Heft 
(1.1.2019) 01
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WISSENSCHAFT AKTUELL

ERSTE SCHRITTE SIND BEREITS GEGANGEN

Forschungsstelle für Berlin-Brandenburgische Bildungsgeschichte eröffnet

Differenzierter zeigt sich das Bild natürlich bei einer Unterteilung nach Geschlecht, Semesterzahl, angestrebten Abschlüssen und Studienfächern. So konnte bestätigt werden, daßsich Studierende zu Beginn ihres Studiums vor größere Hindernisse ge­stellt sehen alsalte Hasen, die die Abläufe einer Universität schon mehrere Semester lang studieren konnten.

Große Unterschiede in der Wahrnehmung des Verhältnisses der Studierenden zu ihren Dozenten zeigen sich zwischen Primarstu- fenstudentinnen und Magisterstudenten. 60% der zuerst Genannten haben damit kaum oder keine Probleme, bei den anderen sind es 83%. Eine Studentin der Primarstufe gab an, große Schwierigkeiten damit zu ha­ben, daß die Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen nicht gleichbehandelt wür­den. Die Primarstufenstudentinnen sehen der Erhebung nach mit fast 90% keine oder kaum Probleme bei der Zusammenarbeit mit ande­ren. Von den Sekundarstufenstudierenden geben dies nur Dreiviertel an.

Weiter fanden Uta Neuhäuser und Thomas Reichelt folgendes heraus: Die wenigsten Hemmungen, ihre Gedanken und ihr Wissen zu äußern, haben die Naturwissenschaftler, die größten die Geisteswissenschaftler und Musiker.

Ein nächstes Ergebnis provoziert die Frage, ob die Vielzahl der Vokabeln, die zu lernen seien, die Sprachstudenten vor die größeren Probleme bei der Prüfungsvorbereitung stel­le. Laut Untersuchungsergebnis finden die Naturwissenschaftler den Sinn im Studium unproblematischer als die Geistes- und Sprachstudierenden. Universitäres Lernen und Anforderungen durch die Wirtschaft werden von den Naturwissenschaftlern als zwei verschiedene Dinge wahrgenommen. 46% von ihnen fühlen sich nicht ausreichend auf die Berufstätigkeit vorbereitet. Bei den Geisteswissenschaftlern sind es 29%, bei den Sprachstudenten 15% und bei den Musikern 24%.

Aus den Ergebnissen schlußfolgerten die beiden Studierenden, daß es sinnvoll sein würde, über differenzierte Studienangebote und -anforderungen insbesondere für Primär - stufenstudenten nachzudenken. Größeres Einfühlungsvermögen durch die Lehrkräfte könne Frustrationen sowohl bei ihnen als auch bei den Studierenden Vorbeugen helfen. Um die Praxisnähe der universitären Ausbil­dung zu erhöhen, seien noch stärker Kontak­te zu außeruniversitären Einrichtungen her­zustellen. Auf diese Weise werde sowohl die Motivation der Studenten erhöht als auch die Ausbildung belebt.

Das Referat der Studenten bestätigte die Grundaussage der Konferenzdiskussion: Wenn es gelingt, den jungen Leuten Freiräu­me zu schaffen, Angebote zu unterbreiten, dann wirkt sich das positiv auf ihre Motiva­tion und damit auf ihre Arbeit aus. B.E.

Geschichte ist trocken und langwei­lig! Das kann, aber muß nicht stim­men. Die Wissenschaftler des Lehr­stuhls für Historische Pädagogik des Institutes für Pädagogik der Philosophi­schen Fakultät II wollen auch in Zu­kunft beweisen, daß Bildungsgeschich­te lebendig und spannend ist.

