CAMPUS
BANKBETRIEBLICHE STANDORTENTWICKLUNG
IM WANDEL
Zur Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Detlef Hummel
Vor einem breit gefächerten Publikum, bestehend aus Vertretern regionaler Banken, Kollegen und Studenten, sprach kürzlich Prof. Dr. Detlev Hummel in seiner Antrittsvorlesung zum Thema „Bankbetriebliche Standortentwicklung im strukturellen und technologischen Wandel“.
Die deutsche Bankenlandschaft, auf die sich der Hauptteil von Prof. Hümmels Ausführungen bezog, befindet sich nach seinen Ausführungen momentan in einem starken Wandel. Die Ursachen der Anfang der neunziger Jahre im internationalen Vergleich niedrigen Produktivität der deutschen Banken liege dabei in dem relativ hohen Personalbestand der Banken. Im Gegensatz zu den in den USA und in Japan schon in den achtziger Jahren vorgenommenen allmählichen Reduzierungen im Personalbestand hätten die Deutschen während der letzten Dekade um weitere 18 Prozent aufgestockt. Die recht niedrige Produktivität deutscher Banken äußere sich auch dann, daß die Wertentwicklung der Banken am Aktienmarkt deutlich schlechter verlief als der Durchschnitt aller Unternehmen, gemessen am Deutschen Äktiemndex (DAX). Angesichts einer zunehmenden Konkurrenz im europäischen Binnenmarkt würden sich die Banken neuen Herausforderungen gegenübergestellt sehen. Die Einführung des Euro bedeute nach Auffassung des Referenten für die Banken Ertragseinbußen von bis zu 30 Prozent im Devisenhandel und bei internationalen Geldtransfers. Von kritischer Relevanz seien daher die Erschließung neuer Ertragsfelder, beispielsweise mit Hilfe der neuen Medien wie Tele-, Home-, Discountbanking, und die Entwicklung qualitativer und quantitativer Modelle der effizienten Bankführung.
Als Marktführer in der deutschen Bankenlandschaft erwiesen sich die öffentlich-rechtlichen Institute (Sparkassen, Landesbanken) gemessen am (Spar-)Einlagenvolumen. Zweitgrößte Gruppe seien die privaten Kreditbanken, unter anderem die drei Großbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank, deren Marktanteil knapp 25 Prozent beträgt. Auch die Situation im Land Brandenburg kennzeichnete Hummel durch eine starke Stellung der Sparkassen. „So betrugen die Sichteinlagen der Brandenburger im III. Quartal 1996 etwa acht Mrd. DM und die Spareinlagen mehr als 13 Mrd. DM“. Aufgrund der angesprochenen Produkti- vitäts- und Ertragsschwäche im inländischen Kreditgeschäft und einem allgemeinen Trend hin zu schlanken Strukturen (Lean
Banking Strate- gy) müßte für alle Bankengruppen in nächster Zeit mit tendenziell sinkendem Personalbestand, allenfalls einem gleichbleibenden gerechnet werden. Auch die Qualifikationsanforderungen der Banken änderten sich. Vorbei scheinen die Zeiten des „Bankbeamten”. Stattdessen rekrutierten die Banken zunehmend z.B. auch Naturwissenschaftler wie Physiker und Mathematiker. Flexibilisierung der Arbeitszeiten, leistungsbezogene Entlohnung und permanente Lernbereitschaft seien nötig, um der intensiven Konkurrenz gerecht zu werden.
Hinsichtlich der Zweigstellendichte deutscher Banken stellte der Wirtschaftswissenschaftler fest, daß es sich im internationalen Vergleich mit 1.400 Einwohnern pro Bankstelle um eines der dichtesten Netze handele. Mit einer Ausdünnung des Zweigstellennetzes müsse jedoch in Zukunft gerechnet werden, teilweise hätte sie schon begonnen. Experten veranschlagten eine Reduktion der Zweigstellen um 30 Prozent bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts. Ein genereller Verzicht auf Zweigstellen zugunsten eines ausschließlichen Direktbankings sei aber aufgrund des Beratungsbedarfes vieler Bankdienstleistungen und damit verbundener Vorteile wie Crosselling-Mög- lichkeiten nicht zu befürchten.
