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(01/01/2019) 03
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CAMPUS

DIALOG DER SCHWERHÖRIGEN"

Europa-Redakteur der Londoner TIMES sprach über deutsch-britische Beziehungen

Begleitthema einer Reihe von vorbereiten­den Aktivitäten zur Gründung einer Lan­desgruppe Brandenburg der Deutsch- Englischen Gesellschaft e.V (DEG) - sie wurde mit der Vorstandswahl am 27. Janu­ar 1997 ins Leben gerufen - waren die ak­tuellen Beziehungen zwischen dem Verei­nigten Königreich und der Bundesrepu­blik. Sie sind in der Tat ein Generalthema der DEG, die es seit 1949 als ihre vor- nehmliche Aufgabe ansieht, ihre Mitglie­der über die Entwicklung in Großbritanni­en aus erster Hand zu informieren, und die als Veranstalter derKönigswinter Konfe­renz über einen einzigartigen Zugang zu Personen und Institutionen jenseits des Är­melkanals verfügt.

Ende Februar begrüßte Professor Dr. Hilde­gard L.C. Tristram aus dem Institut für Angli­stik und Amerikanistik der Uni Potsdam als Vorstandsmitglied der Landesgruppe Bran­denburg der DEG George Brock, European Editor der TIMES, als ersten Gastredner, der sich der genannten Thematik in gebühren­der Erweiterung zuwandte:Britain and Europe: Dialogue of the Deaf."

Um es verallgemeinert und vergröbernd vorwegzunehmen: Wenn immer politisch, historisch und ökonomisch erfahrene Briten sich zum Thema Europa vernehmen lassen, so hört sich das anders an als aus vergleich­baren deutschen Quellen. Brock behandel­te gewisse Lieblingsthemen der Medien zum Bereich der deutsch-britischen Bezie­hungen als Marginalien und machte die Europäische Union und eine gemeinsame europäische Währung zum roten Faden sei­ner Gedankengänge, die' von den Teilneh­mern der Veranstaltung im anschließenden Gespräch einhellig als anregend charakte­risiert wurden.

Allgemein, so George Brock, handele es sich bei dem Themenkomplex Großbritannien- Europa um ein Kommunikationsproblem: Keine der beiden Seiten vernehme die jeweils andere genau genug. Wesentlich in der nicht funktionierenden Verständigung sei das Ver­ständnis vom Nationalstaat und seiner Ent­wicklung zu Künftigem. So gibt es die (unter anderem in derpolitischen Klasse in Deutschland vorzufindende) Auffassung, der Nationalstaat sei ein Interimsgebilde, das in eine europäische Föderation eingehen wer­de. Dem stehen Wünsche nach regionaler Autonomie gegenüber (Beispiel Schottland als Tteil des Vereinigten Königreiches), die in den Gedanken an ein europäischesCom­monwealth of Nations, eine Partnerschaft von Staaten einmünden sollte (in diesem Zusam­menhang besteht eine Grundhaltung der po­litischen Klasse Großbritanniens darin, sich

mit der Frage nach der Weiterentwicklung des heutigen Nationalstaates nicht zu befas­sen). Im übngen sei die HageSind Sie für oder gegen Europa" auf den britischen Inseln nicht relevant - das Vereinigte Königreich ist Mitglied der Europäischen Union.

Und so gelangt man zum nächsten Punkt europäischer Kommunikationsprobleme - eine europäische Währungsunion, so George Brock weiter, ist nur sinnvoll, wenn die heutigen Staaten Europas in einer poli­tischen Struktur Europa aufgehen wollten: Das Problem ist politischer und nicht öko­nomischer Natur. Und schließlich: Welche Zeichen würde der Euro für die Arbeitslo­sen und den Osten Europas setzen?

Hier spätestens wird der Themenkomplex mehr deutsch-britisch als europäisch-britisch; die Praxis, die Entwicklung bis zu einem Punkt der Unumkehrbarkeit zu führen und (im konkreten Fall also im Hinblick auf die euro­päische Einigung) zu glauben, danach wür­de der Euro es schon richten, sei nicht die englische Art. Brock sinngemäß: ,,'Ja zur Europäischen Union,Ja zur ökonomischen Union Europas, aber kein uneingeschränktes Ja zur Europäischen Währungsunion als dem Hauptgedanken für den weiteren Weg." In dieser Frage sähe er für die künftigen Be­ziehungen zwischen Großbritannien und der Bundesrepubliketwas schwarz.

