Heft 
(1.1.2019) 01
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VON UNGLEICHHEIT UND HETEROGENITÄT

Professor Dr. Uwe Engel hielt seine Antrittsvorlesung

Prof. Dr. Uwe Engel. Foto: Tribukeit

In diesem Winterse­mester hielt Prof. Dr. Uwe Engel seine An­trittsvorlesung bei der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftli­chen Fakultät der Universität Potsdam über Ungleichheit und Heterogenität, über Akteure, sozia­le Systeme und Er­klärungen sozialen Verhaltens. Uwe Engel ist der jüngste Professor an der Wirt­schafts- und Sozialwissenschaftlichen Fa­kultät. Gleichwohl kann er auf eine Reihe überragender wissenschaftlicher Arbeiten zurückblicken. Nach dem Studium der Er­ziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie in Hannover betrieb Prof. Dr. Engel Studien zu Arbeit, Beruf und Bil­dung, bis er Mitte 1989 zur Datenanalyse promovierte. Ferner leitete er an der Uni­versität Bielefeld als wissenschaftlicher Mitarbeiter Projekte im Bereich von Prä­vention und Intervention im Kindes- und Jugendalter und befaßte sich an der Uni­versität Duisburg mit der Risikowahr­nehmungsanalyse. Nach seiner Habilitati­on über riskante Lebensverhältnisse nahm Prof. Dr. Engel eine kurze Professur in Chemnitz wahr, bevor er im Februar 1995 an die Universität Potsdam wechselte.

In Potsdam befaßt sich Uwe Engel mit der Umweltverhaltensforschung, insbesondere mit Voraussetzungen und Steuerbarkeit von Umweltverhalten. Mit diesem Thema be­schäftigte sich auch die Antrittsvorlesung, in der Prof. Dr. Engel zunächst die Pros und Contras des Mehrebenenansatzes diskutier­te. Bei aller Sympathie für individualistische Verhaltenserklärungen oder rem psychologi­sche Verhaltenserklärungen sei zu berück­sichtigen, daß Verhalten nicht nur zweck­rational sein müsse, sondern sich auch an Werten orientieren könne. Nach der Lazars- feld-Menzel-Typologie neigten Menschen zu Gruppenbildung verschiedenster Art, wobei es unerheblich sei, wie die konkrete Aggre­gation vorgenommen werde. Vielmehr kom­me es darauf an, daß Mitglieder individuel­le und gemeinschaftliche Eigenschaften hätten. Somit fielen auch Ungleichheit und Heterogenität unter diese Merkmale der Lazarsfeld-Menzel-Typologie. Grundarbeitsmittel der Soziologie sei daher nach wie vor eine mehr oder minder ge­schickte Vergleichsbildung, etwa eine Eintei­lung in Klassen, Schichten, Konfessionen, Berufe oder ähnliches. Dabei würden aller­dings implizit diejenigen Aspekte vernach­

lässigt, die sich nicht im Rahmen einer die­ser Vergleichsgrößen darstellen ließen. Hier­in liege das Risiko. Eine Eigenschaft, die auf einer Aggregatebene liegt, könne eventuell nicht auf eine Verhaltensweise folgern las­sen. So könne allem die Tatsache, in einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit zu leben, zu bestimmten Schlüssen, beziehungsweise Wahlverhalten, veranlassen, auch ohne daß der Schließende selbst arbeitslos sei. Umgekehrt könne auch nicht von einem be­stimmten Struktureinfluß auf einen Aggre­gateinfluß geschlossen werden. Struktur­effekte seien nicht nur Erwerbseffekte. Ar­beitslosigkeit etwa besitze als Struktur- variable im Haushalt und im Individual­verhalten nur wenig Auswirkung, auf der Aggregatebene aber dafür umso mehr. Schließlich könne ein und dieselbe Bedin­gung unterschiedliche Makroreaktionen hervorrufen, wobei nicht nur die Bedingung selbst, sondern auch die Häufigkeit einer Bedingung innerhalb einer Gesellschaft aus­schlaggebend sei.

