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(01/01/2019) 03
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STRUKTUREN POLITISCHEN DENKENS IM FRÜH-NEUZEITLICHEN EUROPA

Historiker-Disput an der Universität Potsdam

Zu einem Arbeitsgespräch trafen sich kürzlich Historiker an der Universität Potsdam, um über dieStrukturen des po­litischen Denkens im Europa des 16./17. Jahrhunderts zu diskutieren. Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte aus dem Histori­schen Institut, die zu dieser Tagung ein­geladen hatte, betonte dabei, wie wichtig ein modifizierter Ansatz zur Analyse des politischen Denkens gerade in derer­sten Hälfte (16./17. Jh.) der Frühen Neu­zeit sei. Dies schlösse auch ein Infra­gestellen lieb gewordener Interpreta­tionsmuster und bisheriger Periodi- sierungen der sogenannten politischen Ideengeschichte ein. Eine Darstellung der Geschichte des politischen Denkens ließe sich demnach nicht auf ein lineares Verlaufsmodell reduzieren, bei dem das Werk herausragender Denker wie Niccolo Macchiavelli, Jean Bodin oder Thomas Hobbes jeweils als Zäsur auf dem Weg zu einer häufig unreflektiert bleibendenModernität benutzt wird. Die Einzelbeiträge der Referenten lösten diesen postulierten Anspruch ein.

Der Frage, ob es einenfrühneuzeitlichen Republikanismus" in den deutschen Reichsstädten gegeben habe, ging Prof. Dr. Wolfgang Mager (Bielefeld) in seinem Vor­trag nach. Sein Befund fiel eher zurückhal­tend aus, da die Entwicklung des Rates zur Obrigkeit kontraproduktiv auf die Entwick­lung einesRepublikanismus" wirkte, der ja eine stärkere politische Partizipation des Gemeinwesens einschließen würde. Dr. Thomas Maissen (Potsdam/Zünch) konnte

dagegen deutliche Konturen eines Stadtrepublikanismus am Beispiel Zürichs herausarbeiten. Aufschlußreich erschien in diesem Zusammenhang vor allem die inten­sive Rezeption der Erfahrungen des im aus­gehenden 16. und frühen 17. Jahrhundert wohl bedeutendsten republikanischen Staatswesens in Europa - der niederländi­schen Generalstaaten - durch die Städte der Schweizenschen Eidgenossenschaft. Mit Richard Hooker, Samuel Ruthersford und George Lawson stellte PD Dr. Robert v. Friedeburg (Bielefeld/z.Z. Berlin) englische und schottische Kleriker des 16. und 17. Jahrhunderts vor, die in bisherigen Darstel­lungen zur Geschichte des politischen Den­kens eine nur geringe Aufmerksamkeit er­fuhren. Gemeinsam war ihnen das Bemü­hen um die Formulierung einer Staatslehre, die die Spannungen zwischen der Grund­überzeugung, daß der Widerstand des ein­zelnen gegen weltliche Obngkeit nicht zu­lässig sei, wohl aber die Verteidigung des wahren Glaubens" durch das Gemeinwe­sen, austarieren konnte.

Über einen relativ ungewöhnlichen Ansatz - der Verbindung von Mentalitäts- und Gei­stesgeschichte - versuchte Prof. Dr. Piere Angelo Schiera (Trient) sich den Verände­rungen im politischen Diskurs vor allem des 18. Jahrhunderts zu nähern. Die Begrif­feBenehmen",Staatsräson undMelan­cholie" standen im Zentrum seiner Betrach­tungen, die dafür plädierten, bei einer Ana­lyse politischer Theonen und Staatslehren auch hinter die Institutionen zu schauen. Den Spezifika politischen Denkens in der polnisch-litauischen Adelsrepublik wandte

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Leviathan or The Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiaticall and Civil. By Thomas Hobbes. Radierung von V Hollar um 1650, 1. Auflage, London 1651. Abb.: zg.

sich Prof. Dr. Michael G. Müller (Halle) zu. Insbesondere ging er dabei dem von der bisherigen Forschung noch nicht befriedi­gend.gelösten Problem nach, warum die polnische Reformation nicht einen ähnli­chen innovativen Schub in Richtung einer konfessionell-politischen Formierung be­wirkt hatte wie in den deutschen Territori­en oder in Skandinavien.

Einem von der Forschung ebenso bisher nur am Rande behandelten Strang politischen Denkens widmete Prof. Dr. Luise Schorn- Schütte (Potsdam) ihren Beitrag. Die politica christiana" - einhergehend mit ei­ner Wiederbelebung der Dreiständelehre - leitete ihre Forderung nach einer ethischen Politik aus der Annahme ab, daß eine von anderen zeitgenössischen Denkern gefor­derte Trennung von Kirche und Staat unnö­tig sei. Den Weg von der Etablierung bis zur Knse derpolitica alsWissenschaft erfolg­reichen Regierens im 18. Jahrhundert ver­folgte Prof. Dr. Wolfgang Weber (Augsburg). Für die Verflachung despoliticus"-Begnffes machte er vor allem die wachsende Bedeu­tung des Hofes für die Ausbildung der Amtsträgerschaft verantwortlich.

Die abschließende Diskussion bekräftigte die zur Eröffnung des Arbeitsgesprächs er­hobene Forderung, in stärkerem Maße den Zusammenhang von politischem Denken und Handeln in der Frühen Neuzeit zu erfas­sen. Ebenso waren sich die Tägungsteilneh- mer darüber einig, wie notwendig es sei, bisherige Ein- und Zuordnungen politischer Denker als auch geschichtswissenschaft­liche Leitbegriffe wieKonfessionalisierung oderModernisierung einer Neubewertung zu unterziehen. Ftank Göse

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PHYSIK ERLEBEN AN DER UNI

Der Bereich Physik der Universität Potsdam bietet für physikinteressierte Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe des Landes Brandenburg und Berlin ein umfangreiches Programm an. Mehrere Schulen nutzten bereits die Gelegenheit, um hier einen Forschungstag zu erleben. Im Mittelpunkt dieser Veran­staltungen stehen das selbständige Experi­mentieren, der Besuch von Forschungs­projekten, wie z.B. Laserphysik, Festkörper­physik, Physik dünner Schichten, sowie die Teilnahme an wissenschaftlichen Vorträgen zu ausgewählten Themen, wie z.B.Photonik - Licht als Werkzeug",Ordnung im Chaos",

Optoelektronik - Schlüssel zur Telekommu­nikation oder zu Physik und Medizin. Große Resonanz fand beispielsweise ein dreitägiger Intensivkurs für besonders an Physik und Astronomie interessierte Schülerinnen und Schüler. Des weiteren wurden von über 20 Gymnasien und Gesamtschulen Physik- und Astrophysiklehrer zu einem Oberstufentag eingeladen. Mit großem Interesse und hoher Aufmerksamkeit wurden solche Themen wieSchwerkraft im Weltall,Globales Umweltmanagement,Unser Kosmos", Regenerative Energiequellen",Physik und Medizin",Ordnung im Chaos",Sehen bei Nacht" und Hören unter Wasser" aufgenommen und diskutiert. W.MJFoto: Tribukeit

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