Heft 
(1.1.2019) 01
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CAMPUS

BRANDENBURGER ELTERN WÜNSCHEN SICH HEUTE DURCHSETZUNGSFÄHIGE KINDER

Die Kindertagesbetreuung befindet sich im Wandel - Tagung an der Uni Potsdam

Vor sieben Jahren begann mit der,Wende in der damaligen DDR ein gesellschaftli­cher Wandel mit ungeahnten Folgen - ge­rade auch für die Kindertagesbetreuung. Verbunden mit den neuen Chancen und Fteiräumen, aber auch durch den Wegfall alter Sicherheiten hat sich das generative Verhalten einschneidend verändert: In der Folge ging die Zahl der betreuten Kinder im Land Brandenburg im Vergleich zu 1989 bei Krippenkindern auf ein Fünftel und bei Kindergartenkindem auf ein Drittel zurück. Die enormen Strukturveränderungen im Zusammenhang mit der Schließung und Zusammenführung von Einrichtungen für Kinder verschiedener Altersgruppen, der Aufbau einer pluralistischen Trägerstruk­tur, neue finanzielle und arbeitsorgani­satorische Rahmenbedingungen kenn­zeichnen eine - die strukturelle - Seite der Veränderungsprozesse der letzten Jahre.

Statt ehemals 4600 gibt es nunmehr nur noch 2571 Kinderbetreuungseinrichtungen im Land Brandenburg, der Anteil freier Träger stieg von fünf auf 13 Prozent, und in etwa zwei Drittel der Einrichtungen wird inzwi­schen eine altersübergreifende Betreu­ungsform praktiziert. Verändert haben sich aber darüber hinaus - forciert durch eine kri­tische Auseinandersetzung mit der Krippen- und Kindergartenpraxis in der DDR - auch die Ansprüche der Eltern an die Kinder­tagesbetreuung.

Eltern haben andere Erziehungsziele

Veränderungen in der Kindertagesbetreu­ung wurden vom Institut für angewändte Fa­milien-, Kindheits- und Jugendforschung (IFK) - einem An-Institut der Universität Pots­dam - in zwei Studien untersucht: die eine, im Auftrag des Landesjugendamtes Bran­denburg, bezog sich auf die Förderung einer pluralistischen Ttägerlandschaft; die ande­re war Bestandteil einer vom Bundesministe­rium für Bildung und Wissenschaft geförder­ten Drei-Länderstudie zu den Bedingungen und Erwartungen an die Kindertagesbetreu­ung aus verschiedenen Perspektiven. Mehr als 100 Vertreter aus Praxis und Verwaltung sind der Einladung des IFK zu einem Workshop Ende November 1996 an der Uni­versität Potsdam gefolgt, auf Grundlage der Ergebnisse dieser Studien nicht nur gemein­sam Bilanz zu ziehen, sondern auch einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen zu wagen. Vertreter der an der Drei-Länderstudie beteiligten Institu­tionen - Dr. Rainer Strätz vom Sozialpädago­gischen Institut des Landes Nordrhein-West­

falen und Dr. Martin R. Tfextor vom Staats­institut für Frühpädagogik in München - ha­ben in ihren Referaten zum ThemaAlters­mischung bzw.Elternarbeit interessante Ansatzpunkte für die Diskussion in den Ar­beitskreisen gegeben.

Soziale Anpassung istout"

Von den Untersuchungsbefunden, die der Direktor des IFK, Dr. Dietmar Sturzbecher, in seinem Referat hervorhob, seien nur einige herausgegriffen. Brandenburger Eltern, von denen mehr als die Hälfte einen Bruch in ih­rer Berufskarriere erfahren haben, sich eine neue Stelle oder gar eine andere berufliche Tätigkeit suchen mußten, favorisieren auf In­dividualität und Lebenserfolg ausgerichtete Erziehungsziele; sie wünschen sich vor al­lem durchsetzungsfähige und kntische Kin­der mit Eigeninitiative. Erzieherinnen hinge­gen legen weit mehr Wert auf solche sozia­len Kompetenzen, wieRücksicht nehmen, sich vertragen undRespekt haben; sie schätzen offensichtlich aus ihrem professio­nellen Selbstverständnis heraus die Förde­rung von Eigenschaften und Fähigkeiten, sich sozial kompetent zu verhalten, als wich­tiger ein. Soziale Anpassung, wie sie sich in Gehorsamkeit, Beliebtheit und Zurückhal­tung zeigt, rangiert sowohl bei den Eltern als auch bei den Erzieherinnen auf dem letzten Platz.

Ungeachtet einiger Unterschiede bei den Erziehungszielen sind Eltern, die nach der Wende viele Neuerungen bis hin zu neuen Trägerformen und Konzepten ausgelöst haben, überwie­gend mit den Veränderungen m der Kindertagesbetreuung zu­frieden. Und auch die Arbeitszu­friedenheit der Leiterinnen und Er­zieherinnen ist in Brandenburg er­staunlich hoch, wie ein Vergleich mit den Untersuchungsergebnissen in Bayern und Nordrhein-Westfalen zeigt. Fast zwei Drittel der Erziehe­rinnen und mehr als die Hälfte der Leiterinnen wollen längerfristig ihre Tätigkeit ausüben, haben Freude an der Arbeit und sind zufrieden mit den nunmehr gegebenen Möglichkeiten, eigene Ideen zu verwirklichen.

Eine politische Lobby wäre vonnöten

Künftig - so ein Fazit der Veranstaltung - wird es verstärkt um die Sicherung und Verbes­serung pädagogischer Standards gehen müssen. Angesichts leerer Haushaltskassen braucht Kindertagesbetreuung eine politi­

sche Lobby, müssen insbesondere auch die Eltern dafür sensibilisiert werden, sich auf kommunaler Ebene für die Sicherung von Qualitätsstandards in der Kindertagesbe­treuung einzusetzen. Nötig ist darüber hin­aus, nachdem sich die Diskussion bislang weitgehend auf strukturelle Bedingungen beschränkte, eine Debatte über künftige In­halte der Elementarerziehung zu führen. Darauf verwies in der Podiumsdiskussion insbesondere Ministerialrat Dr. Hans Her­bert Wühelmi vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft mit Hinblick auf die Umweltproblematik. Der begonnene Dialog zwischen Praxis und Forschung über die Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit im Elementarbereich wird - so der Veranstalter - dank der weiteren Unterstüt­zung durch das Bundesministerium für Bil­dung und Wissenschaft auf einer Fachta­gung Mitte des Jahres 1997 fortgesetzt.

Das BuchKindertagesbetreuung in Bran­denburg. Erwartungen, Bedingungen und Chancen kann für 37 DM, die StudieFreie Trägerschaft in der Kindertagesbetreuung: Probleme, Tfendenzen und Perspektiven" für 15 DM zuzüglich Portokosten beim Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Pots­dam, Burgwall 15, 16727 Vehlefanz, bestellt werden. Heidrun Großmann

Für Erzieherinnen sind soziale Kompetenzen immer noch am wichtigsten - die Eltern hingegen setzen verstärkt auf Kritikfähigkeit und Durchsetzungskraft. Äbb.: IFK

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PUTZ 1/97