Sie bedienen sich dabei beispielsweise un­terschiedlicher Quellen, die anschaulich Bil­dungssituationen aus vergangenen Jahrhun­derten in verschiedendsten gesellschaftlich- politischen Verhältnissen beleuchten. Des­halb ist das Studium dieser Archivalien oft mit Detektivarbeit verbunden. Das Beschäf­tigen mit der Thematik hat aber auch einen aktuellen Aspekt. Aus historischer Distanz werden Stärken und Schwächen, Möglichkei­ten und Grenzen des heutigen Bildungswe­sens oft deutlicher als aus der Perspektive der direkt Beteiligten. Fallstudien und regional orientierte Forschungen können das Wissen über historische Phänomene auf quellenge­sicherter Grundlage erweitern. Um derartige Arbeiten zu fördern und die interdisziplinä­re Kooperation der Wissenschaftler zu unter­stützen, eröffnete der Lehrstuhl für Histori­sche Pädagogik Ende des vergangenen Jah­res mit einem ganztägigen Arbeitsgespräch die Forschungsstelle für Berlin-Brandenbur­gische Bildungsgeschichte. Initiator Hanno Schmitt, Professor für Historische Pädagogik, Geschichte der Pädagogik und des Er- ziehungs- und Bildungswesens, konnte Wis­senschaftler von den drei Berliner und der Potsdamer Universität zu einer Bestandsauf­nahme und zur Diskussion über Forschungs­perspektiven begrüßen.

Besagte Forschungsstelle hat bereits eine längere Vorgeschichte. Gab es doch im Zu­sammenhang mit der 1000-Jahrfeier der Stadt Potsdam an der damaligen Pädagogischen Hochschule ein Forschungsprojekt zurGe­schichte des Potsdamer Schulwesens". Aus ihm gingen eine größere Zahl von Diplomar­beiten und Dissertationen hervor. Der Leiter und Inspirator dieses Vorhabens, Prof. Dr. Wolfgang Rocksch freute sich nun, einen Überblick über die damals bereits erzielten und heute gut nutzbaren Ergebnisse geben zu können.

Die große Spannbreite der zukünftigen Arbeit dokumentieren die Themen der auf der Ta­gung gehaltenen Vorträge. Prof. Dr. Knut Kiesant und Prof. Dr. Joachim Gessinger vom Institut für Germanistik der Universität brachten Überlegungen zurLiteratur und Schule in Potsdam im 19. Jahrhundert" bzw. zurBrandenburg-Berlinische(n) Sprachge­schichte ein. Andere Referenten befaßten

sich mit Quellenbeständen zur Bildungs­geschichte, mit der Berliner Lehrervereins­kultur im 19. Jahrhundert oder mit der Poli­tisierung des Schulalltags in der DDR.

Als Aufgaben der Forschungsstelle nannte Hanno Schmitt die Innovation von bildungs­geschichtlichen Forschungsprojekten, die einen Bezug zur Region Berlin-Brandenburg haben. Weiterhin wird die Kontaktaufnahme, der Informationsaustausch und die fachüber­greifende Zusammenarbeit mit den dafür wichtigen bildungspolitischen Institutionen wie Archiven, Museen und universitären Abteilungen forciert bzw. weitergeführt. Die Einwerbung von Drittmitteln stellt selbstver­ständlich einen ebenso wichtigen Schwer­punkt dar. Alle bisherigen Aktivitäten der Forschungsstelle wurden aus dem Etat des Lehrstuhls finanziert. Für den Aufbau und die Wahrnehmung der Geschäfte ist Dr. Frank Tosch verantwortlich. Seine Dissertation zur Entwicklung des allgemeinbildenden Schul­wesens in Potsdam in der Zeit der Weimarer Republik und seine guten Schulkontakte bö­ten dafür beste Voraussetzungen, so Hanno Schmitt. B.E.

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Die Vielfalt des Bildungs- und Schulsystems zu untersuchen, ist ein Anliegen der gerade gegrün­deten Forschungsstelle für Berlin-Brandenburgi­sche Bildungsgeschichte. Der erste Band einer neuen Reihe Quellen und Studien erschien kürz­lich. Es ist der Faksimiledruck von Friedrich Eber­hard von RochowsDer Kinderfreund. Ein zweiter Band wird in Kürze veröffentlicht und soll das im September 1994 anläßlich des 200. Todestages des Lehrers Heinrich Julius Bruns in Reckahn durch­geführte Kolloquium dokumentieren.

Radierung: Daniel Chodowiecki, 1777

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