WISSENSCHAFT AKTUELL
ERSTE SCHRITTE SIND BEREITS GEGANGEN
Forschungsstelle für Berlin-Brandenburgische Bildungsgeschichte eröffnet
Differenzierter zeigt sich das Bild natürlich bei einer Unterteilung nach Geschlecht, Semesterzahl, angestrebten Abschlüssen und Studienfächern. So konnte bestätigt werden, daß „sich Studierende zu Beginn ihres Studiums vor größere Hindernisse gestellt sehen als ‘alte Hasen’, die die Abläufe einer Universität schon mehrere Semester lang studieren konnten“.
Große Unterschiede in der Wahrnehmung des Verhältnisses der Studierenden zu ihren Dozenten zeigen sich zwischen Primarstu- fenstudentinnen und Magisterstudenten. 60% der zuerst Genannten haben damit kaum oder keine Probleme, bei den anderen sind es 83%. Eine Studentin der Primarstufe gab an, große Schwierigkeiten damit zu haben, daß die Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen nicht gleichbehandelt würden. Die Primarstufenstudentinnen sehen der Erhebung nach mit fast 90% keine oder kaum Probleme bei der Zusammenarbeit mit anderen. Von den Sekundarstufenstudierenden geben dies nur Dreiviertel an.
Weiter fanden Uta Neuhäuser und Thomas Reichelt folgendes heraus: Die wenigsten Hemmungen, ihre Gedanken und ihr Wissen zu äußern, haben die Naturwissenschaftler, die größten die Geisteswissenschaftler und Musiker.
Ein nächstes Ergebnis provoziert die Frage, ob die Vielzahl der Vokabeln, die zu lernen seien, die Sprachstudenten vor die größeren Probleme bei der Prüfungsvorbereitung stelle. Laut Untersuchungsergebnis finden die Naturwissenschaftler den Sinn im Studium unproblematischer als die Geistes- und Sprachstudierenden. Universitäres Lernen und Anforderungen durch die Wirtschaft werden von den Naturwissenschaftlern als zwei verschiedene Dinge wahrgenommen. 46% von ihnen fühlen sich nicht ausreichend auf die Berufstätigkeit vorbereitet. Bei den Geisteswissenschaftlern sind es 29%, bei den Sprachstudenten 15% und bei den Musikern 24%.
Aus den Ergebnissen schlußfolgerten die beiden Studierenden, daß es sinnvoll sein würde, über differenzierte Studienangebote und -anforderungen insbesondere für Primär - stufenstudenten nachzudenken. Größeres Einfühlungsvermögen durch die Lehrkräfte könne Frustrationen sowohl bei ihnen als auch bei den Studierenden Vorbeugen helfen. Um die Praxisnähe der universitären Ausbildung zu erhöhen, seien noch stärker Kontakte zu außeruniversitären Einrichtungen herzustellen. Auf diese Weise werde sowohl die Motivation der Studenten erhöht als auch die Ausbildung belebt.
Das Referat der Studenten bestätigte die Grundaussage der Konferenzdiskussion: Wenn es gelingt, den jungen Leuten Freiräume zu schaffen, Angebote zu unterbreiten, dann wirkt sich das positiv auf ihre Motivation und damit auf ihre Arbeit aus. B.E.
„Geschichte ist trocken und langweilig!“ Das kann, aber muß nicht stimmen. Die Wissenschaftler des Lehrstuhls für Historische Pädagogik des Institutes für Pädagogik der Philosophischen Fakultät II wollen auch in Zukunft beweisen, daß Bildungsgeschichte lebendig und spannend ist.
