Heft 
(1.1.2019) 01
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KULTUR

GESCHICHTE UND GEGENWART EINER KULTURELLEN IDEE

Gärten in Brandenburg - Ausblick auf ein mögliches Forschungsfeld

Der englische Landschaftsgarten gehört zu den bedeutendsten Kunstleistungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Seit etwa zwanzig Jahren ist eine stetige Zunahme der inter­nationalen Forschungsaktivitäten zu verzeichnen, die seinen großen kulturgeschicht­lichen Beziehungsreichtum zu erhellen suchen. Für die Berlin-Potsdamer Park­landschaft, seit kurzem und hoffentlich noch lange auf der UNESCO-Liste des Welt­kulturerbes, bleibt hier viel nachzuholen, mehr noch für die anderen Landschaftsgärten und ländlichen Parks Brandenburgs - und nicht nur für die unbekannten, ja vergesse­nen Anlagen, sondern auch für die berühmten (etwa Rheinsberg, Wiepersdorf oder Branitz), insgesamt mehr als sechshundert.

Ansicht des Schlosses Rheinsberg mit Neptun­brücke, Radierung von J.C. Krüger nach C.F. Ekel 1773, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Repro: Günther

Von einer brandenburgischen Garten­geschichte, die den kulturgeschichtlichen Wurzeln und Verflechtungen, dem reichen Sinnpotential und der Ausstrahlung dieser Gesamtkunstwerke im Rahmen übergrei­fender Fragestellungen systematisch ge­recht zu werden sucht, kann bisher kaum gesprochen werden. Die Denkmalpflege muß sich verständlicherweise auf das ein­zelne Objekt konzentneren. Der Aufbau ei­ner solchen Forschung, die möglichst bald auch die ältere und jüngere Gartenkunst einzubeziehen hätte, sollte für das Land Brandenburg und die Universität Potsdam eine vordringliche Aufgabe sein. Auch an­dere Aspekte legen das nahe: die räumli­che Situation der Universität Potsdam in den Parks von Sanssouci und Babelsberg, die in Potsdam beheimatete Aufklärungs­forschung und - last not least - die Aussicht auf die Bundesgartenschau 2001.

Der Landschaftsgarten als Sinnträger eigenen Lebensverständnisses

Es käme darauf an, das charakteristische kulturelle Symbolmilieu zu rekonstruieren, also zu zeigen, wie die Selbstinszenierung des märkischen Adels und dessen Rezep­tion des europäischen Zeitgeists sich im motivischen Gehalt und den kulturellen Codes der Gärten aussprechen, in Macht­präsentation und Herrscherlob, in der Vor­stellungswelt antiker Mythologie mitsamt ihrer erotischen Dimension, in freimaure- rischen Ideen, Genieverehrung und Ruinenromantik, in den Gedankenkom­

plexen des Nationalen und Religiösen. Die sehr unbefangen experimentierende Be­mühung, den Landschaftsgarten zu einem Sinnträger des eigenen Natur-, Ge- schichts- und Lebensverständnisses zu machen, erstreckt sich auf buchstäblich alle Gestaltungselemente, von der Füh­rung der Wege, der Verwendung des Was­sers, der Modellierung des Höhenprofils und der Bepflanzung über Sichtschneisen, Kleinarchitekturen und Skulpturen bis hm zu den Inschriften, Spolien, Ruinen und technischen Spielereien. Es verdiente eine eingehende Untersuchung, wie das aus der Kultur des Reisens und Sammelns so­wie aus der Literatur der Aufklärung, Emp­findsamkeit und Romantik erwachsene Verständnis für die Sprachkraft von Natur­szenerien, geschichtlichen Relikten und fremdartigen Stilen ins gestalterisch Pro­duktive gewendet wird. Angesichts der gegenwärtigen Tendenzen zur Theatra- lisierung der Lebensstile und zur Visuali­sierung aller Erfahrung sowie der post­modernen Vorliebe für gestückelte Ge­schichtserinnerungen erscheint die se­mantische Vielfalt des Landschaftsgar­tens, seine Mischung von Emblem und Ex­pression, Allegorie und Symbol, assoziati­ver Stimmungshaftigkeit und bestimmte­ster Bedeutungsfestlegung, diese weit ausgreifende Suche nach immer neuen und überraschenden Bedeutungsrela- tionen als eminent modernes Phänomen.

Das Ensemble eines Landschafts­gartens wissenschaftlich darstellen

All dem ist einzig eine kultursemiotische Betrachtungsweise angemessen, wie sie bisher noch nicht auf den Landschafts­garten angewandt worden ist. Die immer wieder beklagte methodologische Verle­genheit, das vielgliedrige Ensemble eines Landschaftsgartens wissenschaftlich dar­zustellen, kann nur auf diese Weise über­wunden werden. Immerhin gehört zur Ver­knüpfung der Gartenwelt mit der Lebens­und Gedankenwelt des 18. und 19. Jahrhun­derts auch noch die Geschichte der Archi­tektur, der Gartenliteratur mit ihren über ganz Europa verbreiteten Stich- und Vor­lagenwerken sowie derästhetischen Bota­

nik, ein heutzutage verschollenes Fach, das im 20. Jahrhundert einzig in der Staudengärtnerei Karl Foersters in Bornim weiterlebte.

Unerläßlich ist auch der Blick auf jene Per­sönlichkeiten, deren Lebensleistung in der einen oder anderen Weise mit der Entwick­lung des Landschaftsgartens zusammen­hängt. Das gilt nicht nur für Peter Joseph Lenne und den Fürsten Hermann von Pückler-Muskau, sondern etwa auch für den bedeutenden Dendrologen Fritz Graf von Schwerin, den Schöpfer des einst un­gewöhnlich artenreichen Parks von Mär­kisch-Wilmersdorf, und für bisher kaum be­achtete Gartengestalter wie Joachim Hein­rich Fintelmann (Senzke und Kartzow) und Heinrich Buchacker (Neu Fahrland) oder die als Gartengestalter tätigen Grundher­ren Friedrich Wilhelm August von Briest (Nennhausen) und-Fnedrich Wilhelm von Arnim (Boitzenburg).

Vorgriff auf die Einheit von Mensch und Natur

Und schließlich muß die ökonomische Di­mension beachtet werden, die mit der eng­lischen Konzeption derornamented farm" einsetzt, um früh schon in die Idee der Landesverschönerung zu münden, jene Idee, die im Landschaftsgarten geboren wird, doch weit über ihn hinausweist: bis in

Park des Schlosses Steinhöfel, angelegt von Obermarschall von Massow 1790-1817 als Vorbild für königliche Gärten, Aquatinta nach Friedrich Gilly, Staatsbibliothek Berlin Karten­sammlung. Repro: Günther

die Gegenwart. So erweitert sich die Unter­suchung der brandenburgischen Land­schaftsgärten organisch zum Blick auf den Zusammenhang von Garten und Landes­kultur in Brandenburg überhaupt, auf eine aktuelle Fragestellung also, die ihrerseits erst so recht das utopische Moment hervor­hebt, das den alten Gärten und Färks jen­seits ihrer ursprünglichen Funktionen inne­wohnt, nämlich einen anschaulichen Vor­griff auf die Einheit von Mensch und Natur darzustellen.

Im Hinblick auf das praktisch Machbare kann es nur darum gehen, eine neue Form

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