„WIR SIND FROH, DASS ES SIE GIBT!"
Podiumsdiskussion zu Problemen der naturwissenschaftlichen Lehre und Forschung in der Berlin-Branden- burgischen Hochschulla nd schaft
Auf dem Podium beim Täg der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam (vln.r.): Prof. Dr. Michael von Ortenberg (Dekan, Humboldt-Universität zu Berlin), Prof. Dr. Elmar Hartmann (Dekan, Breie Universität Berlin), Prof. Dr. Friedrich Buttler (Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg), Prof. Dr. Ralf Menzel (Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität Potsdam), Prof. Dr. Emst Sigmund (Dekan, Tkchnische Universität Cottbus) und Prof. Dr. Helmut Mikelskis (Dekan, Universität Potsdam). Ebenso anwesend war Prof. Dr. Siegfried Hess (Dekan, Tbchnische Universität Berlin). Foto: Tribukeit
Im Vorfeld der Gründung der Berliner Universität 1810 stellte Wilhelm von Humboldt die Präge nach den Aufgaben der Fakultäten neu. Dies loste damals eine umfangreiche Debatte aus und brachte in deren Ergebnis die Universität auf dem Weg zur Autonomie weit voran. So konnte sich die Philosophische Fakultät neben den anderen etablieren. Die „Naturphilosophie“ gewann an Bedeutung, und es entwickelte sich die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, wie sie heute bekannt ist. Diesen kleinen historischen Diskurs stellte der Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Prof. Dr. Friedrich Buttler, seinen Gedanken zu Beginn einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Täges der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam am 26. Oktober 1995 voran. Des weiteren erinnerte der Politiker daran, daß die Gründung der Humboldt-Umversi- tät zu Berlin in eine Zeit gesellschaftlicher Krisen fiel. Angesichts der sich gegenwärtig vollziehenden globalen Veränderungen auf nahezu allen Gebieten und des Wandels, verbunden mit tiefen gesellschaftlichen Einschnitten, müsse, ähnlich wie zu Beginn des Industriezeitalters, heute neu über Aufgaben, Struktur und Orientierung der Universitäten nachgedacht werden. So müsse gefragt werden, wie Forschung und Lehre zu organisieren seien und was die Politik dabei zu leisten vermöge. Es komme »heute zunehmend darauf an, nicht vorschreiben zu wollen, was Einzelne oder Organisationen wollen sollen oder auf welche genauen Resultate sie hinstreben sollen..., sondern es kommt darauf an, intelligente Prozesse in Gang zu setzen, die solche Lösungen wahrscheinlicher machen, die den Organisationszielen dienen und
solche unwahrscheinlicher machen, die den Organisationszielen zuwiderlaufen 11 , so Friedrich Buttler.
Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Potsdam könne diesbezüglich bereits einiges vorweisen, was sowohl deren Fächerzuschnitt und Profil als auch ihre enge Kooperation mit außeruniversitären Forschungsemnchtungen verdeutliche. Die gewollte Verzahnung von Lehre, Forschung und Wirtschaft sowie außeruniversitären Einrichtungen sei ein zukunftsweisendes Konzept. Aus zeitlich vorangeschrittener Perspektive betrachtet, werde in Potsdam etwas entstanden sein, was „Strahlkraft" habe und ohne Schwierigkeiten den Anspruch erheben können wird, an die Traditionen des "felegrafenbergs wieder anzuknüpfen.
Dem Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Potsdamer Alma mater, Prof. Dr. Helmut Mikelskis, gelang es, Amtskollegen der Berliner Universitäten und der "technischen Universität Cottbus für die Tbilnahme an der Podiumsdiskussion zu gewinnen, um zum Thema „Probleme der naturwissenschaftlichen Lehre und Forschung m der Berlm-Branden- burgischen Hochschullandschaft" Meinungen auszutauschen.
Prof. Dr. Michael von Ortenberg, Humboldt- Universität zu Berlin, brachte seine Freude über die Existenz der Potsdamer Hochschule und ihrer naturwissenschaftlichen Fakultät zum Ausdruck. Da Wissenschaft Kommunikation bedeute, müsse die Gemeinschaft derer, die auf diesem Gebiet arbeite, möglichst groß werden. Klar sei, daß aufgrund der knappen finanziellen Mittel alle einige der ihnen liebgewordenen Bereiche aufgeben müßten.
Helmut Mikelskis plädierte dafür, den Raum Berlin-Brandenburg als Einheit aufzu
fassen und die damit verbundenen Chancen zu nutzen. Im Sinne der Konzentration von Kapazitäten sollten gemeinsame Forschungsanträge, auch in Kooperation mit der Wirtschaft, die ohnehin zunehmend über Ländergrenzen hinweg erfolge, ebenso realisiert werden wie gemeinsame Studienangebote oder wechselseitige Nutzung von teuren Forschungsapparaturen. Der Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Potsdam und Moderator der Podiumsdiskussion, Prof. Dr. Ralf Menzel, machte in diesem Zusammenhang auf die äußerst unterschiedlichen Erfahrungen der einzelnen Bereiche bei der Zusammenarbeit mit der Industrie aufmerksam.
Wenn Berlin-Brandenburg eine europäische Metropole sein wolle, dann müsse die Existenz mehrerer Universitäten, wie beispielsweise in Baden-Württemberg oder Bayern, selbstverständlich sein, mahnte Helmut Mikelskis zu mehr Selbstbewußtsein. Außerdem verwies er darauf, nicht nur der Forschung, sondern ebenso der Ausbildung, auch der qualifizierten, abgestimmten Lehrerausbildung, die eine Zukunftsperspektive habe, Aufmerksamkeit zu schenken.
Prof. Dr. Erika Horn, Direktorin des Institutes für Informatik in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam, und Prof. Dr. Michael Gössel, Leiter der Max-Planck-Arbeitsgruppe „Fehlertolerantes Rechnen" an der Universität Potsdam, betonten die Notwendigkeit des eigenen Engagements der Wissenschaftler. Warten auf Entscheidungen von „oben" sei wenig erfolgsausgenchtet. „Rahmenbedingungen sind wichtig, aber zum größten "feil hängt es von uns ab", wie erfolgreich Lehre und Forschung gestaltet werden, so Michael Gössel. B.E.
PUTZ 9/95
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