Heft 
(1.1.2019) 03
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CAMPUS

EIN STUDIENBEGLEITENDES PRUFUNGSSYSTEM

Wirtschaftswissenschaftler der Uni wollenCredit-Point-System" einführen

Die wirtschaftswissenschaftlichen Studi­engänge der Betriebs- und Volkswirt­schaftslehre sowie Volkswirtschaftslehre sozialwissenschaftlicher Richtung an der Universität Potsdam wollen mit einer neu­en gemeinsamen Diplomprüfungsord­nung (DPO) ein studienbegleitendes Prüfungssystem einführen. Das Prinzip der neuen DPO ist einfach: am Ende je­der Veranstaltung wird eine Prüfung (in der Regel eine Klausur) angeboten, der teilnehmende Studierende erhält neben der Note einen Bonuspunkt (pro einstün- diger Veranstaltung) oder bei Nicht­bestehen einen Maluspunkt. Sind im Hauptstudium in fünf Fächern jeweils 14 Bonuspunkte erreicht und die Diplomar­beit erfolgreich geschrieben, so ist das Examen bestanden. Die Gesamtnote ist der mit den Bonuspunkten gewichtete Durchschnitt der erzielten Einzelnoten, dabei werden die Diplomarbeit mit 22 Punkten, eine Seminarstunde mit dem Faktor 1,5 gewichtet.

Modifiziert wird dieses Prinzip durch meh­rere Nebenbedingungen. Zum einen wird eine Semester-Anzahl vorgegeben: 5 (10) Fachsemester bis zum Vor- (Haupt-) Diplom plus Verlängerung auf Antrag (Ziel: ein be­wußtes, zügiges Studium). Die Diplomprü­fung hat endgültig nicht bestanden, wer mehr als 24 (Grundstudium: 15) Malus­punkte hat (Ziel: keine unbegrenzten Wie­derholungen). An anderen Universitäten erbrachte Prüfungen können im Umfang von 28 Bonuspunkten angerechnet werden (Ziel: Mobilität ohne Studientourismus). Zum anderen gibt es im Prinzip jeweils eine Wiederholungsmöglichkeit. Aber: die Fest­legung nur der Obergrenze von Malus­punkten ermöglicht eine individuelle Wiederholungsstruktur; es gibt für im er­sten Fachsemester vorgesehene und nicht bestandene Prüfungen keinen Maluspunkt; wer im Hauptstudium bis zu Beginn des 7. Fachsemesters eine Prüfung nicht be­steht, erhält keinen Maluspunkt und wer eine besteht, der kann später damit zwei Maluspunkte woanders kompensieren (Ziel: Anreiz zu einem kurzen Studium).

Die Fächerkombinationen

Ein Ziel liegt in individuell gestaltbaren Fächerkombinationen und Interdisziplina- rität. Also gibt es zwar Studiengänge (BWL, VWL) mit jeweils fünf Fächern im Haupt­studium, aber der Studierende kann sich seine fünf Fächer nach Interesse, Neigung oder Berufsplanung selbst zusammenstel­len. Sind darunter drei volkswirtschaftliche (betriebswirtschaftliche) Fächer, so führt es

zum Abschluß als Diplom-Volkswirt/-Volks- wirtin (Diplom-Kaufmann/ -Kauffrau). Wer dabei zwei betriebswirtschaftliche Fächer sowie Wirtschaftspädagogik wählt, soll (so ist es geplant) den Grad Diplom-Handels­lehrer erhalten können. Bei drei Volks- und zwei sozialwissenschaftlichen (Wahl-) Fä­chern erhält der Grad Diplom-Volkswirt den Zusatz: sozial-wissenschaftlicher Richtung. Die jeweiligen zwei Wahlfächer können beispielsweise sein: Politologie, Soziologie, Verwaltungswissenschaft, spezielle Berei­che der BWL oder der VWL, Wirtschafts­fremdsprachen, Recht, Europäische Wirt­schaft usw. Ein Wahlfach ist ein umfassen­des Fach wie Statistik oder wird zusammen­gesetzt aus sinnvollen Kombinationen wie Umweltökonomik und Umweltmanage­ment.