Vielleicht doch noch kurz zum deutsch-bri­tischen Beziehungsalltag. Wirklich anti-deut­sche Gefühle könne er, Brock, im UK nicht ausmachen; Deutschland ist dort nicht allzu bekannt, und es fahren halt nicht viele Men­schen nach Deutschland, da es für die mei­sten Engländer nicht so interessant ist; wäh­rend der Fußball-WM hat nur eine Zeitung sich kurz in Stimmungsmache gegendie Deutschen" versucht, und eine Anzeige in der TIMES, in der sich die deutsche Mann­schaft für die Aufnahme bedankte, wurde von der Öffentlichkeit als freundliche Geste aufgenommen; natürlich gibt es überhaupt so Unterschiede, z.B. ist das Begleitszenario zum Untergang der Schiffswerften in Deutschland anders als es bei gleichen oder ähnlichen Wirtschaftsereignissen im UK war (wo diese Entwicklungen zumeist früher von­statten gingen); na ja, und die Briten sind ganz happy und gelassen wieder beim Ver­zehr von (britischem) Rindfleisch - mit den deutschen Beefeaters ist das ja wohl nicht so. Ob es nun Kommunikationsprobleme und Thubheiten sind, die bei all dem die Haupt­sache bilden, sei dahingestellt und kundigen Euro-Insiders überlassen. Für die DEG war der Vortrag ein gelungener Auftakt zur Tätig­keit im Lande Brandenburg -thought- provoking" halt. Achim Hoffmann

GERECHTIGKEITSERLEBEN UND BEFINDLICHKEITEN

Zum dritten Mal hat das Zentrum für Gerechtigkeitsforschung der Universität Potsdam (ZfG) das Thema (Veränderungs- erfahrungen nach der Wiedervereinigung" zum Gegenstand einer Konferenz gemacht, die vor einigen Wochen stattfand. Vorgestellt und diskutiert wurden empirische psycholo­gische und soziologische Forschungs­projekte, unter anderem eine größere Erhe­bung des ZfG im Lande Brandenburg über vergleichende Bewertungen der gesell­schaftlichen Verhältnisse und Ordnungen früher und heute, über persönliche Gewinn- Verlust-Bilanzen hinsichtlich der subjektiven Gefühlslage, über die Einschätzung der Gerechtigkeit der Verhältnisse früher und heute und anderes mehr.

Prof. Dr. Hans Werner Bierhoff (Bochum) berichtete über Zufriedenheit, Leistungsbe­reitschaft und Protestverhalten in Ost- und Westdeutschland. Prof. Dr. Toni Hahn (Ber­lin) stellte die Längsschnittuntersuchung des Brandenburgischen Instituts für Arbeits­markt- und Beschäftigungsentwicklung e.V (biab) über Arbeitslosigkeitsfolgen für Ost­deutsche und deren Befindlichkeiten vor, die nach Arbeitslosigkeitsverlauf, Arbeitsorien­tierungen und familiären Verhältnissen diffe­renziert ausfallen. Dr. Martin Diewald (Max- Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin) berichtete aus einer großen Panelerhebung des Institutes über berufliche Mobilität, Kontrollbewußtsein und Befindlichkeiten in den neuen Bundesländern. Prof. Dr. Gunnar Winkler (Brandenburgisches Institut für So­zialforschung) stellte die Herausbildung ei­ner neuen Ostidentität dar und diskutierte, was an dieser Identität neu ist. Prof. Dr. Klaus Böhnke und Dr. Claudia Stromberg (Chem­nitz) untersuchten den Zusammenhang von Werten und Lebenszufriedenheit im West- Ost-Vergleich. PD Dr. Manfred Schmitt (Saar­brücken) und Dipl.-Psych. Jürgen Maes (Trier) berichteten über erste Ergebnisse ihres groß angelegten ProjektesGerechtig­keit als innerdeutsches Problem, spezifisch über das Ungerechtigkeitserleben beim Vereinigungsprozeß und den Folgen für das emotionale Befinden und die seelische Ge­sundheit. Prof. Dr. Amelie Mummendey (Münster) präsentierte Daten zu Strategien der Bewältigung negativer sozialer Identität in Ostdeutschland und diskutierte diese im Rahmen der Erklärungsmodelle der Theorie der sozialen Identität und der Theorie der relativen Deprivation. Prof. Dr. Bernd We- gener (Humboldt Universität Berlin) disku­tierte ein Modell der Erfassung von Gerech- tigkeitsurteilen. Die Teilnehmer äußerten sich zufriedigt darüber, daß die einzelnen Projekte inhaltlich, methodisch und theore­tisch gewinnbringend diskutiert werden konnten. L. M.

PUTZ 3/97

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