Heft 
(1.1.2019) 01
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AUSZEICHNUNG DANK BIOSENSOR-FORSCHUNG

Prof. Scheller erhielt den Karl Heinz Beckurts-Preis 1994

Als ein Wissenschaftler, der sowohl in der früheren DDR als auch in der heuti­gen, vereinten Bundesrepublik äußerst erfolgreich die Grenzen seines Faches überschritten hat bzw. überschreitet, ist Professor Dr. Frieder Scheller inzwi­schen international bekannt. Neuerli­ches Zeichen für die Reputation des Forschers, der an der Universität Pots­dam seit 1993 den (ersten) Lehrstuhl für Analytische Biochemie inne hat, ist die Verleihung des Karl Heinz Beckurts- Preises 1994. Gemeinsam mit Frieder Scheller wurden gegen Ende des letzten Jahres drei weitere Wissenschaftler - Professor Dr. Kurt Mehlhorn vom Max- Planck-Institut für Informatik in Saar­brücken, Professor Dr. Andreas Rad­bruch von der Universität Köln und der Dipl.-Phys. Stefan Miltenyi von der Miltenyi Biotec GmbH in Bergisch- Gladbach - mit diesem Preis ausge­zeichnet, der erstmals 1989 ausgelobt wurde, umherausragende wissen­schaftliche und technische Leistungen zu würdigen, von denen erkennbare und von den Preisträgern geförderte Impulse für industrielle Innovationen ausgehen.

Gegründet worden ist die Karl Heinz Bek- kurts-Stiftung von der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF) im Jahre 1987. Dabei erhielt sie den Namen des 1986 ermordeten Professors Beckurts, der von 1973 bis 1976 Vorsitzender der Arbeits­gemeinschaft der Großforschungseinrichtun­gen gewesen ist und in weiteren Wissen­schaftsorganisationen mitwirkte, bevor er 1980 in den Vorstand derSiemens AG" überwechselte. Heute verfügt die Stiftung über ein Kapital von drei Millionen DM, von denen ein Drittel seitens der AGF und zwei Drittel durch dieSiemens AG erbracht werden. Das jährlich ausgeschüttete Preis­geld beträgt 180.000 DM, die normalerwei­se dreigeteilt verliehen werden. Entsprechend des Zieles von Karl Heinz Beckurts, die Partnerschaft zwischen Wis­senschaft und Wirtschaft zu fördern, werden nun jährlich Forscher ausgezeichnet, die eine solche Partnerschaft erfolgreich praktizieren. Der langjährige, bisherige Vorsitzende des Vorstandes der Stiftung, Professor Dr. Hans Wolfgang Levi, charakterisierte die Leistung der 94er Preisträger in diesem Sinne als eine wider die in Deutschland oft anzutreffenden unterschiedlichen Sprachenvon Praktikern und Theoretikern" gerichtete. Die wissen­schaftliche Exzellenz der Ausgewählten sei dabei selbstverständlich, innovative Grenz­gänger zwischen Theorie und Praxis aber müßten sie schon sein.

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Genau auf dieser Linie lag und liegt die Ar­beit Professor Schellers, der 1993 mehrere an­dere Rufe mit zum Teil besserer Ausstattung äblehnte, um an der neugegründeten Univer­sität Potsdam analytische Biochemie zu be­treiben, Seine Entscheidung beruhte damals auch auf dem Bestreben,die Grenze zwi­schen Ost und West, zwischen den neuen und den alten Bundesländern zu überschrei­ten wie der Wissenschaftler im Rahmen der Preisverleihung in der Staatsbibliothek zu Berlin erklärte. Dementsprechend setzt sich seine heutige, rund 20köpfige Arbeitsgruppe zu einem Drittel aus ostdeutschen Wissen­schaftlern, zu einem Drittel aus westdeut­schen und zu einem Drittel aus ausländi­schen Wissenschaftlern zusammen.

