„WIR SIND AN DER GRENZE DER SERIOSITÄT ANGELANGT"
Sondersitzung des Senates zur Struktur der Universität
In Anbetracht der schlechten Finanzlage des Landes forderte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) die Universität Potsdam im Herbst letzten Jahres auf, Strukturvorschläge für eine reduzierte Ausbauplanung bis zum Jahr 2000 zu entwickeln und vorzulegen. Bestand das bis zum Jahr 2000 zu erreichende Ausbauziel für die Potsdamer Uni bisher darin, 243 Professuren, also 90 Prozent des Gesamtausbaus zu erhalten, so gingen die Vorgaben des MWFK nun von einer zeitlichen Streckung des Schaffens und Besetzens der 243 Professorenstellen aus. Sie beinhalteten für das Jahr 2000 nur noch eine Zielzahl von 209 Professorenstellen. Die für die Strukturplanung der Hochschule zuständigen Gremien sind der Aufforderung des MWFK innerhalb weniger Wochen nachgekommen; abschließend tagte am 7. November 1996 der Senat in einer Sondersitzung und beschloß einstimmig eine zeitliche Streckung der 243 Professorenstellen auf zunächst 209. Er sah sich allerdings außerstande, die 209 Stellen zu unterschreiten, wie es eine weitere Forderung des MWFK vorsah.
Die Senatorinnen und Senatoren stellten vielmehr fest, daß eine Ausstattung mit 209 Professoren die Untergrenze für ein Fächerspektrum darstellt, das wenigstens noch in wesentlichen Bereichen dem Konzept des Gründungssenates, das vom Minister bestätigt wurde, entspricht. Eine weitere Verminderung würde die Lehre, die profilbildenden Lehr- und Forschungsbereiche und die eingerichteten Querstrukturen gefährden. Damit wäre die Universität nicht mehr in der Lage, sich dem Wettbewerb mit anderen Hochschulen um Studenten, qualifizierte Wissenschaftler und Forschungsmittel zu stellen. Obwohl der Senat am
Strukturkonzept des Gründungssenats festhielt, sah er sich gezwungen, die vorgesehene Einrichtung der Kunstgeschichte mit zwei Professuren aus der mittelfristigen Planung herauszunehmen.
Aufgrund der neuen Strukturplanung stellt sich die zahlenmäßige Verteilung der Professuren auf die einzelnen Fakultäten und Fächer bis zum Jahr 2000 wie folgt dar: Rechtswissenschaft 17 Professuren anstelle von vorgesehenen 19; Philosophische Fakultät I 46 Professuren anstelle von 52; davon entfallen auf die Philosophie 3, Religionswissenschaft 1, Geschichte 9, Kunstgeschichte 0, Klassische Philologie 3, Germanistik 11,
Anglistik 8, Romanistik 6 und die Slavistik 5 Professuren. Für die Philosophische Fakultät II sind 49 Professuren anstelle von 56 geplanten vorgesehen; davon entfallen auf die Psychologie 9, Allgemeine Sprachwissenschaft 7, Pädagogik 7, Grund- schulpädagogik 6, Sonderpädagogik 4, Arbeitslehre 2, Berufspädagogik 0, Musik 6, Sportwissenschaft 7 und die Gastprofessur Kognitionswissenschaft 1. Die Wirtschaftsund Sozialwissenschaftliche Fakultät ist mit 25 Professuren angesetzt anstelle von bisher 31; davon entfallen auf die Wirtschaftswissenschaften 12 und die Sozialwissen- schaften 13. Für die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät sind in dieser Phase zunächst nur 71 Professuren anstelle von bisher 85 vorgesehen; davon entfallen auf die Mathematik 13, Informatik 7, Physik 11, Chemie 10, Biologie/Biochemie 15, Ernährungswissenschaften 4, Geographie/Geoökologie 5, Geowissenschaften 4 und die Sportmedizin 2 Professuren. Eine weitere Professur ist für die fächerübergreifende Umweltwissenschaft eingeplant. Bezüglich einer weiteren Konkretisierung bleiben selbstverständlich die Ergebnisse der Evaluierung dieser Fakultät durch den Wissenschaftsrat abzuwarten. Hg.
