GLÜCKSFALL RIESELFELDER
Die Arbeitsgruppe „Stoffdynamik in Geosystemen" forscht im Umweltbereich
Sie gilt als einmalig in der deutschen Hochschullandschaft, die seit 1991 an der Universität Potsdam arbeitende Interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Stoffdynamik in Geosystemen“. Ihre Gründungsphase fällt in eine Zeit tiefgreifender Umgestaltungen, die auch an der damaligen Brandenburgischen Landeshochschule mit ungeklärten Strukturbedingungen verbunden war. Langjährige Forschungskooperationen mit ehemaligen DDR-Betrieben waren weggebrochen, ein Ausweg von oben nicht in Sicht. „Jammern allein hilft nicht weiter. Wir müssen zeigen, daß wir etwas leisten wollen und können“, so schätzt Dr. Oswald Blumenstein, der Leiter der Arbeitsgruppe aus dem Institut für Geographie und Geoökologie, die damalige Aufbruchstimmung rückblik- kend ein. Im gleichen Atemzug räumt er ein, daß bei allem Können „auch etwas Glück nichts schaden kann“. Glück, das waren für die Arbeitsgruppe die begehrten Rieselfeldflächen im Berliner Umland.
So brachte ein Projekt zum Thema „Belastungssituation und Nutzungsstrategien der Rieselfelder südlich Berlin" auf der einen Seite das nötige Geld, auf der anderen Seite war es ohne eine konstruktive Zusammenarbeit unterschiedlichster Fachleute nicht zu bewältigen. Im Rahmen der Projektbearbeitung wurden Wechselverhältnisse zwischen Bodensubstrat, Bodenwasser, eingetragenen Last- und Schadstoffen, Mikroorganismen, Vegetation und Milieubedingungen erfaßt und interpretiert. Großräumige Felduntersuchungen (immerhin haben die Rieselfelder südlich Berlin eine Größe von mehreren tausend Hektar), Feldmessungen und modellhafte Untersuchungen in kleintechnischen Versuchseinrichtungen waren zu planen, zu koordinieren, zu realisieren und auszuwerten.
Mit der Gründung der Interdisziplinären Arbeitsgruppe wurden die Rahmenbedingungen geschaffen, die die erfolgreiche Bearbeitung eines solchen komplexen Themas überhaupt erst ermöglichten. Auf der Basis der eingeworbenen Drittmittel konnten moderne Analysegeräte und Rechentechnik angeschafft werden, die den vorhandenen Ausstattungsgrad der Institute sinnvoll ergänzten. Es bestand die Möglichkeit, Mitarbeiter einzustellen.
Die anstehenden wissenschaftlichen Probleme erwiesen sich zum Tfeil als überaus kompliziert, klassische Ansätze versagten. Neue Ideen und Methoden mußten erarbeitet werden. Dies erfolgte im Rahmen von Promotionen und Diplomarbeiten. Auf Tä- gungen, in Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und selbst organisierten Arbeits- kolloquia wurden die Resultate der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert. Sowohl die Verbindung von Forschung und Lehre als auch die eigenverantwortliche Erfüllung der Teilaufgaben des Projektes waren nur durch die Zusammenarbeit eines starken akademischen Mittelbaus möglich. Über diesen Rahmen hinaus wurden vielfältige Kooperationspartner gewonnen, so z.B. Mitarbeiter der TU Bergakademie Ereiberg.
Im Frühjahr/Sommer 1995 konnten den Auf
traggebern, dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung und dem Landesumweltamt Brandenburg, die Endberichte übergeben und verteidigt werden. Sie sollen bei der Entscheidungsfindung zur optimalen Nutzung der begehrten Flächen um Berlin helfen, um z.B. die Gefahren für das Grundwasser zu minimieren und den Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie zu bestehen.
Die Entnahme und Erstbeurteüung von Grundwasser war Tkil eines studentischen Praktikums, das die Arbeitsgruppe „Stoffdynamik in Geosystemen" anbot. Foto: zg.
