KULTUR
SLAVISTEN GEHEN AN DIE ÖFFENTLICHKEIT
Tschechische und slovakische Dichter lasen in Potsdam
Im eigenen Saft zu schmoren, ist kein erstrebenswerter Zustand. Deshalb sucht die Universität auf vielfältige Weise Kontakt zu einer breiteren Öffentlichkeit. Die Abteilung für Westsla- vische Literaturen und Kulturen des Institutes für Slavistik initiierte beispielsweise die Veranstaltungsreihe „Nachbarn aus Mitteleuropa. Dichterlesungen in Potsdam".
Ihr Ziel besteht darin, sowohl die Slavistik als Studienfach der Potsdamer Alma mater wie auch den Kulturraum der slavischen Nachbarländer vorzustellen. 1994 führte das Institut fünf Veranstaltungen zur modernen tschechischen und slovakischen Literatur durch. Eröffnet wurde die Reihe mit einem „Leckerbissen“: Pavel Kohout fesselte das Publikum. Auch Sylvie Richterovä, Gabriel Laub und Ivan Klima fanden einen interessierten Zuhörerkreis. Im Dezember beendete die Schriftstellerin Daniela Hodrovä das Programm für 1994. Sie gilt als große Entdek- kung der zeitgenössischen tschechischen
Literatur. 1992 debütierte sie in den deutschsprachigen Ländern mit ihrem Roman „Cittä dolente. Das Wolschaner Reich“. Die rege Anteilnahme an den Veranstaltungen ermutigte die Organisatoren, sie auch im kommenden Jahr weiterzuführen, sie sogar durch zwei Beiträge der polnischen Literatur inhaltlich zu erweitern.
Vielfältiges ist also bereits für 1995 in Vorbereitung. Eingeladen wurde Eda Kriseovä aus Prag, die bis 1992 kulturpolitische Beraterin von Präsident Vaclav Havel war und sich als dessen Biographin einen Namen gemacht hat. Der polnische Prosaautor Pawel Huelle aus Danzig beschäftigt sich mit kaschubi- scher Kultur. Er soll ebenso zum Gelingen der Reihe beitragen wie der tschechische Dichter Jiri GruSa, der seit der Wende Botschafter in Bonn ist. Er emigrierte nach 1968 nach Deutschland und schreibt seine Gedichte auch in deutscher Sprache. Zu Gast sein wird weiterhin die polnische Dichterin Ewa Lipska aus Krakau. Sie ist derzeit Direktorin des polnischen Kulturinstitutes in Wien. Der viel-
Der bekannte Literat Pavel Kohout erölfnete im Frühjahr 1994 die von Slavisten der Universität ins Leben gerufene Lesereihe „Nachbarn aus Mitteleuropa“. Foto: Tribukeit
beachtete Prager Nachwuchsautor Jächym Topol steht wie Martin Simeöka auf der Gästeliste. Literaturkennern und Literaturliebhabern werden durch die Begegnung mit diesen Autoren ganz sicher neue Horizonte eröffnet. B.E.
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„Warten auf Godot"
Endlich! Im Potsdamer Hans Otto Theater warten sie das erste Mal - die beiden nun schon legendären Vagabunden Wladimir und Estragon, die seit Jahrzehnten die Spielpläne der Theater mitprägen. Sie warten auf Godot, ohne zu wissen, wer er wirklich ist. Das 1953 uraufgeführte Stück des irischen Literaturnobelpreisträgers Samuel Beckett veränderte das Theater des 20. Jahrhunderts grundlegend und gehört seitdem zu den meistgespielten Werken der Theaterliteratur. In Potsdam hatte das Stück nun am 14. Dezember 1994 Premiere. Regie führt der neuenga0erte Jochen Schölch. Als Estragon erleben die Zuschauer Olaf Weißenberg (links), und den Wladimir spielt Roland Kuchenbuch (rechts). Weitere Aufführungen sind auf der Bühne in der Zimmerstraße 10 am 21., 22., 28. und 29. Januar 1995 jeweils um 19.30 Uhr zu sehen. Karten erhält man im Theaterhaus Am Alten Markt, in der Potsdam-Information, an allen Vorverkaufskassen in Potsdam und Berlin sowie telefonisch unter 0331/2800693. mt./Probenfoto:Jauk
REVISIONEN
Künstlerische Praxis meint die Vielfalt künstlerischer Sichtweisen. Um diese zu demonstrieren, zeigten Mitarbeiter des Lehrstuhls für musisch-ästhetische Erziehung des Institutes für Grundschulpädagogik der Philosophischen Fakultät II eigene, fast ausschließlich 1994 entstandene, Arbeiten. „REVISIONEN“ nannten Meike Aissen- Crewett, Wilfrid Größel, Harald Herzei und Rosemarie Steinbach ihre Ausstellung, die in der ersten Dezemberhälfte 1994 im Golmer Unikomplex zu sehen war.
Abstrakte Sichtweisen offerierten Meike Aissen-Crewett in großformatigen Bildern und Wilfrid Größel mit Computergraphik. Harald Herzeis „Potsdamer Landschaften" und Rosemarie Steinbachs Aquarelle zogen die Besucher ebenso in ihren Bann. Die Konzeption der Ausstellung ermöglichte den vier Künstlern, gleichberechtigt ihre „Handschriften“ vorzustellen und zur Diskussion darüber anzuregen. Mit der Exposition wollten sie nicht nur einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen geben, sondern ebenso ihr Verständnis von der Notwendigkeit künstlerischer Praxis verdeutlichen.
Selbst künstlerisch tätig zu sein, bedeutet für Prof. Dr. Meike Aissen-Crewett, Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik/ Lernbereich musisch-ästhetische Erziehung mit dem Schwerpunkt Ästhetische Erziehung, „neugierig zu sein auf mich selbst, eine unschätzbare Erfahrung, die ich nirgendwo anders für mein didaktisches Denken gewinnen kann. Kunst verträgt keine Didaktik, die sich nicht aus Kunst selbst heraus entwik- kelt“. In diesem Sinne wollten die Lehrenden nicht nur mit dieser Ausstellung dazu beitragen, neu zu sehen, möglicherweise alte Vorstellungen zu revidieren und neue Ideen und
Visionen zu entwickeln. So ist Meike Aissen- Crewett davon überzeugt, daß Schule nur in positivem Sinne verändert werden kann, wenn die ganzheitliche Persönlichkeit, alle Sinne, Ratio und Intuitio, Geist und Körper, Gestalt und Begriff, Anschauung und Denken, Denken und Empfinden angesprochen werden. Deshalb müsse die Kunstausübung auch im Studium einen zentralen Platz einnehmen. B.E.
Künstlerische Sichtweisen stellten Mitarbeiter des Lehrstuhls musisch-ästhetische Erziehung in ihrer Ausstellung „REVISIONEN“ der Öffentlichkeit vor. Prof. Dr. Meike Aissen-Crewett (rechts) ist hier im Gespräch mit Prof. Dr. Bärbel Kirsch (links) und Dr. Roswitha Rudtke (Mitte) vor einem ihrer eigenen Bilder zu sehen. Foto: Tribukeit
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