Zwei Strategien erfolgreicher Fmanz- dienstleister verdeutlichte der Vortragende am Beispiel der Citibank, die mit einem kosteneffizienten Geschäftssystem und einfachen standardisierten Produkten ein Gewinnwachstum von 40 Prozent jährlich in den letzten Jahren erzielte, und dem Unternehmen MLR das mit überragender Beratungsqualität und einem Fokus auf höhere Einkommensgruppen ebenfalls eine hohe Gewinndynamik erreichte. Der Vortrag von Prof. Hummel endete mit einem Plädoyer für den Erhalt der Vielfalt in der deutschen Bankenlandschaft. Die Schließung von Filialen, obwohl momentan unvermeidbar, könne keine generelle Strategie für die Banken sein. Keinesfalls sollten Banken zu reinen Ttechnologiezentren „verkommen“, da nach wie vor die Beratung vom Kunden gewünscht und erforderlich sei.
Philip Steden/Birgit Minckert
Prof. Dr. Detlef Hummel
KEIN
ANTIQUARISCHER
GEGENSTAND
Christoph Schulte über den Begriff einer Wissenschaft des Judentums
Den guten Brauch, nach erfolgreicher Habilitation eine Vorlesung zu halten, nahm am 4. Februar 1997 Dr. Christoph Schulte auf. Der zum Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien gehörende und im Rahmen der Potsdamer Jüdischen Studien unterrichtende Wissenschaftler sprach zum Thema „Über den Begriff einer Wissenschaft des Judentums“. Er reflektierte damit grundlegende Fragen seines Fachgebietes und wollte erklärtermaßen auch den Studenten eine Orientierung geben. Er selbst be- zeichnete seine Überlegungen auch als einen Extrakt dessen, „was in den Jüdischen Studien in Potsdam passiert“.
Ausgangspunkt für Schulte bildete die Tät- sache, daß sich alle Erkenntnis über Begriffe vermittle. An Versuchen von Begriffsdefinitionen und Programmen sei bei einer 175 Jahre alten Wissenschaft natürlich kein Mangel. Schulte konzentrierte sich in seiner Vorlesung auf einen Text von Immanuel Wolf im allerersten Heft der „Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums" vom März 1822, der seiner Vorlesung den Namen gab und ihm heute noch als richtungweisend für die allgemeine Standortbestimmung der Wissenschaft des Judentums und auch der Jüdischen Studien gilt.
Schulte kennzeichnete die Wissenschaft des Judentums als ein Kind der Moderne, und zwar der jüdischen Aufklärung und der deutschen Romantik. Zwischen 1822 und 1933 habe diese Wissenschaft Weltgeltung erlangt. Deutsch sei ihre Sprache gewesen, und viele Studenten hätten extra Deutsch gelernt, um Bücher und Zeitschriften dieser Wissenschaft lesen zu können. Bereits hier kam eine Ahnung des Verlustes auf, den Deutschland auch in dieser Hinsicht durch den Nationalsozialismus erlitt und der den Wissenschaftsgegenstand auf immer verändern sollte. Berühmte Wissenschaftler fanden in Jerusalem und Nordamerika Exil, wo die Wissenschaft des Judentums unter anderem Namen und mit teils geänderten Konzepten weiter betrieben wird.
Schulte führte aus, daß die Wissenschaft vom Judentum in Israel erstmals die der Mehrheitsgesellschaft sei, während ihre Wiederaufnahme in Deutschland auch davon geprägt sei, daß sich ihr nichtjüdische Wissenschaftler zuwandten. Es dauerte allerdings bis in die sechziger Jahre, ehe es in der Bundesrepublik Deutschland Lehr-
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