Sie bedienen sich dabei beispielsweise unterschiedlicher Quellen, die anschaulich Bildungssituationen aus vergangenen Jahrhunderten in verschiedendsten gesellschaftlich- politischen Verhältnissen beleuchten. Deshalb ist das Studium dieser Archivalien oft mit Detektivarbeit verbunden. Das Beschäftigen mit der Thematik hat aber auch einen aktuellen Aspekt. Aus historischer Distanz werden Stärken und Schwächen, Möglichkeiten und Grenzen des heutigen Bildungswesens oft deutlicher als aus der Perspektive der direkt Beteiligten. Fallstudien und regional orientierte Forschungen können das Wissen über historische Phänomene auf quellengesicherter Grundlage erweitern. Um derartige Arbeiten zu fördern und die interdisziplinäre Kooperation der Wissenschaftler zu unterstützen, eröffnete der Lehrstuhl für Historische Pädagogik Ende des vergangenen Jahres mit einem ganztägigen Arbeitsgespräch die Forschungsstelle für Berlin-Brandenburgische Bildungsgeschichte. Initiator Hanno Schmitt, Professor für Historische Pädagogik, Geschichte der Pädagogik und des Er- ziehungs- und Bildungswesens, konnte Wissenschaftler von den drei Berliner und der Potsdamer Universität zu einer Bestandsaufnahme und zur Diskussion über Forschungsperspektiven begrüßen.
Besagte Forschungsstelle hat bereits eine längere Vorgeschichte. Gab es doch im Zusammenhang mit der 1000-Jahrfeier der Stadt Potsdam an der damaligen Pädagogischen Hochschule ein Forschungsprojekt zur „Geschichte des Potsdamer Schulwesens". Aus ihm gingen eine größere Zahl von Diplomarbeiten und Dissertationen hervor. Der Leiter und Inspirator dieses Vorhabens, Prof. Dr. Wolfgang Rocksch freute sich nun, einen Überblick über die damals bereits erzielten und heute gut nutzbaren Ergebnisse geben zu können.
Die große Spannbreite der zukünftigen Arbeit dokumentieren die Themen der auf der Tagung gehaltenen Vorträge. Prof. Dr. Knut Kiesant und Prof. Dr. Joachim Gessinger vom Institut für Germanistik der Universität brachten Überlegungen zur „Literatur und Schule in Potsdam im 19. Jahrhundert" bzw. zur „Brandenburg-Berlinische(n) Sprachgeschichte“ ein. Andere Referenten befaßten
sich mit Quellenbeständen zur Bildungsgeschichte, mit der Berliner Lehrervereinskultur im 19. Jahrhundert oder mit der Politisierung des Schulalltags in der DDR.
Als Aufgaben der Forschungsstelle nannte Hanno Schmitt die Innovation von bildungsgeschichtlichen Forschungsprojekten, die einen Bezug zur Region Berlin-Brandenburg haben. Weiterhin wird die Kontaktaufnahme, der Informationsaustausch und die fachübergreifende Zusammenarbeit mit den dafür wichtigen bildungspolitischen Institutionen wie Archiven, Museen und universitären Abteilungen forciert bzw. weitergeführt. Die Einwerbung von Drittmitteln stellt selbstverständlich einen ebenso wichtigen Schwerpunkt dar. Alle bisherigen Aktivitäten der Forschungsstelle wurden aus dem Etat des Lehrstuhls finanziert. Für den Aufbau und die Wahrnehmung der Geschäfte ist Dr. Frank Tosch verantwortlich. Seine Dissertation zur Entwicklung des allgemeinbildenden Schulwesens in Potsdam in der Zeit der Weimarer Republik und seine guten Schulkontakte böten dafür beste Voraussetzungen, so Hanno Schmitt. B.E.
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Die Vielfalt des Bildungs- und Schulsystems zu untersuchen, ist ein Anliegen der gerade gegründeten Forschungsstelle für Berlin-Brandenburgische Bildungsgeschichte. Der erste Band einer neuen Reihe Quellen und Studien erschien kürzlich. Es ist der Faksimiledruck von Friedrich Eberhard von Rochows „Der Kinderfreund“. Ein zweiter Band wird in Kürze veröffentlicht und soll das im September 1994 anläßlich des 200. Todestages des Lehrers Heinrich Julius Bruns in Reckahn durchgeführte Kolloquium dokumentieren.
Radierung: Daniel Chodowiecki, 1777
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PUTZ 1/95