WISSENSCHAFT AKTUELL
STONE-COLD WINTER UND BRÜTEND HEISSE GETRÄNKE - WARUM NICHT?
Ein WIP-Projekt zur Semantik im Englischen
Zahlreiche Wissenschaftler aus Einrichtungen der Akademie der Wissenschaften erhielten nach deren Auflösung eine Förderung im Rahmen des Wissenschaftler-Integrationsprogramms (WIP), das Teil der Hochschulerneuerung in den neuen Bundesländern ist. Zu den Zielen der Erneuerung gehört die Rückführung der Forschung an die Universitäten.
In der „PUTZ“ stellen wir in loser Folge WIP-Projekte vor. Das dieses Mal thematisierte Projekt „Semantische Kombinatorik im Englischen“ ist beim Institut für Anglistik und Amerikanistik in der Philosophischen Fakultät I der Universität Potsdam angesiedelt und wird von Prof. Dr. Achim Hoffmann geleitet. Die Gruppe forscht zur angegebenen Thematik mit der Anwendungsorientierung auf die Vermittlung englischer Lexik.
Die Kombination von Wörtern zu Phrasen und Sätzen (Grammatik) und zu Wortbildungstypen und Phraseologismen (Lexik) ist im allgemeinen nicht als Problem bewußt. Trotzdem ist allen Sprachpraktikern bekannt, daß die angemessene Wortwahl in Kombinationen eine der Hauptfehlerquellen bei der Benutzung einer Fremdsprache darstellt. Und das um so mehr, als weder Grammatiken, Wörterbücher noch Sammlungen von Wortgebräuchen (Usage) Wortkombinationen systematisch behandeln. So bleibt es ein theoretisches wie auch praktisches Desideratum, Wörter, ihre semantischen Beziehungen zueinander und die von ihnen aufgebauten Systeme zu untersuchen und soweit wie möglich lehr- und lernbar zu machen. Deshalb ist es unser Ziel, handhabbare Prinzipien der Wortkombination im Rahmen des Lexiksystems des Englischen zu erarbeiten. Die systematische Beschreibung und Einbettung in das Gesamtsystem des englischen Wortschatzes umfaßt das Problem der Wortkombinatorik im Wortfeld, in der Wortklasse und innerhalb der Lexik.
Wieso stellt die Kombination von Wörtern überhaupt ein Problem dar?
Auch im Englischen sind Wortkombinationen in einigen Fällen voraussagbar, in anderen nicht. Voraussagbare Kombinationen sind regelhaft, weil ihnen eine nachvollziehbare Kombinationsregel zugrunde liegt. So kombinieren z.B. Temperaturadjektive wie cold „kalt" mit Substantiven, die für Konkreta mit Masse stehen, da alle physikalischen Körper Temperatur haben. Nicht voraussagbare Kombinationen gelten nur als teüweise regel
hand [hsend] 1.
N Count - (usu.)
Lowest part of human arm or (occas.)
pri-
Head
mate arm
bare ~(s),
(for grasping
(with) ~s cla- sped, (with) ~s
sth.). Cross-
clenched, dish -
linked in
pan ~s,
lexical field:
(with)
Part
~(s) Held out
etc.
of forearm,
whole of palm,
Sub-
fingers etc.,
ject ~s clench,
antepode of
~(s) grope for
foot ,
sth., ~(s) touch so./sth., ~(s)
wave,
corre-
spondent to
~s
claw,paw etc.
wiggle etc.
