Heft 
(1.1.2019) 01
Einzelbild herunterladen

CAMPUS

ERZIEHUNGSREFORM UND GESELLSCHAFTSINITIATIVE

Bildungshistorisches Kolloquium zum Wirken von Ludwig Natorp und Wilhelm von Türk

Das Wirken der beiden preußischen Bildungsreformer Ludwig Natorp (1774- 1846) und Wilhelm von Türk (1774-1846) stand vor wenigen Wochen im Mittelpunkt einer Thgung an der Universität Potsdam. Initiiert hatte sie der an der brandenburgi- schen Alma mater die Professur Histori­sche Pädagogik innehabende Dr.Hanno Schmitt in Zusammenarbeit mit der For­schungsstelle für Berlin-Brandenburgi- sche Bildungsgeschichte. Den Anlaß für jene Veranstaltung bot die in diesem Jahr 150jährige Wiederkehr des Tbdestages beider in ihrer Zeit zentralen, von der bil­dungshistorischen Forschung bislang zu Unrecht vernachlässigten Pädagogen.

Die Vorträge stellten das bildungspolitische und pädagogische Wirken beider Schulräte nicht nur in ihrer Potsdamer Amtszeit zur Diskussion. Vielmehr wurde versucht, die konkreten Initiativen beider Bildungsexper­ten im Kontext von Erziehungsreform und Gesellschaftsinitiative zu verorten. Denn in den Aktivitäten von Natorp und Türk bündeln sich zentrale Fragestellungen der Bildungs- geschichte der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts, einer Zeit, die durch eine tiefgreifen­de Segmentierung und Differenzierung der Gesellschaft geprägt war.

Ludwig Natorp (1774-1846) Abb.: zg.

Natorp war unter den preußischen Refor­mern zweifellos der anerkannte Experte für Fragen des Volksschulwesens. Als Berater derSektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts und Schulrat der kurmärki­schen Regierung in Potsdam leitete er eine umfassende Schulreform in der Regierungs­hauptstadt Potsdam ein. So entstand unter anderem ein Elementarschulnetz mit Vor­bildfunktion. Überliefertes statistisches Ma- tenal aus dem Regierungsbezirk Potsdam belegt, daß in der kurzen Zeit von 1808 bis 1827 zum Beispiel 352 neue Schulgebäude

ernchtet wurden und immerhin 83 Prozent der Lehrer Einkommensverbesserungen verbuchen konnten. Diese Verbesserungen der äußeren Rahmenbedingungen des Schulwesens wurden parallel durch innere Reformen ergänzt. Natorps Name ist auch mit dem Plan eines Schullehrerseminars vebunden, das 1817 von seinem Nachfolger Wilhelm von Türk eröffnet wurde. Damit leg­ten beide ein grundlegendes Konzept vor, das der histonschen Gesamtentwicklung weit vorausgriff: anders als in den westlichen Industriestaaten ging in Deutschland die Bildungsrevolution der politischen und indu­striellen Revolution voran. Natorp bemühte sich undogmatisch um den Vorrang der Selbstreflexivität vor einem statischen Buch­wissen in der Lehrerbildung. Auch sein spielender Unterricht" sollte nicht Härte und Anforderungen wegnehmen, sondern den einzelnen motivieren, sich mitLeiden­schaft bis zur Vollendung der Aufgabe durchzubeißen. Diese Kriterien sind für ihn Ausdruck einerAllgemeinen Bildung. Türk führte die von Natorp begonnenen Re­formen weiter, mußte jedoch auch bald die Grenzen seiner Wirkungsmöglichkeiten als Schulrat erkennen. Neben diesen bildungs- reformerischen Initiativen ist das Lebens-

Prof. Schneider (Potsdam) führte in seinem einleitenden Vortrag aus, daß der Wittgen- steinsche Sprachspielbegriff in zwei ver­schiedene Richtungen hin entwickelt wer­den kann. Einerseits ist es möglich, den Regelcharakter jedes Sprachspiels zu beto­nen. In diesem Fall erscheint jedes Sprach- spiel als eine in sich abgeschlossene Ord­nung, die nicht unbedingt offen ist für sprachliche Innovation oder Beziehungen zu anderen Sprachspielen. Andererseits kann man das Spielerische am Sprachspiel hervorheben. Dann tritt das kreative Ele­ment sprachlicher Kompetenz in den Vor­dergrund, das beispielsweise in neuen Mataphern zum Ausdruck kommt. Der

Wilhelm v. Türk (1774-1846) Jibb.: zg.

'* ;

werk des Potsdamer Ehrenbürgers Türk mit zahlreichen sozialreformerischen Projekten verbunden. So versuchte er unter anderem, durch eine professionelle Intensivierung des Seidenbaus die wirtschaftliche Lage der brandenburgischen Landschullehrer zu ver­bessern. Überlieferte Zahlen belegen ein­drucksvoll den Erfolg dieser heute fremd wirkenden Initiative.

Jörg-W. Link/Hank Tosch

Workshop stellte sich die Aufgabe, das Ver­hältnis zwischen diesen beiden Aspekten von Sprachspielen in mterpretativer und kri­tischer Auseinandersetzung mit Wittgen­stein zu erläutern.

Dabei ist Wittgensteins sogenanntes Regel­paradox von zentraler Bedeutung. Das Para­dox besteht dann, daß eine Regel keine Handlungen leiten kann, da jede Handlungs­weise mit der angegebenen Regel in Über­einstimmung gebracht werden kann: Um die Regel mit einer beliebigen Handlungsweise in Übereinstimmung zu bringen, muß die Regel bloß auf die passende Weise gedeu­tet werden. Wittgenstein löst dieses Paradox, indem er darauf besteht, daß das Handeln

PUTZ 1/97

DIE ORDNUtö$£N UND DAS OFFENE

Internationaler Workshop zu Wittgensteins Sprachphilosophie

Das Fhihwerk Ludwig Wittgensteins kann als großartiger Versuch verstanden werden, die Logik der Sprache ein für allemal offenzulegen. Doch die Idee einer Universallogik kritisiert Wittgenstein in seinem Spätwerk heftig und ersetzt sie durch die Auffassung, daß Sprache aus vielen Sprachspielen besteht, die alle ihrer eigenenGrammatik fol­gen. Es gibt nicht die eine Ordnung, die allen Sprachen zugrunde liegt, sondern viele verschiedene. Dieser Gedanke war Ausgangspunkt eines Workshops Ende November am Potsdamer Einstein Forum unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Hans Julius Schneider und Dr. Matthias Kroß. Die Thgung wurde vom Einstein Forum und dem Institut für Philosophie der Universität Potsdam veranstaltet. Es sprachen Wittgenstein­forscher aus dem deutschsprachigen Raum, aus Großbritannien, Frankreich und den USA zum ThemaZur Sprache kommen. Die Ordnungen und das Offene nach Wittgenstein.

Seite 18