Heft 
(1.1.2019) 01
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CAMPUS

GELUNGENE ITALIENISCHE WOCHE IN BRANDENBURG

Institut für Romanistik organisierte das literarische Programm

Im November des vergangenen Jahres hat man in Brandenburg Italienisch gesprochen: Italienische Künstler waren hier zu Gast, um verschiedenste Aspekte der Kultur ihres Landes vorzustellen. Von Cottbus bis Neuruppin, von Ttemplin bis Rathenow, überall waren die Potsdamer Italianistikstudenten als Mittler zwischen den Künstlern und dem brandenburgischen Publikum unermüdlich tätig. Aber die Beteiligung der Universität Potsdam an dieserItalienischen Woche erschöpfte sich nicht in der Stellung der Dol­metscher. Das Institut für Romanistik hatte auch das literarische Programm organisiert, das sich als großer Erfolg erwies. Die feministische Schriftstellerin Dacia Maraini zeigte sich überrascht vom großen Interesse, das das deutsche Lesepublikum der zeitgenös­sischen italienischen Literatur entgegenbringt. Genauso konnten sich Daniele Del Giudice, einer der bedeutendsten Vertreter der jüngeren Schriftstellergeneration, und sein Kollege Mario Fortunato über eine engagierte Zuhörerschaft freuen.

Zwei Beiträge kamen aus dem eigenen Hau­se: Die unter Italiens FVeunden wohlbekann­te und geschätzte ZeitschriftZibaldone wurde von der Herausgeberin Prof. Dr. He­lene Harth und dem Redakteur Albrecht Buschmann aus dem Institut für Romanistik vorgestellt. Professor Harth hielt überdies einen Vortrag, in dem sie anhand einiger Schlüsselfiguren wie Carlo Levi, Pier Fäolo Füsolini und vor allem Italo Calvino die Ent­wicklung der italienischen Literatur der Nachknegszeit aus deutscher Sicht skizzier­te. Dem zahlreich erschienenen fachkundi­gen Publikum gab sie einen kritischen Ein­blick in die komplexe und nicht unumstntte- ne Rolle der Schriftsteller in der sich schnell wandelnden italienischen Gesellschaft. Be­sonders spannend war der Vergleich zwi­schen der italienischen und der deutschen Perzeption dieser Entwicklung, so zum Bei­spiel die Faszination, die der Neorealismus in Deutschland durch das Bild eines archai­schen Italiens ausübte, während er in Italien vornehmlich als engagierte Literatur galt. So verfolgten die deutschen Leser mit Bedau­ern die Distanzierung der italienischen Au­toren von der Politik Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre und ihre Annäherung an die europäische und amerikanische Avantgar­de, weil in Deutschland der Neorealismus schon zum Markenzeichen Italiens gewor­den war, während viele der italienischen Kri­tiker die Entfernung vom Engagement eher aus moralischen und politischen Gründen tadelten,

Am Beispiel des Erzählwerks von Italo Calvino zeigte Helene Harth, wie das Oszil­lieren zwischen sozialkritischem Realismus und ästhetischer Innovation keineswegs chronologisch zu verstehen ist, sondern als permanente Polarität, die die italienische Literatur der Nachkriegszeit prägt, Sie stell­te Calvino jedoch noch unter einem ganz neuen Gesichtspunkt vor, und zwar als frü­hen Vertreter des intermedialen Diskurses in der Literatur. In seinem Spätwerk zeigte sie Beispiele einer Auseinandersetzung mit den neuen Bildwelten der Massenmedien, eine Tfendenz, die erst Umberto Eco und andere