In diesem Zusammenhang befaßte sich der Vortrag mit Galtung und der Theorie des sogenannten Cnss-cross. Danach steige die Kluft in einer Gesellschaft in dem Maße, in dem tiefe Konflikte aufemanderfallen. Sofern sich Konflikte jedoch überlagern, sei die Wahrscheinlichkeit einer Verbindung größer. Durch das wechselseitige Koalitionsver­halten komme es dazu, daß der Gegner von heute der Verbündete von morgen sei. Grup­pen- und Klassenunterschiede würden somit konsolidiert. Gleichwohl könne Cnss-cross nicht stellvertretend für alle Theonen stehen. Schließlich stellte Prof. Dr. Engel die These auf, Strukturmerkmale könnten nur dann Wirkung entfalten, wenn sie sich auf die Lebenswirklichkeit von Menschen nieder­schlügen. Da beispielsweise Wohlhabende und Arme einer Gesellschaft an verschiede­nen Orten lebten, träfen sie einander nur selten. Also seien ihre Lebenswirklichkeiten getrennt und Strukturmerkmale entfalteten sich nur in einer Gruppe. Analyse allein ge­nüge daher nicht. Vielmehr sei eine Untersu­chung der Struktureinflüsse nötig. Beobach­tet werden müsse also, wo Menschen arbei­teten, lebten, zur Schule gingen.

Bezüglich der Umwelt wurde zunächst de­ren Besonderheit hervorgehoben, daß nie­mand von ihrer Nutzung als Kollektivgut aus­geschlossen werden könne. Umweltverhal­tensforschung schließlich befasse sich ins­besondere mit den Bedingungen, unter denen Menschen bereit seien, Einschrän­kungen in bezug auf die Umwelt auf sich zu nehmen. Leider sei hier festzustellen, daß sich Akteure Moral nur solange leisteten, wie sie nicht allzuviel koste. Thilo Seelbach

WBL-JAHRESTAGUNG IN POTSDAM

Man muß gleich anfangs das Werk der Wis­senschaft auf Nutzen richten, sonst wird die Regierung ihre Hand zurückziehen; denn reale Mimstri werden unnützer Curiositäten bald überdrüssig und rathen keinem großen Fürsten, viel Staat damit zu machen.' 1 , zitier­te Prof. Dr. Ingolf Hertel, Präsident der Wis­senschaftsgemeinschaft Blaue Liste (WBL), auf der Jahrestagung der Gemeinschaft an der Universität Potsdam im November '96 Gottfried Wilhelm Leibnitz. Er bezog sich damit auf die Firage, ob der Blauen Liste nicht ein anderer Name besser stünde, und deu­tete gleichzeitig die schwierige Situation der momentan 76 Mitgliedsinstitute an: Diese werden derzeit durch den Wissenschaftsrat evaluiert, für 15 Institute liegen bereits Beur­teilungen vor: Fünf von ihnen erhielten eine rote, drei einegelbe Karte".

Da das Gesamtvolumen der staatlichen Fi­nanzierung von 1,3 Milliarden DM erhalten werden soll, können bei einem Ausscheiden einzelner Institute aus der Förderung (aber nur dann) andere nachrücken. Derzeit ste­hen 15 vom Wissenschaftsrat zur Aufnahme empfohlene Institute auf der Warteliste. Hertel begriff die Evalierung als Chance: Unser aller gemeinsames, vordringliches Anliegen muß sein, daß die WBL als Ganze durch das Bewertungsverfahren des Wis­senschaftsrats deutlich an Qualität und Pro­fil gewinnt." Er rief die einzelnen Institute zur Solidarität innerhalb der Gemeinschaft auf, da die WBL angesichts der schwierigen Zei­ten nur als Gesamtsystem überleben könne. Tägungsthema war außerdem die volle Öff­nung für Förderungen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Bisher be­willigt die DFG überwiegend Anträge, die nicht zum Hauptarbeitsgebiet der Institute gehören - nur 1,8 Prozent der Mittel wurden auf diese Weise eingeworben. Die Vereinba­rung zwischen WBL und DFG hat auch ihren Preis: Fünf Prozent der finanziellen Grund­ausstattung sollen an die DFG abgeführt werden. Angesichts von nur 15 Prozent nicht personengebundener Mittel im Gesamt­haushalt der WBL ein stolzer Preis. ade

Dr. Winfried Benz, Generalsekretär des Wissen­schaftsrates. Foto: Tribukeit

PUTZ 1/97

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