Heft 
(1.1.2019) 09
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Podiumsdiskussion zu Problemen der naturwissenschaftlichen Lehre und Forschung in der Berlin-Branden- burgischen Hochschulla nd schaft

Auf dem Podium beim Täg der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam (vln.r.): Prof. Dr. Michael von Ortenberg (Dekan, Humboldt-Universität zu Berlin), Prof. Dr. Elmar Hartmann (Dekan, Breie Universität Berlin), Prof. Dr. Friedrich Buttler (Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg), Prof. Dr. Ralf Menzel (Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität Potsdam), Prof. Dr. Emst Sigmund (Dekan, Tkchnische Universität Cottbus) und Prof. Dr. Helmut Mikelskis (Dekan, Universität Potsdam). Ebenso anwesend war Prof. Dr. Siegfried Hess (Dekan, Tbchnische Universität Berlin). Foto: Tribukeit

Im Vorfeld der Gründung der Berliner Universität 1810 stellte Wilhelm von Hum­boldt die Präge nach den Aufgaben der Fakultäten neu. Dies loste damals eine umfangreiche Debatte aus und brachte in deren Ergebnis die Universität auf dem Weg zur Autonomie weit voran. So konn­te sich die Philosophische Fakultät neben den anderen etablieren. DieNaturphilo­sophie gewann an Bedeutung, und es entwickelte sich die Mathematisch-Natur­wissenschaftliche Fakultät, wie sie heute bekannt ist. Diesen kleinen historischen Diskurs stellte der Staatssekretär im Mi­nisterium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Prof. Dr. Friedrich Buttler, seinen Gedanken zu Beginn einer Podiumsdiskussion im Rah­men des Täges der Mathematisch-Natur­wissenschaftlichen Fakultät der Universi­tät Potsdam am 26. Oktober 1995 voran. Des weiteren erinnerte der Politiker daran, daß die Gründung der Humboldt-Umversi- tät zu Berlin in eine Zeit gesellschaftlicher Krisen fiel. Angesichts der sich gegenwär­tig vollziehenden globalen Veränderungen auf nahezu allen Gebieten und des Wan­dels, verbunden mit tiefen gesellschaftli­chen Einschnitten, müsse, ähnlich wie zu Beginn des Industriezeitalters, heute neu über Aufgaben, Struktur und Orientierung der Universitäten nachgedacht werden. So müsse gefragt werden, wie Forschung und Lehre zu organisieren seien und was die Politik dabei zu leisten vermöge. Es komme »heute zunehmend darauf an, nicht vor­schreiben zu wollen, was Einzelne oder Organisationen wollen sollen oder auf wel­che genauen Resultate sie hinstreben sol­len..., sondern es kommt darauf an, intelli­gente Prozesse in Gang zu setzen, die sol­che Lösungen wahrscheinlicher machen, die den Organisationszielen dienen und

solche unwahrscheinlicher machen, die den Organisationszielen zuwiderlaufen 11 , so Friedrich Buttler.

Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Potsdam könne diesbezüglich bereits einiges vorweisen, was sowohl deren Fächerzuschnitt und Pro­fil als auch ihre enge Kooperation mit außer­universitären Forschungsemnchtungen ver­deutliche. Die gewollte Verzahnung von Lehre, Forschung und Wirtschaft sowie außeruniversitären Einrichtungen sei ein zukunftsweisendes Konzept. Aus zeitlich vorangeschrittener Perspektive betrachtet, werde in Potsdam etwas entstanden sein, wasStrahlkraft" habe und ohne Schwierig­keiten den Anspruch erheben können wird, an die Traditionen des "felegrafenbergs wie­der anzuknüpfen.

Dem Dekan der Mathematisch-Naturwis­senschaftlichen Fakultät der Potsdamer Alma mater, Prof. Dr. Helmut Mikelskis, gelang es, Amtskollegen der Berliner Uni­versitäten und der "technischen Universität Cottbus für die Tbilnahme an der Podiums­diskussion zu gewinnen, um zum Thema Probleme der naturwissenschaftlichen Lehre und Forschung m der Berlm-Branden- burgischen Hochschullandschaft" Meinun­gen auszutauschen.

Prof. Dr. Michael von Ortenberg, Humboldt- Universität zu Berlin, brachte seine Freude über die Existenz der Potsdamer Hoch­schule und ihrer naturwissenschaftlichen Fakultät zum Ausdruck. Da Wissenschaft Kommunikation bedeute, müsse die Ge­meinschaft derer, die auf diesem Gebiet arbeite, möglichst groß werden. Klar sei, daß aufgrund der knappen finanziellen Mit­tel alle einige der ihnen liebgewordenen Bereiche aufgeben müßten.

Helmut Mikelskis plädierte dafür, den Raum Berlin-Brandenburg als Einheit aufzu­

fassen und die damit verbundenen Chan­cen zu nutzen. Im Sinne der Konzentration von Kapazitäten sollten gemeinsame Forschungsanträge, auch in Kooperation mit der Wirtschaft, die ohnehin zunehmend über Ländergrenzen hinweg erfolge, eben­so realisiert werden wie gemeinsame Studienangebote oder wechselseitige Nut­zung von teuren Forschungsapparaturen. Der Prorektor für Forschung und wissen­schaftlichen Nachwuchs der Universität Potsdam und Moderator der Podiumsdis­kussion, Prof. Dr. Ralf Menzel, machte in diesem Zusammenhang auf die äußerst unterschiedlichen Erfahrungen der einzel­nen Bereiche bei der Zusammenarbeit mit der Industrie aufmerksam.

Wenn Berlin-Brandenburg eine europäi­sche Metropole sein wolle, dann müsse die Existenz mehrerer Universitäten, wie bei­spielsweise in Baden-Württemberg oder Bayern, selbstverständlich sein, mahnte Helmut Mikelskis zu mehr Selbstbewußt­sein. Außerdem verwies er darauf, nicht nur der Forschung, sondern ebenso der Ausbil­dung, auch der qualifizierten, abgestimm­ten Lehrerausbildung, die eine Zukunfts­perspektive habe, Aufmerksamkeit zu schenken.

Prof. Dr. Erika Horn, Direktorin des Institu­tes für Informatik in der Mathematisch-Na­turwissenschaftlichen Fakultät der Universi­tät Potsdam, und Prof. Dr. Michael Gössel, Leiter der Max-Planck-ArbeitsgruppeFeh­lertolerantes Rechnen" an der Universität Potsdam, betonten die Notwendigkeit des eigenen Engagements der Wissenschaftler. Warten auf Entscheidungen vonoben" sei wenig erfolgsausgenchtet.Rahmenbedin­gungen sind wichtig, aber zum größten "feil hängt es von uns ab", wie erfolgreich Leh­re und Forschung gestaltet werden, so Mi­chael Gössel. B.E.

PUTZ 9/95

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