jüngere Autoren verfolgt haben, und zwar auf einem Niveau, wie man es sonst nur in der amenkanischen Postmoderne kennt. Von der Italia arcaica e semplice" also zur Heimat der literarischen Intermedialität? Helene Harth wollte dazu keine Prognose stellen. Quo vadis, Italia? Auch Jens Petersen, Leiter des Deutschen Historischen Instituts in Rom, verweigerte in seinen beiden hochaktuellen Beiträgen jede Vorhersage. In einem Vortrag stellte er die teilweise überraschenden Re­aktionen der italienischen Presse auf die deutscheWende zur Diskussion. Nach 1945 hatten sich die italienischen Linksintel­lektuellen eher mit der DDR als mit der Bun­desrepublik identifiziert, weil sie in der DDR eine Garantin des Antifaschismus sahen. Infolgedessen befürworteten sie die Tfeilung Deutschlands nicht nur als gerechte Strafe für die Kriegsverbrechen, sondern auch als Sicherungsmaßnahme für den europäischen Frieden. Trotzdem reagierten auch sie zu­nächst auf den Mauerfall mit Freude und Begeisterung. Dennoch: Ihr Vertrauen in das neue Deutschland war nicht frei von Ängsten und Skepsis. Petersen sprach von zweierlei Reaktionen der Italiener:Ja, aber und Nein, jedoch". Die Bedenken erwüchsen nicht nur aus der Erinnerung an die Vergan­genheit, sondern auch aus der Angst, ein zu mächtiges Deutschland könnte ein Hinder­nis für Europa sein und die wirtschaftliche Deklassierung Italiens nach sich ziehen. Bedenklich erschien Petersen allerdings in der italienischen Presse eine einseitige Aus­wahl der deutschen Stimmen, die diesen Ängsten entsprechen. Abschließend erinner­te er an zahlreiche neonazistische Zwischen­fälle nach der Wende, die die Hoffnungen von 1990 in Frage stellten und die Befürch­tungen der Italiener bestätigten.

Die Frage nach der Aktualität des italieni­schen Neofaschismus hingegen, die in der lebhaften Diskussion zum Vortrag gestellt wurde, war auch Gegenstand einer Lesung, mit der Jens Petersen sein BuchQuo vadis, Italia vorstellte. Dann sucht er die Gründe der aktuellen Knse in der problematischen Geschichte Italiens seit der Einigung und

spannt den Bogen bis hin zur Auflösung des alten Färteiensystems und den neuen Grup­pierungen von Bossi, Firn und Berlusconi. Die politischen Umbrüche seit der Veröffent­lichung im letzten Jahr haben Jens Petersen jedoch bereits zu einer Überarbeitung sei­nes Buches veranlaßt. Olga Cerrato

ZEITSCHRIFTZIBALDONE" VORGESTELLT

In der ersten Novemberwoche des vergange­nen Jahres stand Brandenburg im Zeichen der italienischen Kultur, die m unzähligen Konzerten, Theater au fführungen, Filmabenden und Lesun­gen präsentiert wurde. Auch die Universität Pots-dam war an der Organisation und Durch­führungbeteiligt. Studierende der Italiamstikbe­treuten die angereisten Künstler und Künstler­gruppen und ermöglichten durch ihr Engage­ment den reibungslosen Ablauf der Veranstal­tungen vor Ort; hochmotiviert für ihr weiteres Studium kehrten sie von dieser besonders inten­siven Begegnung mit dem lebendigen Italien zurück.

Die Mitarbeiter des Instituts für Romanistik gestalteten eine Woche lang jeden Abend ein literarisches und wissenschaftliches Programm. An einem dieser Abende stellte Prof. Dr. Helene Harth, Prorektorin der Universität (Bild), ge­meinsam mit dem Redakteur Albrecht Busch­mann die von ihr herausgegebene Zeitschrift für italienische GegenwartskulturZibaldone" vor. lolanda da Forno, Franco Sepe und Sabine Zangenfeind präsentierten in zweisprachigen Lesungen namhafte Schriftsteller wie Dacia Maraini, Daniele del Giudice und Mario Fortu­nato. TYotz der Konkurrenz mit all den anderen attraktiven Programmpunkten der italienischen Kulturwoche waren die Veranstaltungen desfn- stituts für Romanistik sehr gut besucht, bis zu 80 Zuhörer kamen zu den Lesungen. Die italieni­sche Literatur ist in Potsdam also heimisch ge­worden und findet ihr Publikum. Was die Mitar­beiter des Instituts bestärkt, weiterhin nicht nur m der Universität, sondern auch in der Stadt ihre Kulturen lebendig zu präsentieren.

Abrecht Buschmann/Foto: Fbitze

PUTZ 1/97

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