Combinable
Ob-
ject clap (o’s)
with articles,
~(s) (together),
demonstrati-
clasp o’s ~s,
ves posses-
cup o’s ~s ,fold
sives, quan-
(o’s) ~s,
tifiers in specific
grasp
(o’s) —(s), hold
to
(out / up) o’s,
distinctive
rub o’s ~s (to-
contexts:
gether),
Zur Veranschaulichung der Nutzanwendung der Forschungsergebnisse dient der Entwurf eines englisch-englischen Wörterbuchparagraphen zur primären Bedeutung des Substantivs „hand". Dargestellt ist die semantische Kombinatorik als Wörterbuchinformation: Einbettung in das Wortfeld, Substantivkombinationen, geordnet nach syntaktischen Funktionen, Ableitungen vom Substantiv „hand“.
haft, weil sie zwar im Rahmen von Regeln funktionieren, aber - besonders in einer Fremdsprache - nicht nachvollziehbar sind. So kombiniert z.B. das Adjektiv lukewarm „lauwarm" nicht mit allen Körpersubstantiven, sondern - anders als im Deutschen - nur mit Flüssigkeitsubstantiven.
Auf der semantischen Kombinierbarkeit von Wörtern bauen weitere Dimensionen der Kombinierbarkeit auf: das Sprecherinteresse an bestimmten Kombinationen (die realisiert werden können oder nicht); die Sprechererwartung gegenüber bestimmten Kombinationen (man denke an Kollokationen); der Sprecherwunsch nach bestimmten Kombinationen (die präferiert werden oder nicht), und schließlich verschiedene Grade von Idiomati-
sierung in Wortbildung und Phraseologie. Das gilt sinngemäß auch für Kombinationen von Substantiven, die allerdings ihren Kombinationspartnern, den Adjektiven und Verben, nicht regelhaft zugeordnet werden können. Wortbegleiter wie Determinatoren und Modifikatoren kombinieren regelhaft mit ihren Wortpartnern, z.B. quantifizierbare Substantive mit Quantifikatoren oder graduierbare Adjektive und Verben mit Graduatoren.
Weshalb werden Wortkombinationen im Wortfeld betrachtet?
Weil nicht das einzelne Wort, sondern erst das gesamte lexikalisch-semantische Wortfeld generelle Aussagen über das Kombinationsverhalten von Wörtern erlaubt. So güt die erwähnte Kombinationsregel für alle regelhaft kombinierenden Wörter im Feld der Temperaturadjektive. Daher nennen wir diese Regel „Feldkombinationsregel“ wie im obigen Beispiel cold. Abweichungen von der Feldkombinationsregel gelten nur für einzelne Wörter wie feverish, das mit Substantiven für Warmblüter kombiniert und damit einer „Wortkombinationsregel“ folgt - die Kombination folgt aus der Wortbedeutung oder sie ist überhaupt nicht regelhaft wie lukewarm oben, das eine „Wortkombinationsadresse" bildet - die Kombination ergibt sich nicht aus der Wortbedeutung.
Warum werden Wortkombinationen innerhalb der Wortklasse untersucht?
Jedes Wortfeld weist eine charakteristische Verteilung von regelhaft und nicht regelhaft kombinierenden Wörtern auf, so daß eine Generalisierung nur durch einen Überblick über die betreffende Wortklasse möglich ist. Diesem Zweck dienen repräsentative Wortfelder, welche die Kombinationsmöglichkeiten in unterschiedlichem Grade ausschöpfen, d.h. so läßt sich feststellen, daß Wortfelder innerhalb einer Wortklasse absolut regelhaft bis absolut nicht regelhaft kombinieren können.
Als prototypisch für eine Wortklasse gelten Wortfelder mit voll ausgebildeter Kombinatorik (Ausschöpfung aller Möglichkeiten), wie z.B. Temperaturadjektive im Englischen; als peripher mit schwächer ausgebildeter Kombinatorik wie Farbadjektive im Englischen und als marginal mit am schwächsten ausgebüdeter Kombinatorik (meist PRO-For- men der betreffenden Wortklasse). Für Lehr- und Lernzwecke bieten sich also prototypi- sche Wortfelder an, während periphere bis marginale Felder das Bild nur abrunden, doch von geringerem Belang sind.
Manfred Schentke
Seite 24
PUTZ 1/95