TITEL
BEISPIELLOSES HICK-HACK UM DIE NEUE ZENTRALBIBLIOTHEK
DER UNIVERSITÄT POTSDAM
Der nach jahrelangem Tauziehen gefundene Konsens scheint grundlos in Frage gestellt zu werden - Lichtstreifen am Horizont?
Hat allen Grund zur Freude: die junge Berliner Architektin Sabine Waldmann, deren Entwurf von der Jury als bester auserkoren wurde. ' Foto: Fritze
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Man könnte darüber lachen, wenn es nicht um eine für die gesamte Universität so wichtige Entscheidung ginge: den Neubau einer Bibliothekszentrale mit angegliederter Bereichsbibliothek für die Geisteswissenschaften. Die Planung dieses Neubaus - um von einem Baubeginn noch gar nicht zu reden - droht nämlich, eine unendliche Geschichte zu werden. Dabei hatte alles mit der Geburtsstunde der Universität im Jahre 1991 so schön begonnen...
Damals war es unstrittig gewesen, daß eine aufstrebende junge Hochschule - zumal die größte im Lande - eines zentralen Bibliotheksbaus als ihres wissenschaftlichen Herzstücks bedürfe. Der Wissenschaftsminister, Hinrich Enderlein, setzte sich denn auch mit Nachdruck für eine Idee ein, der selbst Kritiker einen gewissen Charme nicht absprechen konnten: den Wiederauf- und Umbau des ehemaligen Bahnhofs Kaiser Wilhelm II. zu einer modernen Bibliothek. Die Lage dieses sogenannten Kaiserbahnhofs schien günstig; bildete das Gebäude doch, von den öffentlichen Verkehrsverbindungen ausgehend, eine Art Eingangstor zu dem Hauptstandort der Universität Am Neuen Palais. Und war in Anbetracht der hohen Auflagen des Denkmalschutzes und der sensiblen Lage am Rande des Parkes von Sanssouci schließlich weit und breit kein privater Investor für das zum Ifeil schon ruinenhafte Gebäude in Sicht. Doch das Projekt schien zu teuer: Rund 70 Millionen DM waren dafür veranschlagt gewesen - dem Finanzminister Brandenburgs bei weitem zu viel für einen Bibliotheksbau.
Also hieß es, sich nach neuen Standortvarianten umzuschauen. Begleitet von einem neuen Wissenschaftsminister, Steffen Reiche, ging man das Verfahren zügig an - Und wurde fündig. Im Mai 1995 waren sich die Leitungsebenen der Universität Potsdam, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK), des Ministeriums für Finanzen, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und der Stadtverwaltung Potsdam einig, daß der zentrale Bibliotheksneubau der Hochschule auf dem Gelände des „T-l- Wohnheimes“ an der Kaiser-Friedrich-Stra- ße Am Neuen Frilais entstehen sollte. Wie aus dem MWFK unmittelbar danach verlautete, sei noch im Mai ein Planungsauftrag des Finanzministeriums an das Landesbauamt Potsdam ergangen. Als sich da
nach im Juli 1995 nach einer Vor-Ort-Bege- hung seiner Arbeitsgruppe Bibliotheken auch der Wissenschaftsrat positiv zu dem Standort äußerte und diesen akzeptierte, war die Erleichterung groß: Ein europaweiter Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben; zwar erst im April 1996, doch rechnete man immer noch mit einem baldigen Baubeginn.
Neue Unsicherheiten schleichen sich ein
Der wäre zwar dringender notwendig denn je. So sind die Studierendenzahlen der Universität Potsdam auf mittlerweile knapp 10.000 angestiegen, hat sich ihr Personalbestand erheblich erweitert, sind die meisten der konzipierten Fachgebiete nun auch vertreten. Doch scheinen die Konturen des Baus ihres Herzstücks - der zentralen Bibliothek - wiederum unklar geworden zu sein. Entzündet hat sich die neue Unsicherheit im Oktober 1996 kurz vor Bekanntgabe der Ergebnisse des Archtiktenwettbe- werbs, der den Steuerzahler bereits rund eine Million DM gekostet haben soll. Zu diesem Zeitpunkt erklärte nämlich der Vertreter der Stadtverwaltung in dem Preisgericht des Wettbewerbs, Stadtbaudirektor Richard Röhrbein, seinen Austritt aus dieser Jury. Als Grund dafür gab er an, von der Richtigkeit des Standortes nicht mehr überzeugt zu sein. Er fände es viel besser, die Universität - und das heißt hier ihre Bibliothek - in das Stadtzentrum zu holen.
Mit zu dem Röhrbeinschen Schwanken beigetragen haben kann möglicherweise eine kurz vorher stattgefundene Tägung der
UNESCO in Potsdam, auf der sich die Stadt massiver Kritik wegen diverser Baupläne und -projekte ausgesetzt gesehen hatte. Einer der kleineren Kritikpunkte war öffentlichen Verlautbarungen zufolge auch die Universität Am Neuen Fälais - was vor dem Hintergrund einer bereits seit längerem erfolgten Einigung mit der Spitze der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg als ein bereits von der Realität überholter Sachverhalt angesehen werden kann. Das half aber nichts: Zumindest der für die Universität Potsdam zuständige Wissenschaftsminister Reiche begann nun, „laut nachzudenken“ über den Bibliotheksstandort Am Neuen Mais. Flankiert wurde dieses Nachdenken sowohl bei Steffen Reiche als auch bei Richard Röhrbein immer von dem Wunsch, die Universität in die Stadtmitte zu holen. Und zwar möglichst in ein eventuell wieder aufzubauendes Stadtschloß oder ein anderes, an dessen früherem Standort zu erstellendes Gebäude, das dann eine Zentralbibliothek aus der Stadt- und Landesbibliothek, der Fachhochschule Potsdam, der Universität Potsdam und eventuell noch weiteren Bibliotheken enthalten sollte.
Nicht nur in Anbetracht der mageren Finanzlage der Stadt muß man kein Prophet sein, um zu ahnen, wie lange sich ein Entscheidungsprozeß um den Platz des früheren Stadtschlosses und dessen zukünftiger Bebauung noch hinziehen wird. Die Universität Potsdam dürfte dann jedenfalls schon nicht mehr zu den ganz jungen Hochschulen dieses Landes zählen. Fest steht demgegenüber, daß sie bereits in der Zwischen-
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