Heft 
(1.1.2019) 01
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IM GESPRÄCH

STUDIOSI

FRAGEN ZWISCHEN DÖRFLERN UND DÖRFLERINNEN

Ulrike Gleixner über neue Zugänge zu Gericht und Geschlecht

Im Märkischen Gutshaus Beeskow, so­zusagen vor Ort fand eine internationa­le Tagung mit dem ThemaHerrschaft vor Ort. Neue Zugänge zu Gericht und Geschlecht statt. Veranstalter waren die an der Universität Potsdam angesie­delte Max-Planck-ArbeitsgruppeOst­elbische Gutsherrschaft und das Max- Planck-Institut für Geschichte in Göttin­gen. Die Vorbereitung der Tagung lag in den Händen von Dr. Michaela Hohkamp (Göttingen) und Dr. Ulrike Gleixner (Potsdam). Mit Ulrike Gleixner sprach Regine Derdack für die PUTZ über Ge­genstände und Ergebnisse der Tagung.

PUTZ: Welche Funktion hatte das Gericht in der Frühen Neuzeit?

Gleixner: Im 16. - 18. Jahrhundert sind die Gerichte - speziell untere gerichtliche Instan­zen, in Brandenburg also das Patrimonial- gericht - auch als gesellschaftliche Instanzen zu verstehen, vor denen Konflikte geregelt werden. Sie sind nicht ausschließlich strafen­de Obrigkeitsinstanzen. Zum großen Teil wurden notarielle Fragen geklärt sowie Kla­gen zwischen Dörflern und Dörflerinnen be­handelt, die diese an das Gericht herantru­gen. Es gibt einen großen Unterschied zu ge­richtlichen Instanzen in unserer Zeit: da­mals wußten die Untertanen mit der Instanz Gericht umzugehen. Das Gericht hat innerhalb der Gesell­schaft auch bei der alltäglichen Konfliktregulierung seine Rol­le gespielt. Dies steht im Gegensatz zu unserer Er­fahrung. Wir sind im Grunde stumm geworden, sprechen nicht mehr selbst,

Anwälte werden eingeschal­tet. Das Wissen über die gesetz­lichen Regelungen und Nuancen fehlt uns. Früher wußte man sehr ge­nau, was man vor Gericht zu sagen hat­te, um die eigene Position zu verteidigen. Und es gab tradiertes Wissen darüber, wie die Gerichte Recht sprechen und welche Ar­gumentationen es braucht, damit mann oder frau ihr Recht bekommen. Wichtig für die Be­trachtung frühneuzeitlicher Rechtskultur ist ferner, daß es nicht nur die obrigkeitliche Instanz gab, sondern die dörfliche Gesell­schaft auch über eigene Formen der Recht­sprechung verfügte, die zuvor in Anspruch genommen wurden, was quellenmäßig aller­dings sehr schwer zu erschließen ist.

PUTZ: Worin bestanden die geschlechtsspe­zifischen Besonderheiten der Behandlung von Kläger und Beklagten durch die Richter? Gleixner: Die Unterscheidung funktionierte auf vielen Ebenen. Subtil z.B. insofern, als Frauen anders befragt wurden als Männer, da

sie einer anderen gesellschaftlichen Erwar­tung unterlagen, oder bestimmte Delikte von Frauen schwer einklagbar waren. Ein brisan­tes Thema war auch damals die häusliche Gewalt. Die gesellschaftliche Position des verheirateten Mannes beinhaltete das Züch­tigungsrecht, bei derAusführung" ging es im Grunde umdas richtige Maß". Prozesse dazu hat es immer wieder gegeben, auch Verurteilungen. Häufig haben die Frauen dann später wieder um die Freilassung ihrer Ehemänner gebeten, weil ihnen der Haus­halter fehlte. Zwar konnten Frauen kaum al­lein physische Gewalt des Ehemannes zur Anklage bringen, argumentierten sie aber zusätzlich, daß er ein schlechter Haushalter sei, da er trinke und der Aufgabe des Haus­herrn nicht gerecht werde, wurde dies als Strafgrund durchaus anerkannt. Bei Appela- tionen und Bittschriften kann man etwa be­obachten, daß Dörflerinnen sich an die ade­lige Herrin und Männer sich an den adeligen Herrn wandten. Zu der Problematik, inwie­fern Obrigkeit, Gesetze oder Richter als Fra­gende geschlechtsspezifische Wahrnehmun­gen zeigten und inwieweit die Dörfler und Dörflerinnen dadurch auch nur geschlechts­spezifische Fragen Vorbringen konnten, gibt es noch eine Menge zu forschen.

