WISSENSCHAFT AKTUELL
DENKEN, ZWEIFELN, FRAGEN
Symposium zu Lehre und Studium an der Universität
Der französische Bildhauer, Grafiker und Maler Auguste Rodin schuf die bekannte Figur „Der Denker“. Diese Plastik zierte ein Plakat, welches das zweitägige Symposium „Lernprobleme von Studierenden“ ankündigte. Es fand Ende des vergangenen Jahres an der Universität Potsdam statt. Eingeladen hatte das Interdisziplinäre Zentrum für Lern- und Lehrforschung in Verbindung mit dem Institut für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians- Universität München.
Die Anregung des Kunstwerkes aufgreifend, sollten dann auch die Studierenden als Denkende, aber ebenso Fragende und Zweifelnde im Mittelpunkt stehen. Das Symposium reihte sich in das Gesamtkonzept des Zentrums für Lern- und Lehrforschung ein. Seine Hauptaufgabe besteht in Untersuchungen, den Bereich der allgemeinbildenden Schule betreffend. Ein wichtiges Anliegen ist die Mitwirkung an der Umsetzung des Potsdamer Modells der Lehrerbildung. Bei einer Orientierung auf Lernen und Lehren ist dies naheliegend und begründet gleichzeitig den Zusammenhang zum Studium an der Universität.
Bei der Vorbereitung der Konferenz stellten der Leiter des Potsdamer Zentrums, Prof. Dr. Joachim Lompscher, und seine Mitarbeiter fest, daß eine Reihe von Kollegen außerhalb der Potsdamer Universität gleichermaßen mit Lernproblemen von Studierenden befaßt sind. So erwiesen sich die Erfahrungen der Münchner Wissenschaftler als besonders nützlich.
Die produktive Auseinandersetzung mit den bereits vorhandenen Forschungsergebnissen zeigten sich für die noch immer im Aufbau befindliche Universität Potsdam äußerst nützlich. Beispielsweise kristallisierte sich als Anliegen des Symposiums heraus, einen Beitrag zur Entwicklung von Lehre und Studium an dieser Einrichtung zu leisten. „Bezogen darauf war ich enttäuscht, daß das Angebot von nur relativ wenigen Lehrkräften unserer Hochschule angenommen wurde“, resümierte Joachim Lompscher. Man müsse sich in diesem Kontext die Frage stellen, ohne den erhobenen Zeigefinger zu gebrauchen, ob Studierende als Objekte oder Subjekte betrachtet werden. Rieselt die Wissenschaft auf die Lernenden hernieder, oder werden sie durch geeignete Bedingungen befähigt, selbstbestimmt zu studieren?
Das Symposium half, darauf Antworten zu finden.
Als wichtige Ergebnisse des wissenschaftlichen Austausches können folgende vermerkt werden. Lernprobleme Studierender tragen verständlicherweise unterschiedlichen Charakter. Sie hängen mit Ausbildungsinhalten zusammen. Wie werden diese fachlichen Aspekte präsentiert und verarbeitet? Damit verknüpft sind Fragen nach dem Charakter des Studiums als Tätigkeit, nach der Art und
der Effektivität von Lehrveranstaltungen, nach speziellen Anforderungen und Belastungen, nach Ängsten. So beschäftigte sich beispielsweise ein Referent mit Alpträumen von Studenten der Sozialwissenschaften. Mehrere Beiträge kennzeichneten die persönlichen Eigenheiten von Studierenden. Unter dem Gesichtspunkt des individuellen Arbeitens wurde die Zeiteinteüung beim Studieren analysiert. Wie werden gestellte Anforderungen bewältigt, wie wird auf sie reagiert? Orientiert man sich auf Sicherheit oder Unsicherheit?
Psychologische Sichtweisen spielten auf dem Symposium eine große Rolle. Joachim Lompscher erläuterte, daß es jedoch nicht dämm gehe, jeden Hochschullehrer zum Psychologen zu qualifizieren. Aber jeder müsse sich der Tatsache bewußt sein, daß es sich bei den Studierenden um lebendige Menschen handle. Deshalb sei es unabdingbar, Anregungen von jenen Wissenschaften aufzunehmen, die in dieser Richtung forschen. Weiterhin wandten sich Vortragende der Motivation zu. Die Ursachen dafür, daß sie oft als mangelhaft gekennzeichnet wird, sei weniger bei den Studierenden selbst, als vielmehr in der Studienorganisation auszumachen. Wenn z.B. Prüfungen so angelegt seien, daß lediglich die Wissensreproduktion im Vordergrund stehe, würden sich die Studen-
80 Fachdidaktikei, Psychologen, Pädagogen, Sozi- alwissenschaftler und einige Studenten diskutierten über „Lemprobleme von Studierenden".
Foto: Tiibukeit
Studieren heißt, sich bemühen. Auch das assoziiert die Plastik von Auguste Rodin „Der Denker".
Foto: zg.
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ten darauf einstellen. Das sei nicht verwunderlich.
Art und Qualität von Lehrveranstaltungen waren ebenfalls Konferenzgegenstand. Die Reduzierung auf entweder Vorlesungen oder Seminare führten jeweils zu einseitigen Konsequenzen für das Studium, so das Fazit. Als Alternativen könnten in Abhängigkeit vom Ausbildungsstand Überblicksvorlesungen und spezielle Seminare aufeinander bezogen werden. Wenn also erreicht werden solle, daß Studierende aktiv, engagiert und selbständig arbeiten, dann müßten sie motiviert sein. Das setze jedoch die Befähigung zu Eigenaktivität, Selbstregulation und Selbstbestimmtheit voraus. Um das zu verwirklichen, seien Anleitung und Hilfestellung notwendig und natürlich solche Bedingungen, die Aktivität und Engagement stimulieren.
Alle Beiträge bezogen sich in dieser oder jener Form auf die Studierenden. Die Angesprochenen meldeten sich auch selbst zu Wort. Im Sommersemester 1994 entstand im Rahmen eines Seminars zum Thema „Leinen lehren - aber wie?" bei Joachim Lompscher die Idee für eine Umfrage zu Studienproblemen und Lernstrategien unter Studierenden der Universität Potsdam.
Die Lehramtsstudenten Uta Neuhäuser und Thomas Reichelt setzten dieses Vorhaben in die Tat um. Auf der Konferenz konnten sie die Ergebnisse von 187 Studierenden vorstellen. 137 Studentinnen und 50 Studenten verschiedener Fachrichtungen, mit Ausnahme von Sozial- und Rechtswissenschaften, beteiligten sich. Im ersten Teil der Fragebögen standen Studienprobleme, im zweiten Lem- strategien im Mittelpunkt. Die Mehrheit der Befragten gab an, kaum Probleme bei der Wahl der Fächerkombination, dem Umgang mit den Dozenten oder der Zusammenarbeit mit den Kommilitonen zu haben.
PUTZ 1/95
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