OHNE JOBBEN KEIN STUDIUM
BAföG-Erhöhung noch nicht in Sicht
Auch Christian Güthert, Student der Politikwissenschaft ist von der Ablehnung der BAföG-Anpassung betroffen. In Zukunft dürfte das Geld weniger locker denn je sitzen. Foto: Tribukeit
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Zwei Extreme bestimmen oft die Diskussion um die materielle Situation der Studenten: Sie seien bettelarm, oder es würde ihnen so gut wie nie gehen. Jenseits jeder Spekulation ist es eine Tatsache, daß nahezu 60% der Studierenden nicht nur in der Semesterpause jobben müssen.
Das ist deshalb der Fall, weil die jungen Leute mit Hilfe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) etwa nur die Hälfte des Bedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts decken können. Derzeit erhalten 21% der Studierenden in den westlichen und 75% in den östlichen Bundesländern Leistungen nach dem BAföG. Die durchschnittliche Fördersumme liegt bei 600 DM in den alten und bei 500 DM in den neuen Bundesländern. Die Höchstsätze betragen 940 DM bzw. 855 DM. 1971 wurde das erste BAföG im Bundestag verabschiedet. Danach bekamen Studierende, deren Eltern unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze lagen, einen nicht rückzuzahlenden Zuschuß. Im Laufe der Jahre erhöhte sich jener Betrag, der als Darlehensanteil nach dem Studium zurückgefordert wurde, von 1983 bis 1990 sogar vollständig. Seit 1990 nun wird die Hälfte nach fünf Jahren in monatlichen Raten zurückverlangt. Schüler betrifft diese Regelung nicht. Die Förderung besteht aus den Komponenten Grundbedarf, Wohnbedarfssatz und ggf. Erhöhungsbeträge für Krankenversicherung und/oder höhere Mieten.
Gegenwärtig erhalten in Deutschland ca. 410.000 Studierende BAföG. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Brandenburg sinkt die Zahl der BAföG-Empfänger im Land weiter. Insgesamt sind 18 163 Schüler und Studenten 1993 mit 70,4 Mio DM unterstützt worden. 1992 erhielten 20.317 Geförderte 80,6
Mio. DM. Da die Erhöhung der Lebenshaltungskosten Studierende wie jeden anderen Bürger treffen, forderten der Vizepräsident für Studentische Angelegenheiten der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Rupert Huth, und das Deutsche Studentenwerk (DSW) eine bedarfsgerechte Anpassung des BAföG. Von Belang ist aber nicht nur der Ausgleich von Kaufkraftverlusten.
Auf einen weiteren Aspekt verwies in diesem Zusammenhang die Vizepräsidentin des DSW, Prof. Elke Platz-Waury. Die angestrebten Strukturreformen im Hochschulbereich könnten nur dann erfolgreich sein, wenn die sozialen Rahmenbedingungen für ein Studium verbessert würden. Untrennbar damit verbunden sind Regelstudienzeit und die Studienabbrecherquote.
Im September 1994 nun hat der Bundesrat der vom Bundestag beschlossenen BAföG- Novelle nicht zugestimmt, weil sie unzureichend sei. Er beschloß die Einbringung eines eigenen Gesetzesentwurfs beim Bundestag. Das abgelehnte Gesetz, dem ein erfolgloses Vermittlungsverfahren vorausging, sah eine Anhebung der Einkommensfreibeträge für 1994 und 1995 um jeweils zwei Prozent vor. Weiterhin wollte man die Prozentsätze und Höchstbeträge zur Abgeltung der Aufwendungen für die soziale Sicherung anheben. Ab 1996 sollte eine Leistungsüberprüfung des Studienstandes nach dem 2. Semester Voraussetzung für eine Weitergewährung des BAföG sein.
Der Gesetzesentwurf des Bundesrates beinhaltete demgegenüber eine Anhebung der Bedarfssätze um vier Prozent zum Herbst 1994 sowie der Freibeträge um jeweils zwei Prozent zum Herbst 1994 und 1995. Daneben wollte man Sozialpauschalen anpassen und die Freibeträge für Alleinerziehende bei der
Darlehensrückzahlung erweitern. Schließlich sollten die Förderung von Auszubildenden in den neuen Ländern sachgerechter ausgestaltet und die Altersgrenze für Studierende ohne Hochschulzugangsberechtigung aufgehoben werden. Die Bonner Regierungskoalition entschied sich, den Kompromiß des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag abzulehnen. So werden weder das BAföG um vier Prozent noch die Elternfreibeträge erhöht. Weitere Verhandlungen und Entscheidungen stehen demnach auf der Tagesordnung. Wann sie getroffen werden, ist ungewiß. Die Leidtragenden dieser Situation sind die Studierenden. Auch die Verantwortlichen für Soziales im Studentenrat betrachten die Ablehnung der BAföG-Anpassung als sehr kritikwürdig. Ihre Kommilitonen werden weiterhin private Lösungen suchen, um ihr Studium finanzieren zu können. Leider müssen Katrin Paschke, Physikstudentin im 9. Semester und im Verwaltungsrat des Studentenwerkes tätig, sowie Hendrik Zank, Biologiestudent im 7. Semester und Mitglied des gerade gewählten neuen Studentenrates, feststellen, daß das Interesse der Studierenden an dieser sie eigentlich existentiell betreffenden Angelegenheit eher gering ist. Die Studentenvertretung richtete feste wöchentliche Sprechzeiten zur Beratung für alle sozialen Belange ein. Die Resonanz war leider mehr als dürftig. Ihr Vertiefen in Paragraphen, Gesetze und andere wichtige Informationsquellen, als Voraussetzung dafür, anderen helfen und Ratschläge geben zu können, betrachtet Katrin Paschke als nahezu umsonst. Seit dem Frühjahr seien drei Studenten zur BAföG-Beratung erschienen. Trotzdem bieten der Studentenrat wie die Zentrale Studienberatung der Universität und das BAföG-Amt des Studentenwerkes weiterhin allen Interessierten Unterstützung an. B.E.
Pflegeversicherung auch für Studierende
Ab Januar 1995 haben auch Studenten Pflegeversicherungsbeiträge zu entrichten, es sei denn, sie sind noch familienversichert. Darauf verweist die Techniker Krankenkasse. Wie bei der Krankenversicherung der Studenten leitet sich auch bei der Pflegeversiche- rung der Beitrag aus den BAföG-Bedarfssät- zen ab. Ob der West- oder Ost-Beitrag zu bezahlen ist, richtet sich nach dem jeweiligen Studienort. Liegt dieser in den alten Bundesländern und in Berlin West, müssen die Studenten monatlich 7,95 DM in die Pflegeversicherung einzahlen, in den neuen Bundesländern und Berlin Ost 6,50 DM. BaföG- Empfänger erhalten einen Zuschuß, der den Pflegeversicherungsbeitrag ausgleicht. Zusätzliche Wege oder Umstände bereitet die Pflegeversicherung den Studierenden allerdings nicht, da die Adresse der Krankenkasse, bei der man versichert ist, zugleich auch die der Pflegekasse ist. mt.
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