Die Biologen, Chemiker, Geoökologen, Geographen, Geophysiker und Mathematiker dieser Arbeitsgruppe sind jedenfalls stolz auf das Erreichte. Vielleicht noch wichtiger als die abrechenbaren Forschungsberichte ist für sie die Arbeit in einem Tbam, das sie selbst mit aufgebaut haben. Der interdisziplinäre Ansatz ermöglicht es ihnen, zu aktuellen Fragen der Geoökologie im Übergangsbereich von Grundlagen- und Applikationsforschung, bei der Erstellung praxisrelevanter Entscheidungshüfen einen Beitrag zu leisten und Ableitungen qualifizierter Problemlösungen für mögliche Nutzungskonzepte anzubieten. „Anfangs als Ossis belächelt, haben wir uns durch unsere Arbeit zu einem ernstgenommenen Konkurrenten entwickelt“, erklärte denn auch Dr. Oswald Blumenstein. Wer mehr über dieses Tbam, seine Arbeit und seine Entwicklung wissen will, der findet im Internet (WWW) unter http://www.um-pots- dam.de/ die neuesten Informationen. Sbl.
GEMEINSAMKEITEN SCHAFFEN
Neue Kolloquienreihe „Schulfach als Handlungsrahmen - Zukunft als Schulthema"
„Mit unserer Veranstaltung streben wir an, Schulpädagogik, unterschiedliche Fächer und Fachdidaktiken, Mitarbeiter und Studierende in einem offenen wissenschaftlichen Disput zusammenzuführen“, umreißt Dr. Stefan Hopmann, Institut für Pädagogik, das Anliegen der Kolloquienreihe „Schulfach als Handlungsrahmen - Zukunft als Schulthema“. Prof. Dr. Thomas Jahnke, Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik der Mathematik, sieht darin eine gute Möglichkeit, „zwischen allen Beteiligten Gespräche darüber anzuregen, die der Lehrerbildung an der Universität Potsdam im Sinne des Potsdamer Modells neue Anregungen und Impulse verleihen“.
Diese Veranstaltungsreihe setzt jene im Sommersemester 1995 begonnene zum Thema „Der Stoff, aus dem Unterricht wird" fort. Noch seien die Fachdidaktiken vereinzelt, deshalb müsse eine Situation geschaffen werden, die Begegnung und Kommunikation über Inhalte ermögliche, so Stefan Hopmann. Es sei notwendig, unter den Professoren und Mitarbeitern ein gemeinsames Verständnis zu erlangen, um für die Lehrerausbildung Standards entwickeln zu können. Der Wissenschaftler ist allerdings davon überzeugt, daß dies Zeit braucht. Den Haupteffekt der Kolloquien des vergangenen Jahres sieht er deshalb darin, daß zunächst Kontakte zwischen Studierenden, Mittelbauvertretern und Professoren, zwischen Fachdidaktikern und Schulpädagogen entstanden seien und einige Interessierte hinzugewonnen werden konnten. Man kenne jetzt die Probleme und Modelle der anderen etwas besser. „Gemeinsamkeiten entstehen jedoch nicht durch Appelle, sondern wenn es Anlaß dazu gibt.“ Obwohl an der Universität Potsdam bereits einiges in dieser Richtung existiere, wie z.B. Veranstaltungen der Zentren, schlage sich dies noch zu wenig in der Lehrerausbildung nieder. Außerdem wolle man dazu beitragen, eine „Kolloquienkultur“ zu entwickeln, also sich kennenlernen, miteinander reden und vergleichen.
Um auch an die internationalen Forschungstendenzen anzuknüpfen, wählten die Initiatoren der Reihe, Thomas Jahnke und Stefan Hopmann, diesmal das Schulfach als einen inhaltlichen Bezugspunkt für die Themen aus. So geht es beispielsweise um „Spurensuche in offenen Klanglandschaften“, „Mit der Zukunft rechnen“ oder „Zeit und Schule“. Den Abschluß bildet am 23. Januar 1996 die Podiumsdiskussion „Zustand und Zukunft des Potsdamer Modells".
B.E.
PUTZ 9/95
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