IN TIEFER SORGE UBER DIE SICH ABZEICHNENDE GEFAHR
Haushaltslage erforderte Sonderversammlung der Mitglieder von Konzil und Senat
Die Universität Potsdam hat sich in Anbetracht der mageren Finanzlage des Landes Brandenburg bisher stets konstruktiv an dem Prozeß der zeitlichen Streckung ihres Ausbaus beteiligt. Ihr Senat hat sogar einstimmig strukturelle Veränderungen mitgetragen, gemäß der die für das Jahr 2000 festgesetzte Professorenzahl von ursprünglich 262 auf mittlerweile nur noch 209 abgesenkt werden sollen. Doch ist damit auch die Schmerzgrenze erreicht: Mit knapp 10.000 immatrikulierten Studierenden sehen sich die Mitglieder von Konzil und Senat nicht mehr in der Lage, immer neue Einsparvorgaben zu erfüllen. Sie trafen sich deshalb am 5. Dezember 1996 auf einer Sonderversammlung und beauftragten die Universitätsleitung, die dabei gefaßte Resolution an das branden- burgische Parlament, die Regierung und die Öffentlichkeit weiterzuleiten und Widerstand gegen weitergehende Haushaltspläne zu leisten.
Aktueller Hintergrund für diese Resolution waren der für den 11. Dezember 1996 anstehende Beschluß des Landtages über den Haushalt 1997 und die im Zuge dessen vorgesehenen Beratungen über die Mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahr 2000. So beinhalten Entwürfe der Mittelfristigen Finanzplanung für die im Aufbau befindlichen wissenschaftlichen Hochschulen des Landes verheerende und überproportionale Kürzungen. Wenn sie in der vorliegenden Form Gesetz würden, müßten die Hochschulen im Jahre 2000 mit 63,4 Millionen DM oder 11,2 Prozent weniger Haushaltsmitteln auskommen (gemessen
an der ihnen im Jahre 1996 zugeteilten Summe von insgesamt 567,9 Millionen DM). Da sich Brandenburg jedoch schon jetzt mit 265 DM pro Jahr und Kopf durch die niedrigsten Wissenschaftsausgaben der ganzen Republik auszeichnet, würde ein solcher Aderlaß nicht nur den weiteren, bereits stark verzögerten Aufbau der jungen Hochschulen beenden. Er stellte auch den erreichten Stand grundsätzlich in Frage, d.h. nicht mehr nur einzelne Studiengänge, sondern die Hochschulen selbst zur Disposition.
Die Mitglieder des Konzils und des Senats appellierten deshalb gemeinsam an
die Landesregierung, die Ansätze des Haushaltsentwurfs 1997 und der Mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2000 für die wissenschaftlichen Hochschulen zu korrigieren. Sie appellierten an den Landtag, die Vorlagen der Landesregierung notfalls abzulehnen und in der Frage der Hochschulfinanzierung grundlegend umzusteuern. Sie wiesen eindrücklich darauf hin, daß die vorliegenden Entwürfe dem Umstand, daß Bildung und Wissenschaft für das an Ressourcen arme Land Brandenburg die wichtigsten „Zukunftsrohstoffe'' bilden, keinerlei Rechnung tragen würden. „Sie setzen mit der Qualität wissenschaftlicher Forschung und Lehre die Voraussetzung technischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Fortschritts aufs Spiel und verletzen das Recht der jungen Generation auf eine optimale berufliche Ausbildung", erklärten die Konzils- und Senatsmitglieder und forderten: „Eine Reduzierung der Mittel unter den gegenwärtigen Stand darf es im Interesse der Zukunft unseres Landes nicht geben."
Hg.
PUTZ 1/97
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