Vor- und Nachteile

Studiengänge, die Diplome aufgrund studienbegleitender und mit Bonus­punkten gewichteter Prüfungen vergeben, weisen insbesondere folgende drei Eigen­schaften auf: eine größere Flexibilität, eine höhere Transparenz und weniger Mobi­litätshemmnisse. Entsprechend kann der Studierende im stärkeren Ausmaße als bis­her gemäß seiner eigenen zeitlichen Pla­nung und seiner individuellen Schwer­punktsetzung studieren. Zahlreiche Unsi­cherheiten entfallen, wie diejenigen infol­ge nicht besetzter und infolge neu besetz­ter Professuren. Das Hauptstudienangebot ist nicht mehr standardisiert in Form von Fächern mit fest vorgegebenen Vorlesun­gen und Seminaren bei völlig fixierten Veranstaltungszyklen, jeder kann (muß) sein Menü eigenverantwortlich zusam­menstellen; so wählt der Studierende pro Fach (z. B. Volkswirtschaftstheorie) aus den (Theorie-) Veranstaltungen 14 (Theo­rie-) Stunden (gleich Bonuspunkte). Außerdem wählt bzw, wechselt er (bis zu einem vorgegebenen Anteil) semester­weise die Universität; der TVansfer von Lei­stungen für ausländische Studierende in Deutschland (aber auch für deutsche Stu­dierende im Ausland) ist wesentlich leich­ter und gleichzeitig kompatibel mit der ECTS-Initiative der EU. Und was nicht zu unterschätzen ist: der Studierende kann je­derzeit seinen Leistungsstand erkennen (und die Notenkonservieren").

Für die Lehrenden steigt allerdings mit der jeder Veranstaltung folgenden Prüfung und Wiederholungsprüfung der Prüfungs­aufwand stark! Etwas Flexibilität gewinnen sie dadurch, daß Gastprofessoren leichter in das prüfungsrelevante Angebot integriert und daß die eigenen Veranstaltungen varia­

bler gestaltet werden können (Literaturli­sten, Gliederungen usw. sind nicht mehr über Jahre zu fixieren). Examenkolloquien und damit daserneute Studium bzw. Hö­ren kurz vor dem Examen entfallen. Und: die Rückkoppelung von den Studierenden zu den Lehrenden ist unmittelbarer.

Erwartungen

Ein derartiges Bonuspunktesystem (bzw. Credit-Point-System), d.h. quasi kumulative Diplomgrade anstelle des nicht nur in Deutschland verankerten traditionellen Prüfungssystems mit mehreren umfassen­den Abschlußprüfungen wird häufig als ein Mittel gesehen, die Studienzeiten zu redu­zieren. Insbesondere aufgrund dieser Er­wartung wird die Einführung derartiger Systeme von der Politik favorisiert. Offen ist, ob diese Erwartungen tatsächlich eintreten werden und, wie viele Kritiker befürchten, ob dieses erkauft wird mit einem Verlust an universitärem Studium, mit einer Ver­schulung sowie inhaltlichen Verflachung, mit einem Verlust an struktureller Erkennt­nis und mit einer Verlagerung des universi­tären Studiums in zahlreiche (unübersicht­liche und teure) postgraduale Studien­programme.

Damit die Kommunikationsfähigkeit und das Erkennen der Zusammenhänge der einzelnen Fächer des Studiums insgesamt nicht verloren geht, gibt es am Ende in zwei der fünf Fächer nach Wahl eine mündliche Prüfung. So bestehen zwar das Studium und die Diplomprüfung aus vielen kleinen Abschnitten und bewerteten Leistungen (ohne den auch psychisch belastenden Block am Ende des Studiums), aber die Anreize zu einem eigenverantwortlich ge­stalteten, gleichmäßigen Studium lassen zusammen mit den mündlichen Prüfungen erwarten, daß der Blick für das Ganze so­gar geschärft wird. Denn ein Studium erfor­dert nach wie vor geistige Muße und wis­senschaftlichen Erkenntniswillen.

Weitere Informationen dazu erteilt gerne Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann aus der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftli­chen Fakultät unter Tel./Fax: 0331/977- 3219/ -3213 oder e-mail: fuhrmann@ rz.uni-potsdam.de. w.f.

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