Heft 
(1.1.2019) 03
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CAMPUS

BANKBETRIEBLICHE STANDORTENTWICKLUNG

IM WANDEL

Zur Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Detlef Hummel

Vor einem breit gefächerten Publikum, be­stehend aus Vertretern regionaler Banken, Kollegen und Studenten, sprach kürzlich Prof. Dr. Detlev Hummel in seiner Antritts­vorlesung zum ThemaBankbetriebliche Standortentwicklung im strukturellen und technologischen Wandel.

Die deutsche Bankenlandschaft, auf die sich der Hauptteil von Prof. Hümmels Aus­führungen bezog, befindet sich nach seinen Ausführungen momentan in einem starken Wandel. Die Ursachen der Anfang der neunziger Jahre im internationalen Ver­gleich niedrigen Produktivität der deut­schen Banken liege dabei in dem relativ hohen Personalbestand der Banken. Im Gegensatz zu den in den USA und in Japan schon in den achtziger Jahren vorgenom­menen allmählichen Reduzierungen im Personalbestand hätten die Deutschen während der letzten Dekade um weitere 18 Prozent aufgestockt. Die recht niedrige Pro­duktivität deutscher Banken äußere sich auch dann, daß die Wertentwicklung der Banken am Aktienmarkt deutlich schlechter verlief als der Durchschnitt aller Unterneh­men, gemessen am Deutschen Äktiemndex (DAX). Angesichts einer zunehmenden Konkurrenz im europäischen Binnenmarkt würden sich die Banken neuen Herausfor­derungen gegenübergestellt sehen. Die Einführung des Euro bedeute nach Auffas­sung des Referenten für die Banken Ertrag­seinbußen von bis zu 30 Prozent im Devi­senhandel und bei internationalen Geld­transfers. Von kritischer Relevanz seien daher die Erschließung neuer Ertrags­felder, beispielsweise mit Hilfe der neuen Medien wie Tele-, Home-, Discountban­king, und die Entwicklung qualitativer und quantitativer Modelle der effizienten Bank­führung.

Als Marktführer in der deutschen Banken­landschaft erwiesen sich die öffentlich-recht­lichen Institute (Sparkassen, Landesbanken) gemessen am (Spar-)Einlagenvolumen. Zweitgrößte Gruppe seien die privaten Kre­ditbanken, unter anderem die drei Großban­ken Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank, deren Marktanteil knapp 25 Prozent beträgt. Auch die Situation im Land Brandenburg kennzeichnete Hummel durch eine starke Stellung der Sparkassen.So betrugen die Sichteinlagen der Brandenbur­ger im III. Quartal 1996 etwa acht Mrd. DM und die Spareinlagen mehr als 13 Mrd. DM. Aufgrund der angesprochenen Produkti- vitäts- und Ertragsschwäche im inländi­schen Kreditgeschäft und einem allgemei­nen Trend hin zu schlanken Strukturen (Lean

Banking Strate- gy) müßte für alle Banken­gruppen in nächster Zeit mit tendenziell sinkendem Per­sonalbestand, allenfalls einem gleichbleiben­den gerechnet werden. Auch die Qualifika­tionsanforde­rungen der Banken änderten sich. Vorbei scheinen die Zeiten desBankbeamten. Stattdessen rekrutierten die Banken zuneh­mend z.B. auch Naturwissenschaftler wie Physiker und Mathematiker. Flexibilisierung der Arbeitszeiten, leistungsbezogene Entloh­nung und permanente Lernbereitschaft sei­en nötig, um der intensiven Konkurrenz ge­recht zu werden.

Hinsichtlich der Zweigstellendichte deut­scher Banken stellte der Wirtschaftswissen­schaftler fest, daß es sich im internationa­len Vergleich mit 1.400 Einwohnern pro Bankstelle um eines der dichtesten Netze handele. Mit einer Ausdünnung des Zweig­stellennetzes müsse jedoch in Zukunft ge­rechnet werden, teilweise hätte sie schon begonnen. Experten veranschlagten eine Reduktion der Zweigstellen um 30 Prozent bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts. Ein genereller Verzicht auf Zweigstellen zugun­sten eines ausschließlichen Direktbankings sei aber aufgrund des Beratungsbedarfes vieler Bankdienstleistungen und damit ver­bundener Vorteile wie Crosselling-Mög- lichkeiten nicht zu befürchten.

