des Karl Heinz Beckurts- Preises 1994. Gemeinsam mit Frieder Scheller wurden gegen Ende des letzten Jahres drei weitere Wissenschaftler - Professor Dr. Kurt Mehlhorn vom Max- Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken, Professor Dr. Andreas Radbruch von der Universität Köln und der Dipl.-Phys. Stefan Miltenyi von der Miltenyi Biotec GmbH in Bergisch- Gladbach - mit diesem Preis ausgezeichnet, der erstmals 1989 ausgelobt wurde, um „herausragende wissenschaftliche und technische Leistungen zu würdigen, von denen erkennbare und von den Preisträgern geförderte Impulse für industrielle Innovationen ausgehen“.
Gegründet worden ist die Karl Heinz Bek- kurts-Stiftung von der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF) im Jahre 1987. Dabei erhielt sie den Namen des 1986 ermordeten Professors Beckurts, der von 1973 bis 1976 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen gewesen ist und in weiteren Wissenschaftsorganisationen mitwirkte, bevor er 1980 in den Vorstand der „Siemens AG" überwechselte. Heute verfügt die Stiftung über ein Kapital von drei Millionen DM, von denen ein Drittel seitens der AGF und zwei Drittel durch die „Siemens AG“ erbracht werden. Das jährlich ausgeschüttete Preisgeld beträgt 180.000 DM, die normalerweise dreigeteilt verliehen werden. Entsprechend des Zieles von Karl Heinz Beckurts, die Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern, werden nun jährlich Forscher ausgezeichnet, die eine solche Partnerschaft erfolgreich praktizieren. Der langjährige, bisherige Vorsitzende des Vorstandes der Stiftung, Professor Dr. Hans Wolfgang Levi, charakterisierte die Leistung der 94’er Preisträger in diesem Sinne als eine „wider die in Deutschland oft anzutreffenden unterschiedlichen Sprachenvon Praktikern und Theoretikern" gerichtete. Die wissenschaftliche Exzellenz der Ausgewählten sei dabei selbstverständlich, innovative Grenzgänger zwischen Theorie und Praxis aber müßten sie schon sein.
PUTZ 1/95
Genau auf dieser Linie lag und liegt die Arbeit Professor Schellers, der 1993 mehrere andere Rufe mit zum Teil besserer Ausstattung äblehnte, um an der neugegründeten Universität Potsdam analytische Biochemie zu betreiben, Seine Entscheidung beruhte damals auch auf dem Bestreben, „die Grenze zwischen Ost und West, zwischen den neuen und den alten Bundesländern zu überschreiten“ wie der Wissenschaftler im Rahmen der Preisverleihung in der Staatsbibliothek zu Berlin erklärte. Dementsprechend setzt sich seine heutige, rund 20köpfige Arbeitsgruppe zu einem Drittel aus ostdeutschen Wissenschaftlern, zu einem Drittel aus westdeutschen und zu einem Drittel aus ausländischen Wissenschaftlern zusammen.
Alle gemeinsam arbeiten sie in dem Biomedizinischen Wissenschaftspark am Max- Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch, das ihnen großzügig Labore zur Verfügung stellt, auf einem noch recht jungen Forschungsgebiet: den Biosensoren. Darunter versteht man biologische Meßfühler, die für diverse Analysen herangezogen werden. Hauptanwendungsgebiete sind heute die medizinische Diagnostik, Umweltüberwachung und Lebensmittelanalytik, aber auch bei Qualitätsbewertungen in der phar-
35ISiisi§
Vertreter des öffentlichen Lebens aus den Bereichen der Politik, Wirtschaft und der Wissenschaft wohnten der Karl Bekurts-Preisverleihung in der Staatsbibliothek zu Berlin bei. Foto: Büffett
mazeutischen und kosmetischen Industrie bedient man sich immer häufiger der Biosensortechnik. Die Forschungen Frieder Schellers in diesem Bereich waren bereits in der DDR wegweisend und sie sind es bis heute geblieben. So entwickelte er beispielsweise Anfang der 80er Jahre einen Glukosesensor, mit dem im Jahre 1982 bereits knapp ein Drittel aller Blutzuckermessungen in der DDR durchgeführt worden sind. „Damals wie heute kommt ihm und seinem Wissenschaftlerteam eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Biosensorik und ihrer praktischen Anwendung zu", erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Cornelia Yzer, denn auch im Zuge der Beckurts-Preisverleihung an den Potsdamer Wissenschaftler und übeneichte Frieder
Aus den Händen der Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Cornelia Yzer (links) erhielt Prof. Frieder Scheller (rechts) seine Urkunde über den Karl Bekurts-Preis 1994. Foto: Rüffert
Scheller für seine Leistungen im Namen der Stiftung einen Scheck über 60.000 DM. Jüngstes Beispiel für den Erfindergeist Frieder Schellers ist ein gemeinsam mit einer Magdeburger Firma entwickeltes Meßgerät zur Bestimmung des Milchsäuregehaltes im Blut von Patienten. Dieser „Biosensor" wild bereits in der Sportmedizin und Herzdiagnostik eingesetzt und soll, so der Preisträger, im Februar dieses Jahres auch Astronauten in ihrem Spacelab ins All begleiten. Aufgabe des kleinen, unscheinbar wirkenden Gerätes wird die Stoffwechselüberwachung der Astronauten sein, mit Hilfe dessen eine Überlastung des Organismus rechtzeitig erkannt werden kann. Wunschdenken ist demgegenüber noch die Einsetzung von Biosensoren als eine Art technischer Spürhunde im Zuge der Rauschgiftbekämpfung, durch die der Einsatz richtiger Hunde und ihrer empfindlichen Nasen vermieden werden könnte. Doch arbeiten Frieder Scheller und sein Team auch an der marktreifen Entwicklung dieser Technik...
Das immer noch häufige Fehlen solch marktreifer Entwicklungen seitens bundesdeutscher Wissenschaftler stand demgegenüber im Mittelpunkt des Festvortrages, den Professor Dr. Joachim Treusch, der Vorsitzende des Vorstands des Forschungszentrums Jülich, im Rahmen der Preisverleihung hielt. Unter dem Titel „Hat die Zukunft eine Chance?" beklagte er, daß zwischen den Variablen „Wollen - Wissen - Können - Tun“ in der Bundesrepublik nach wie vor erhebliche Lük- ken in puncto „Wollen“ und „Tun" herrschten. So wären das „Wissen“ und „Können" zwar sehr stark vertreten, habe man sich jedoch lange Zeit zu wenig Gedanken über das „Wollen" gemacht und sei das „Tun“ durch eine mangelnde Risikofreude (auch der Wirtschaft) gekennzeichnet gewesen. Als Beispiel dafür nannte Treusch das Fax-Gerät, das in Deutschland erfunden und in Japan zur Marktfähigkeit entwickelt und produziert worden wäre. Hg.
Seite 19