ALS STUDENT FÖRMLICH AN DIE HAND GENOMMEN
Nach zwei Semestern am Augustana College in Sioux Falls, South Dakota
Wiebke Albert studiert in Potsdam Sla- vistik, Anglistik/Amerikanistik und Volkswirtschaftslehre. Sie kam im Sommer dieses Jahres vom Augustana College in Sioux Falls, South Dakota/USA zurück und schildert nachfolgend ihre Eindrücke:
Sioux Falls liegt im Südosten des US- Bundesstaates South Dakota und ist mit seinen ca. 110 000 Einwohnern die größte Stadt und wichtigstes Geschäfts-, Bank-, Verwaltungs- und Transportzentrum der Region Die Stadt verdankt ihren Namen den Wasserfällen des Big Sioux River, in dessen Umgebung ursprünglich einmal die Santee Sioux Indianer gelebt und gejagt haben. Diese wurden aber im Jahre 1851 aufgrund eines Vertrages mit weißen Siedlern aus dieser Gegend vertrieben. Hauptsächlich nach dem Ende des Bürgerkrieges siedelten sich hier Skandinavier, Deutsche, später auch Holländer, Iren und Tschechen an und verhalfen der Stadt zu einer raschen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklung.
Das Augustana College wurde 1860 von skandinavischen Emigranten gegründet und hat im Zuge der Pionierbewegung einige Male seinen Standort verändert. Augustana ist ein privates liberal-arts College der Evangelical Lutheran Church in America. Auf seinem knapp 50 ha großen Campus studieren und wohnen etwa 1800 Studenten aus 35 Bundesstaaten und 12 Ländern. Das Verhältnis Student.Professor beträgt 13:1.
Wiebke Albert beim Keramikkurs - eine kleine Auilockerung des Stundenplans .
Das Studienjahr staffelt sich in zwei vierzehnwöchige Semester, die durch einen vierwöchigen Interim im Januar miteinanderverbunden sind. In diesem Interim kann man, muß man aber als Austauschstudent nicht unbedingt einzelne Kurse im Block studieren und abschließen. Bei der Auswahl der Seminare und Vorlesungen stehen jedem Studenten Student advisors beratend zur Seite. Uns ausländischen Studenten war außerdem unser International Student Advisor, Donn Grmager, mit Rat und Tät
Der Campus des Augustana College umfaßt rund SO Hektar; das Betreuungsverhältnis Professor: Student beträgt übrigens 1:13.
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behilflich. Überhaupt ist mir aufgefallen, daß man als Student förmlich an die Hand genommen und einem der Weg durch den Rapierdschungel geebnet wird. Das schützt einen aber nicht vor eventuellen Mißverständnissen oder kleinen bürokratischen Problemen wie Namensverwechslungen, die dann alle Unterlagen plötzlich an ganz anderer Stelle wieder auftauchen lassen. Doch läßt sich dabei keiner aus der Ruhe bringen, sondern bleibt gelassen und gewohnt freundlich. Fast alle internationalen Austauschstudenten werden automatisch als juniors, d.h. also ins dritte Studienjahr eingestuft. Der von jedem Studenten zu sammengestellte Stundenplan muß im Registrar’s Office abgegeben und bestätigt und unter Umständen (z.B. bei überfüllten Kursen) geändert werden. Als Austauschstudent muß man mindestens 12 credits (nicht mit unseren Semesterwochenstunden gleichbedeutend) pro Semester absolvieren, um als voll eingeschriebener Student zu gelten. Die Anrechnung von Kursen an der heimatlichen Universität ist dann allerdings von Fach zu Fach unterschiedlich. Übrigens: Kam man am Augustana College einmal mit einer Frage nicht weiter, so war einem der jeweilige Professor gern behilflich. Nicht umsonst erhielten die Studenten in der ersten Stunde die Sprechzeiten und Privattelefonnummern von ihren Professoren!
Das Studieren und Zusammenwohnen mit Amerikanern ist insofern gewöhnungsbedürftig, als der Altersunterschied ziemlich groß ist, und dies auch häufig an der mangelnden Selbständigkeit und Reife der jungen Amerikaner zu spüren ist. Viele kommen nach dem Highschool-Abschluß aus einem - manchmal zu sehr - behütenden Elternhaus direkt ans College und wollen sich dann natürlich erst mal „austoben“. Dann kann es im Wohnheim schon mal
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recht turbulent und laut zugehen - und das, Obwohl das Augustana College z.B. ein Dry Campus ist, man sich also in den Wohnheimen und innerhalb des gesamten College für Alkoholgenuß und -besitz strafbar macht. Dennoch würde ich Potsdamer Studenten empfehlen, nach dem zweiten Studienjahr, frühestens aber nach Abschluß des 21. Lebensjahres zum Studium in die USA zu reisen, das trifft nach meinen Erfahrungen besonders auf Sioux Falls zu. Zwei wichtige organisatorische Dinge sollte man vor Antritt der Reise in die Vereinigten Staaten beachten. Es empfiehlt sich, sein Visum für die USA rechtzeitig zu beantragen. Da ich beinahe an den Sprechzeiten gescheitert wäre, notiere ich nachfolgend Adresse und Öffnungszeiten der Konsularabteilung der Botschaft der USA in Berlin-Zehlendorf: Konsularabteilung der Botschaft der USA, Außenstelle Berlin, Clayallee 170, 14195 Berlin, Ttel.: 030/819 74 54. Öffnungszeiten: montags bis freitags 8.30-10.30 Uhr und 15.00-16.00 Uhr (Abholen von Dokumenten), mittwochs geschlossen.
Dieses Jahr in Sioux Falls hat meinen Erfahrungsschatz jedenfalls um vieles bereichert und mir bestätigt, daß man andere Völker und deren Kulturen nur kennen- und schätzen lernen kann, wenn man selbst lange genug in ihrem Land gelebt hat. Für mich war es weiterhin unheimlich interessant, meine Erlebnisse mit jenen so entgegengesetzten Erfahrungen und Eindrücken zu vergleichen, die ich während eines einjährigen Studiums in Rußland im Jahre 1990/91 gemacht hatte. Ich habe dadurch auch gelernt, daß die Kultur, in der ich aufgewachsen bin, nicht das Maß aller Dinge ist. Auf jeden Fall würde ich jederzeit wieder gern im Ausland leben und arbeiten.
Ttext und Fotos: Wiebke Albert
Seite 22
PUTZ 9/95