Alle gemeinsam arbeiten sie in dem Biome­dizinischen Wissenschaftspark am Max- Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch, das ihnen großzügig Labore zur Verfügung stellt, auf einem noch recht jun­gen Forschungsgebiet: den Biosensoren. Darunter versteht man biologische Meßfüh­ler, die für diverse Analysen herangezogen werden. Hauptanwendungsgebiete sind heu­te die medizinische Diagnostik, Umweltüber­wachung und Lebensmittelanalytik, aber auch bei Qualitätsbewertungen in der phar-

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Vertreter des öffentlichen Lebens aus den Berei­chen der Politik, Wirtschaft und der Wissenschaft wohnten der Karl Bekurts-Preisverleihung in der Staatsbibliothek zu Berlin bei. Foto: Büffett

mazeutischen und kosmetischen Industrie bedient man sich immer häufiger der Bio­sensortechnik. Die Forschungen Frieder Schellers in diesem Bereich waren bereits in der DDR wegweisend und sie sind es bis heute geblieben. So entwickelte er beispiels­weise Anfang der 80er Jahre einen Glukose­sensor, mit dem im Jahre 1982 bereits knapp ein Drittel aller Blutzuckermessungen in der DDR durchgeführt worden sind.Damals wie heute kommt ihm und seinem Wissenschaft­lerteam eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Biosensorik und ihrer praktischen An­wendung zu", erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Tech­nologie, Cornelia Yzer, denn auch im Zuge der Beckurts-Preisverleihung an den Potsda­mer Wissenschaftler und übeneichte Frieder

Aus den Händen der Staatssekretärin im Bundes­ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Cornelia Yzer (links) erhielt Prof. Frieder Scheller (rechts) seine Urkunde über den Karl Bekurts-Preis 1994. Foto: Rüffert

Scheller für seine Leistungen im Namen der Stiftung einen Scheck über 60.000 DM. Jüngstes Beispiel für den Erfindergeist Frieder Schellers ist ein gemeinsam mit einer Magdeburger Firma entwickeltes Meßgerät zur Bestimmung des Milchsäuregehaltes im Blut von Patienten. DieserBiosensor" wild bereits in der Sportmedizin und Herzdiagno­stik eingesetzt und soll, so der Preisträger, im Februar dieses Jahres auch Astronauten in ihrem Spacelab ins All begleiten. Aufgabe des kleinen, unscheinbar wirkenden Gerätes wird die Stoffwechselüberwachung der Astronauten sein, mit Hilfe dessen eine Über­lastung des Organismus rechtzeitig erkannt werden kann. Wunschdenken ist demgegen­über noch die Einsetzung von Biosensoren als eine Art technischer Spürhunde im Zuge der Rauschgiftbekämpfung, durch die der Einsatz richtiger Hunde und ihrer empfind­lichen Nasen vermieden werden könnte. Doch arbeiten Frieder Scheller und sein Team auch an der marktreifen Entwicklung dieser Technik...

Das immer noch häufige Fehlen solch markt­reifer Entwicklungen seitens bundesdeut­scher Wissenschaftler stand demgegenüber im Mittelpunkt des Festvortrages, den Pro­fessor Dr. Joachim Treusch, der Vorsitzende des Vorstands des Forschungszentrums Jülich, im Rahmen der Preisverleihung hielt. Unter dem TitelHat die Zukunft eine Chan­ce?" beklagte er, daß zwischen den Variablen Wollen - Wissen - Können - Tun in der Bundesrepublik nach wie vor erhebliche Lük- ken in punctoWollen undTun" herrsch­ten. So wären dasWissen undKönnen" zwar sehr stark vertreten, habe man sich je­doch lange Zeit zu wenig Gedanken über das Wollen" gemacht und sei dasTun durch eine mangelnde Risikofreude (auch der Wirt­schaft) gekennzeichnet gewesen. Als Bei­spiel dafür nannte Treusch das Fax-Gerät, das in Deutschland erfunden und in Japan zur Marktfähigkeit entwickelt und produziert worden wäre. Hg.

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