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(1.1.2019) 08
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LIEBER ARCHITEKT ALS POLITIKER

Wissenschaftler näherten sich der Persönlichkeit Friedrich Wilhelms IV.

Wenn wir nicht als Prinzen auf die Welt gekommen wären, so wäre aus mir ein leidli­cher Architekt und aus meinem Bruder ein guter Feldwebel geworden, soll derRo­mantiker auf dem preußischen Thron Friedrich Wilhelm IV (1795-1861) überliefert haben. Am 15. Oktober 1995 jährte sich zum 200. Mal der Geburtstag dieses Mannes, dem eine nicht unproblematische Persönlichkeitsstruktur nachgesagt wird. Der Ho- henzollernsproß lebte in einer Epoche politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in Deutschland und Europa. DerDiener Gottes und umstrittene Politiker, der sich gern den Künsten hingab, bestieg 1840 den Königsthron. Von ihm ist bekannt, daß er schon als Kind das kleinste Stück Papier nutzte, um es zum Zeichnen zu verwenden. Solche unter seiner Regentschaft entstandenen Gebäude wie die Römischen Bäder, die Oran­gerie, das Schloß Charlottenhof, die FHedenskirche im Park von Sanssouci Potsdams oder das Alte und Neue Museum sowie die Nationalgalerie in Berlin gingen in die Künst- und Architekturgeschichte ein und zeugen von seiner beeindruckenden Bautätigkeit.

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gär­ten Berlin-Brandenburg präsentierte im Sommer 1995 die'zwei Monate währende JubiläumsausstellungFriedrich Wilhelm IV - Künstler und König im Orangerie­schloß des Parkes von Sanssouci. Über 300 Exponate der Malerei, Graphik, Plastik und des Kunsthandwerks, Dokumente, Baupläne und eine Auswahl aus den mehr als 4000 Zeichnungen des Königs gestatte­ten einen Einblick in sein künstlerisches und kunsthistorisches Weltbild, Die Musik- festspiele Potsdam-Sanssouci im Juni wid­meten sich dem ThemaFriedrich Wilhelm IV und die Musik seiner Zeit.

Einen weiteren wichtigen Akzent setzte die wissenschaftliche KonferenzFriedrich Wil­helm IV der am Historischen Institut der Universität Potsdam angesiedelten Gesell­schaft für Geistesgeschichte (GGG) Ende September im Potsdamer Alten Rathaus. Als Veranstalter der.Konferenz, gleichzeitig 37. Jahrestagung der GGG, zeichneten das Moses Mendelssohn Zentrum für europä­isch-jüdische Studien an der Universität Potsdam (MMZ), das Historische Institut der Universität Potsdam und die Wilhelm- Fraenger-Gesellschaft, Potsdam, verant­wortlich. Den 130 Teilnehmern wurde ein umfangreiches inhaltliches Programm ge­boten. Es reichte von Preußens Sonder­weg im 19. Jahrhundert über das Staats­und Religionsverständnis des Königs bis zu

seinen künstlerischen Ambitionen und Per­sönlichkeitsmerkmalen.

Der Erlanger Ordinanus für Religions- und Geistesgeschichte Hans-Joachim Schoeps gründete 1958 die GGG, seit 1984 hat des­sen Sohn Prof. Dr. Julius H. Schoeps, Direk­tor des MMZ und Inhaber des Lehrstuhls Neuere Geschichte II mit dem Schwer­punkt deutsch-jüdische Geschichte im Hi­storischen Institut der Potsdamer Alma mater, den Vorsitz inne. Die Gesellschaft setzte sich zum Ziel,denZeitgeist zu er­fassen, wie er in den Manifestationen des geistigen Lebens - Philosophie, Kunst, Re­ligion, Staat, Politik, Wirtschaft, Recht usw. - zum Ausdruck kommt. Ihr Sitz wurde 1993 von Erlangen nach Potsdam verlegt. Der gerade wiedergewählte Vorsitzende, Julius H. Schoeps, plädierte dafür, Fried­rich Wilhelm IV bei dessen Beurteilung hi­storische Gerechtigkeit widerfahren zu las­sen, auch wenn es nicht leicht sei, über die Persönlichkeit des Preußenkönigs etwas einigermaßen Zutreffendes zu sagen. Die Bewertungen reichten vonwundersamer Exzentriker überGeisteskranker bis zu einzig wirklicher Preußenkönig von Got­tes Gnaden". Für Hans J, Hülerbrand, Pro­fessor für Religionswissenschaften und Geschichte an der Duke University/USA, ergab sich die Kooperation mit dem MMZ aus seiner Arbeit über den Humanisten und Hebraisten Johannes Reuchlm sowie über Luthers Antisemitismus. Der Wissenschaft­

ler beschäftigt sich schwerpunktmäßig ei-

Die stimmungsvolle Baugruppe der Römischen Bäder im Potsdamer Park von Sanssouci entstand ab 1829 unter maßgeblicher Einflußnahme des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm IV

Zeichnug: Friederike Theuerkauff

Prof. Dr. Plans J. Hülerbrand, Duke University, Durham/USÄ hielt auf der Konferenz den Eröff­nungsvortrag. Er studierte Religions- und Gei­stesgeschichte in Erlangen. Sem Spezialgebiet ist die Geistesgeschichte des Reformationszeit- alters.'insbesondere arbeitete er über die Wie­dertäufer. Prof. Hülerbrand ist Herausgeber der in Kürze erscheinenden vierbändigenEncyclo- pedia of the Reformation". Foto: Fritze

gentlich mit Reformationsgeschichte. Er sei an seinen Eröffnungsvortrag -Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn die­nen - Frömmigkeit und Staatsräson bei Friedrich Wilhelm IV -nicht als Spezialist preußischer Geschichte im 19. Jahrhun­dert, sondern als ein Verbindungen zu zie­hen versuchender Geistesgeschichtler ge­gangen. Sein Interesse an Friedrich Wil­helm IV rühre daher, daß sich hier das Ver­hältnis von persönlicher Frömmigkeit und Gesellschaft bzw. Politik besonders an­schaulich darstellen ließe. Im Ergebnis seiner Ausführungen gelangte er zu dem Schluß, daß der Königein außerordentli­cher Pfarrer, vielleicht sogar ein Theologie- professor geworden wäre.

Die Geschäftsführerin der GGG und wis­senschaftliche Mitarbeiterin im Histori­schen Institut, Dr. Irene Diekmann, be­merkte in diesem Kontext, daß es sich bei Friedrich Wilhelm IVum eine Persönlich­keit in der Geschichte gehandelt hat, die, wie so oft, die ihm aufgedrängte Rolle nicht ausfüllen und sich nicht von ihr lösen konn­te, auch weil er die sozialen Nöte seiner Zeit nicht verstand. Er habe eine konser­vative Antwort auf die europäische Aufklä­rung gegeben, indem er diegöttliche Ord­nung wiederherstellen wollte. Die Mitor- ganisatorin der Tägung bemerkte zu den Jubiläumsveranstaltungen in Potsdam:Es reicht nicht,nur Schlösser in Potsdam zu haben, man muß sie auch mit Leben ge­stalten. Die Stadt hat zwar die Miete für die Räumlichkeiten während der Konferenz er­lassen, aber mehr nicht. Keiner ihrer Vertre­ter war präsent. Das enttäuscht uns." B.E.

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