Heft 
(1.1.2019) 08
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PRÄVENTION STATT VERURTEILUNG

An der Uni Potsdam diskutierten Experten über Jugendkriminalität

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen junge Menschen in Deutschland aufwachsen, haben sich im Verlauf der letzten fünf Jahre stark verändert. Nicht wenige von ihnen gerieten ohne eigenes Verschulden in Armut oder erlebten aus unterschiedlichen Gründen Formen der sozialen Ausgrenzung. Im Gegenzug dazu nahm jedoch auch der private Reichtum in der Gesellschaft zu. Damit wuchsen unüber­sehbare soziale Gegensätze. Mit einer Folge dieses Prozesses beschäftigte sich kürz­lich der an der Universität Potsdam tagende 23. Jugendgerichtstag.Sozialer Wandel und Jugendkriminalität lautete das Thema der Veranstaltung. Rund 900 Teilnehmer, darunter Juristen, Polizeibeamte, Sozialarbeiter und Wissenschaftler aus allen Teilen der Bundesrepublik waren gekommen, um der Debatte beizuwohnen.

Einer verstärkten Re­pression gegenüber straffällig gewordenen Jugendlichen erteilte dabei der Justizmini­ster des Landes Bran­denburg, Dr. Hans Otto Bräutigam, eine entschiedene Abfuhr. Vielmehr plädierte er für eine stärkere Be­rücksichtigung des Er­ziehungsgedankens , Im Zusammenhang damit verwies der Redner unter ande­rem auf Gustav Radbruch, der einst formu­lierte:Wir brauchen kein besseres Straf­recht, sondern etwas besseres als Straf­recht. In Brandenburg beschreite man in genau diesem Sinne erfolgreich drei sehr praktische Wege: den Täter-Opfer-Aus- gleich, gemeinnützige Arbeit und soziale Tirainmgskurse an zur Zeit 13 Orten der Region.

Statistiken weisen deutliche Unterschiede zwischen der Art der Straftaten in Ost und West auf. Für die neuen Bundesländer, so Prof. Dr. Christian Pfeiffer, 1. Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Jugendge­richte und Jugendgerichtshilfen, seien eher leichtere" Vergehen wie Diebstahls-, Ein­bruchs- oder Betrugsdelikte typisch. Weni­ger beobachtet würden schwere Gewaltta­ten. Im Bundesdurchschnitt sei jeder fünf­te Tätverdächtige unter 18 Jahren. Dabei liege die Quote in den ostdeutschen Bun­desländern bereits bei 26 Prozent, in Bran­denburg sogar bei 29 Prozent.

Die Ursachen beurteilte Bräutigam als komplex. Wesentlichen Anteil hätten bei­spielsweise Defizite in der schulischen wie auch familiären Wertevermittlung, fehlen­de Möglichkeiten einer sinnvollen Freizeit­beschäftigung, nicht zuletzt auch die unbe­friedigende Lehrstellensituation. So fänden in Brandenburg voraussichtlich etwa 3000 Jugendliche in diesem Jahr keine Lehrstel­le. Damit gingen auch spätere Berufsper­spektiven verloren.

Mit seiner gerade beendeten Zusammen­kunft hatte der Jugendgenchtstag erstmals

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seit 1929 auf dem Gebiet der Neuen Bun­desländer beraten. Der Politik den Spiegel vorzuhalten, über aktuelle Tfendenzen auf­zuklären, war vorrangiges Anliegen des Treffens, Kritik fand in der Diskussion die von Bonn beabsichtigte Reform der Sozial­hilfe. Daß diese ein Potential für weitere Konflikte biete, darüber bestand weitgehen­de Einigkeit unter den Anwesenden.An­gesichts eines solchen Vorhabens sei der Ruf nach dem Richter nur zu billig, so Pfeiffer. RG.

SÜDAFRIKANISCHE

Die Universität Potsdam als Ausbildungs­stätte junger Menschen und zugleich Wir­kungsort zahlreicher Wissenschaftler er­freut sich zunehmend wachsender Auf­merksamkeit. Den Reigen ihrer Gäste setz­ten nun kürzlich drei hohe südafrikanische Richterinnen und Richter fort. Begrüßt wer­den konnten Mokgadi L. Mailula, erste schwarze Richterin am Supreme Court, Pius N. Langa sowie Yvonne J. Mokgoro, beide seit 1995 Richter am Verfassungsge­richt ihres Heimatlandes.

Die Stippvisite der Juristen fand im Rah­men einer von der Konrad-Adenauer-Stif- tung organisierten Studien- und Informa­tionsreise durch Deutschland statt. Deren Ziel bestand in der Vertiefung des fachli-

Sehr interessiert verfolgten die Gäste , hier Yvonne J. Mokgoro und Pius N. Langa, die Aus­führungen des Rechtswissenschaftlers und zu­gleich Uni-Rektors Prof. Dr. Wolfgang Loschel- der (r.). Foto: Fritze

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RICHTER ZU BESUCH

chen Austausches. Die Republik Südafrika entwickelte sich schließlich erst mit dem Inkrafttreten einer Übergangsverfassung zum Rechtsstaat. Zum Hüter dieses so wichtigen Gesetzesinstruments avancierte das neu geschaffene Verfassungsgericht. Im Frühjahr 1995 nahm es seine Tätigkeit auf.

Die Südafrikaner bemühten sich hier in Deutschland zum Beispiel um das Kennen­lernen einzelner Entscheidungsalternati­ven und -hilfen. Ferner sammelten sie Er­fahrungen über den Aufbau eines Rechts­bewußtseins in der Bevölkerung. Dem diente auch der kurze Aufenthalt an der Potsdamer Hochschule. Zustandegekom­men war der Besuch unter anderem durch das Engagement Prof. Dr. Dieter Umbachs, Inhaber des Lehrstuhls Verwaltungsrecht mit Sozialrecht sowie Europäisches Verfas- sungs- und Sozialrecht an der Alma mater. Der Wissenschaftler hatte bereits in der Vergangenheit durch eine entsprechende Beratungstätigkeit und die Tfeilnahme an einem Workshop in Karlsruhe erste Kontak­te geknüpft. Während des hiesigen, circa einstündigen Informationsgespräches un­ter der Leitung von Rektor Prof. Dr. Wolf­gang Loschelder spielten auch Fragen des Aufbaus der Universität Potsdam und ihrer Fakultäten eine Rolle. Des weiteren gehör­ten sowohl das übliche Verfahren bezüg­lich der Gauck-Überprüfungen an der Insti­tution sowie allgemeine mit der Wende ein­setzende Entwicklungsprozesse zu den Diskussionsgegenständen. RG.

PUTZ 8/95