Zwei Strategien erfolgreicher Fmanz- dienstleister verdeutlichte der Vortragende am Beispiel der Citibank, die mit einem kosteneffizienten Geschäftssystem und ein­fachen standardisierten Produkten ein Ge­winnwachstum von 40 Prozent jährlich in den letzten Jahren erzielte, und dem Unter­nehmen MLR das mit überragender Beratungsqualität und einem Fokus auf hö­here Einkommensgruppen ebenfalls eine hohe Gewinndynamik erreichte. Der Vor­trag von Prof. Hummel endete mit einem Plädoyer für den Erhalt der Vielfalt in der deutschen Bankenlandschaft. Die Schlie­ßung von Filialen, obwohl momentan unver­meidbar, könne keine generelle Strategie für die Banken sein. Keinesfalls sollten Ban­ken zu reinen Ttechnologiezentrenverkom­men, da nach wie vor die Beratung vom Kunden gewünscht und erforderlich sei.

Philip Steden/Birgit Minckert

Prof. Dr. Detlef Hummel

KEIN

ANTIQUARISCHER

GEGENSTAND

Christoph Schulte über den Begriff einer Wissenschaft des Judentums

Den guten Brauch, nach erfolgreicher Ha­bilitation eine Vorlesung zu halten, nahm am 4. Februar 1997 Dr. Christoph Schulte auf. Der zum Moses Mendelssohn Zen­trum für europäisch-jüdische Studien ge­hörende und im Rahmen der Potsdamer Jüdischen Studien unterrichtende Wis­senschaftler sprach zum ThemaÜber den Begriff einer Wissenschaft des Juden­tums. Er reflektierte damit grundlegen­de Fragen seines Fachgebietes und woll­te erklärtermaßen auch den Studenten eine Orientierung geben. Er selbst be- zeichnete seine Überlegungen auch als einen Extrakt dessen,was in den Jüdi­schen Studien in Potsdam passiert.

Ausgangspunkt für Schulte bildete die Tät- sache, daß sich alle Erkenntnis über Begrif­fe vermittle. An Versuchen von Begriffs­definitionen und Programmen sei bei einer 175 Jahre alten Wissenschaft natürlich kein Mangel. Schulte konzentrierte sich in sei­ner Vorlesung auf einen Text von Immanu­el Wolf im allerersten Heft derZeitschrift für die Wissenschaft des Judentums" vom März 1822, der seiner Vorlesung den Na­men gab und ihm heute noch als richtung­weisend für die allgemeine Standortbestim­mung der Wissenschaft des Judentums und auch der Jüdischen Studien gilt.

Schulte kennzeichnete die Wissenschaft des Judentums als ein Kind der Moderne, und zwar der jüdischen Aufklärung und der deutschen Romantik. Zwischen 1822 und 1933 habe diese Wissenschaft Weltgeltung erlangt. Deutsch sei ihre Sprache gewesen, und viele Studenten hätten extra Deutsch gelernt, um Bücher und Zeitschriften dieser Wissenschaft lesen zu können. Bereits hier kam eine Ahnung des Verlustes auf, den Deutschland auch in dieser Hinsicht durch den Nationalsozialismus erlitt und der den Wissenschaftsgegenstand auf immer ver­ändern sollte. Berühmte Wissenschaftler fanden in Jerusalem und Nordamerika Exil, wo die Wissenschaft des Judentums unter anderem Namen und mit teils geänderten Konzepten weiter betrieben wird.

Schulte führte aus, daß die Wissenschaft vom Judentum in Israel erstmals die der Mehrheitsgesellschaft sei, während ihre Wiederaufnahme in Deutschland auch da­von geprägt sei, daß sich ihr nichtjüdische Wissenschaftler zuwandten. Es dauerte al­lerdings bis in die sechziger Jahre, ehe es in der Bundesrepublik Deutschland Lehr-

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