PUTZ: Zu den Territorien, über die refe­riert wurde, gehörten Baden-Würt­temberg, Brandenburg, Mecklenburg, die Basler Gegend und Nieder­österreich. Was ergibt die ver­gleichende Methode? Gleixner: Der territoriale Vergleich bezog sich auf die Zusammensetzung der Gerichte und die des­sen Folgen auf soziale und kulturelle Bereiche. Der For­schungsansatz auf der Konferenz war bestimmt von der historischen Anthropologie und der Mikrogeschich­te, d.h. man reflektiert die Begriffe, mit denen man sucht, über die Quellen noch einmal. Man versucht, die Begrifflichkeit zu überprüfen, indem man die Beziehungen zwischen Menschen ins Zentrum der eigenen Beobachtung stellt.

PUTZ: Das Tagungsthema sprach von neu­en Zugängen. Wie würden Sie diese be­schreiben?

Gleixner: Wenn man ein Resümee zieht, dann muß man die Fragerichtung und die Art, wie wir Probleme benennen, als neuen Forschungsansatz bezeichnen. Dieses Her­angehen ermöglicht einen anderen Zugang zur frühneuzeitlichen ländlichen Gesellschaft in der Frage von Herrschaft-Untertanen-Ge- richt.

PUTZ: Frau Gleixner, herzlichen Dank für das Gespräch.

AUSLÄNDISCHE DAAD-STIPENDIATEN TRAFEN SICH

Den internationalen akademischen Austausch von Studierenden, Graduier­ten und Wissenschaftlern zu fördern, hat sich der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) zur Aufgabe gestellt.

Der DAAD finanziert Jahres- und Kurzzeit - Einzelstipendien, Gruppenprogramme, Studi­enreisen, Studienpraktika, Wissenschaftler­austausch, Gastdozenturen und Lektoren an ausländischen ÜöCfegctatfeü pöwje projektbe­zogene wfe|engqäia^|ch| Zusammenarbeit zwischen vdeu}g^p|.^md ausländischen

530 shl^i^tkcjh ajMpieJfctfe Hochschulleh­rer ^^^^^^Au^^^p^^ionpn wäh-

Walter VÄSä^^st'or desTlnstiitfe?' für Sla- vistik, und.prcdsi^Jjfgfcs; Wffllschlager, In­stitut für Ökologie und Naturschutz Walter Witt ist in jener Kommission tätig, die Stipen­dien an Deutsche vergibt, welche Sprach­kurse in slavischen Ländern absolvieren wollen. Dieter Wallschläger ist beteiligt an der Auswahl von Studierenden und Wissen­schaftlern aus Lateinamerika, die sich für einen Aufenthalt in Deutschland entschieden haben.

Ende des vergangenen Jahres führte der DAAD erstmals an allen wichtigen Hoch­schulen Treffen der ausländischen Stipendia­ten mit Mitarbeitern der DAAD-Geschäfts­stellen durch. Nach Potsdam kam in dieser Mission der Leiter der Arbeitsstelle Berlin- Mitte, Dr. Heinz Wegener.

Bei der Zusammenkunft mit den neun DAAD-Jahresstipendiaten an der Universität Potsdam, am GeoForschungsZentrum Pots­dam und an der Hochschule für Film und Fernsehen informierte er über die Arbeit des DAAD und diskutierte Fragen und Probleme, die ihnen am Herzen liegen. Heinz Wegener bezeichnete die jungen Wissenschaftler aus Rußland, den USA, Ägypten, Polen und Ar­menien als ideale Botschafter dafür, die Be­mühungen um eine Verstärkung der Hoch­schulbeziehungen mit dem Ausland zu un­terstützen. Sie wirkten als Multiplikatoren, wenn sie in ihre Heimatländer zurückkehr- ten.

Insgesamt äußerten sich die Stipendiaten positiv über die an der Universität Potsdam herrschenden Bedingungen für ihre Studien- und Forschungsarbeit. Sie dankten den Mit­arbeitern des Akademischen Auslandsamtes für deren Hilfe und Unterstützung bei der Lösung solcher Probleme wie der Bewilli­gung von Leistungsnachweisen oder Aufent­haltsgenehmigungen sowie Verbesserung von Wohnbedingungen. B.E.

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PUTZ 1/95

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