Heft 
(1.1.2019) 01
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OHNE JOBBEN KEIN STUDIUM

BAföG-Erhöhung noch nicht in Sicht

Auch Christian Güthert, Student der Politikwissenschaft ist von der Ablehnung der BAföG-Anpassung betroffen. In Zukunft dürfte das Geld weniger locker denn je sitzen. Foto: Tribukeit

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Zwei Extreme bestimmen oft die Dis­kussion um die materielle Situation der Studenten: Sie seien bettelarm, oder es würde ihnen so gut wie nie gehen. Jen­seits jeder Spekulation ist es eine Tat­sache, daß nahezu 60% der Studieren­den nicht nur in der Semesterpause job­ben müssen.

Das ist deshalb der Fall, weil die jungen Leu­te mit Hilfe des Bundesausbildungsförde­rungsgesetzes (BAföG) etwa nur die Hälfte des Bedarfs zur Sicherung des Lebensunter­halts decken können. Derzeit erhalten 21% der Studierenden in den westlichen und 75% in den östlichen Bundesländern Leistungen nach dem BAföG. Die durchschnittliche För­dersumme liegt bei 600 DM in den alten und bei 500 DM in den neuen Bundesländern. Die Höchstsätze betragen 940 DM bzw. 855 DM. 1971 wurde das erste BAföG im Bundestag verabschiedet. Danach bekamen Studieren­de, deren Eltern unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze lagen, einen nicht rück­zuzahlenden Zuschuß. Im Laufe der Jahre erhöhte sich jener Betrag, der als Darlehens­anteil nach dem Studium zurückgefordert wurde, von 1983 bis 1990 sogar vollständig. Seit 1990 nun wird die Hälfte nach fünf Jah­ren in monatlichen Raten zurückverlangt. Schüler betrifft diese Regelung nicht. Die Förderung besteht aus den Komponenten Grundbedarf, Wohnbedarfssatz und ggf. Er­höhungsbeträge für Krankenversicherung und/oder höhere Mieten.

Gegenwärtig erhalten in Deutschland ca. 410.000 Studierende BAföG. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Brandenburg sinkt die Zahl der BAföG-Empfänger im Land weiter. Insgesamt sind 18 163 Schüler und Studenten 1993 mit 70,4 Mio DM unterstützt worden. 1992 erhielten 20.317 Geförderte 80,6

Mio. DM. Da die Erhöhung der Lebenshal­tungskosten Studierende wie jeden anderen Bürger treffen, forderten der Vizepräsident für Studentische Angelegenheiten der Hoch­schulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Rupert Huth, und das Deutsche Studentenwerk (DSW) eine bedarfsgerechte Anpassung des BAföG. Von Belang ist aber nicht nur der Ausgleich von Kaufkraftverlusten.

Auf einen weiteren Aspekt verwies in diesem Zusammenhang die Vizepräsidentin des DSW, Prof. Elke Platz-Waury. Die angestreb­ten Strukturreformen im Hochschulbereich könnten nur dann erfolgreich sein, wenn die sozialen Rahmenbedingungen für ein Studi­um verbessert würden. Untrennbar damit verbunden sind Regelstudienzeit und die Studienabbrecherquote.

Im September 1994 nun hat der Bundesrat der vom Bundestag beschlossenen BAföG- Novelle nicht zugestimmt, weil sie unzurei­chend sei. Er beschloß die Einbringung eines eigenen Gesetzesentwurfs beim Bundestag. Das abgelehnte Gesetz, dem ein erfolgloses Vermittlungsverfahren vorausging, sah eine Anhebung der Einkommensfreibeträge für 1994 und 1995 um jeweils zwei Prozent vor. Weiterhin wollte man die Prozentsätze und Höchstbeträge zur Abgeltung der Aufwen­dungen für die soziale Sicherung anheben. Ab 1996 sollte eine Leistungsüberprüfung des Studienstandes nach dem 2. Semester Voraussetzung für eine Weitergewährung des BAföG sein.

Der Gesetzesentwurf des Bundesrates be­inhaltete demgegenüber eine Anhebung der Bedarfssätze um vier Prozent zum Herbst 1994 sowie der Freibeträge um jeweils zwei Prozent zum Herbst 1994 und 1995. Daneben wollte man Sozialpauschalen anpassen und die Freibeträge für Alleinerziehende bei der

Darlehensrückzahlung erweitern. Schließlich sollten die Förderung von Auszubildenden in den neuen Ländern sachgerechter ausgestal­tet und die Altersgrenze für Studierende ohne Hochschulzugangsberechtigung aufgehoben werden. Die Bonner Regierungskoalition ent­schied sich, den Kompromiß des Vermitt­lungsausschusses von Bundesrat und Bun­destag abzulehnen. So werden weder das BAföG um vier Prozent noch die Eltern­freibeträge erhöht. Weitere Verhandlungen und Entscheidungen stehen demnach auf der Tagesordnung. Wann sie getroffen werden, ist ungewiß. Die Leidtragenden dieser Situa­tion sind die Studierenden. Auch die Verant­wortlichen für Soziales im Studentenrat be­trachten die Ablehnung der BAföG-Anpas­sung als sehr kritikwürdig. Ihre Kommilitonen werden weiterhin private Lösungen suchen, um ihr Studium finanzieren zu können. Lei­der müssen Katrin Paschke, Physikstudentin im 9. Semester und im Verwaltungsrat des Studentenwerkes tätig, sowie Hendrik Zank, Biologiestudent im 7. Semester und Mitglied des gerade gewählten neuen Studentenrates, feststellen, daß das Interesse der Studieren­den an dieser sie eigentlich existentiell be­treffenden Angelegenheit eher gering ist. Die Studentenvertretung richtete feste wöchent­liche Sprechzeiten zur Beratung für alle so­zialen Belange ein. Die Resonanz war leider mehr als dürftig. Ihr Vertiefen in Paragra­phen, Gesetze und andere wichtige Informa­tionsquellen, als Voraussetzung dafür, ande­ren helfen und Ratschläge geben zu können, betrachtet Katrin Paschke als nahezu um­sonst. Seit dem Frühjahr seien drei Studen­ten zur BAföG-Beratung erschienen. Trotz­dem bieten der Studentenrat wie die Zentrale Studienberatung der Universität und das BAföG-Amt des Studentenwerkes weiterhin allen Interessierten Unterstützung an. B.E.

Pflegeversicherung auch für Studierende

Ab Januar 1995 haben auch Studenten Pfle­geversicherungsbeiträge zu entrichten, es sei denn, sie sind noch familienversichert. Dar­auf verweist die Techniker Krankenkasse. Wie bei der Krankenversicherung der Studen­ten leitet sich auch bei der Pflegeversiche- rung der Beitrag aus den BAföG-Bedarfssät- zen ab. Ob der West- oder Ost-Beitrag zu be­zahlen ist, richtet sich nach dem jeweiligen Studienort. Liegt dieser in den alten Bundes­ländern und in Berlin West, müssen die Stu­denten monatlich 7,95 DM in die Pflege­versicherung einzahlen, in den neuen Bun­desländern und Berlin Ost 6,50 DM. BaföG- Empfänger erhalten einen Zuschuß, der den Pflegeversicherungsbeitrag ausgleicht. Zu­sätzliche Wege oder Umstände bereitet die Pflegeversicherung den Studierenden aller­dings nicht, da die Adresse der Krankenkas­se, bei der man versichert ist, zugleich auch die der Pflegekasse ist. mt.

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