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(01/01/2019) 03
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WISSENSCHAFT AKTUELL

Prof. Dr. Wolfgang Gudat (Zweiter von links) zeigt den Potsdamer Kooperationspartnern bei BESSYII einen Undulator. Mit derartigen Geräten läßt sich Synchrotronlicht um ein Vielfaches intensivieren und gleichzeitig stark bündeln. Foto: Fritze

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ein ideales Instrument für viele Untersu­chungen auf den unterschiedlichsten natur­wissenschaftlichen Gebieten entwickelt wurde und seit langem Speicherringe ei­gens zur Erzeugung von Synchrotron­strahlung gebaut werden. Zu diesen Eigen­schaften gehört, daß Synchrotronstrahlung eine hohe Intensität kontinuierlich über ei­nen weiten Spektralbereich - vom infraro­ten über das sichtbare Licht, das Vakuum- Ultraviolett bis hin zum Röntgenbereich - besitzt. In Verbindung mit Monochroma­toren, die nur Strahlung einer bestimmten Frequenz durchlassen, ergibt sich eine durchstimmbare Strahlungsquelle hoher Intensität. Weiterhin ist die Strahlung stark polarisiert, was es beispielsweise ermög­licht, die Orientierung von Molekülen auf Oberflächen zu bestimmen. Darüber hin­aus sind die Eigenschaften von Synchro­tronstrahlung, im Gegensatz zu anderen Lichtquellen, sehr genau berechenbar, so daß sie optimal zur Kallibrierung von Detek­toren und Strahlungsquellen eingesetzt werden können. Ein weiterer Vorzug: Das Licht wird gepulst - als kurze, intensive Lichtblitze - erzeugt. Damit läßt sich der zeitliche Verlauf chemischer oder physika­lischer Vorgänge verfolgen.

BESSY I & BESSY II

Die von der BESSY GmbH seit 1982 betrie­bene Speicherringanlage BESSY I in Berlin

Wilmersdorf besitzt einen Speichernng mit einem Umfang von 62,4 Metern, in welchen Elektronen mit einer Energie von 800 MeV aus einem Synchrotron eingespeist werden und dort mehrere Stunden mit konstanter Geschwindigkeit umlaufen, Er bietet damit gute Voraussetzungen besonders für Expe­rimente im Vakuum-Ultravioletten- undwei­chen" Röntgenbereich (Photonenenergie bis ca. 3 keV). Die Gebühr pro Stunde Meßzeit und Meßplatz beträgt bei BESSY I derzeit ca. 200,- DM, wodurch die GmbH finanziert wird. Hingegen ist für BESSY II, das Mitte 1998 in Berlin Adlershof seinen Betrieb auf­nehmen soll, eine Finanzierung als Institut der Blauen Liste vorgesehen. Das würde bedeuten, daß dort für die Universitäten kei­ne Strahlzeitgebüren mehr anfielen.

BESSY II ist nicht nur wesentlich größer als BESSY I (Umfang des Speicherrings: 240 Meter) und arbeitet bei einer mehr als dop­pelt so hohen Elektronenenergie ( 1700 MeV), so daß dort auchhärtere" Röntgen­strahlung mit Photonenenergien bis zu 200 keV zur Verfügung stehen. In den Speicher­nng werden auch eine Reihe von sogenann­ten Wigglern und Undulatoren eingebaut. Das sind spezielle Anordnungen starker Permanentmagnete, die die Elektronen auf eine schlangenförmige Bahn zwingen und bewirken, daß der dabei abgestrahlte Synchrotronstrahl um ein Vielfaches inten­siver wird. Im Gegensatz zu Wigglern lie­

fern Undulatoren eine nahezu mono­chromatische Strahlung, die auch noch in­tensiver und stärker gebündelt ist. Dadurch werden bei BESSY II die Bedingungen für viele Meßverfahren stark verbessert.

So wird beispielsweise die Röntgenmikros­kopie, bei der Strukturen nicht mit sichtba­rem Licht sondern mit weicher Röntgen­strahlung abgebildet werden, von BESSY II profitieren. Sie soll an einem Undulator, der speziell für biologische Fragestellungen ausgerichtet wird, zur Anwendung kom­men. Da die Wellenlänge von Röntgenlicht sehr viel kürzer ist als die von sichtbarem Licht, können damit rund zehnmal kleinere Strukturen (bis zu 20 nm) aufgelöst werden. Zwar können mit Hilfe der Elektronen­mikroskopie, bei der die Objekte mit Elek­tronendurchstrahlt" werden, Auflösungen zwischen 0,2 und 2 nm erreicht werden, Sie hat gegenüber der Röntgenmikroskopie aber auch Nachteile:Es müssen für die Untersuchungen Dünnschnitte angefertigt werden, das Material wird, um einen Kon­trast zu bekommen, angefärbt, hat also re­lativ wenig mit natürlicher, insbesondere mitlebender Matene zu tun", führt Gudat aus. Dies alles ist bei der Mikroskopie mit­tels Röntgenlicht nicht nötig, da sie auch Zellen von 10 nm Dicke durchdringt und die Strukturen innerhalb der Zelle ohne Kon­trastmittel sichtbar macht.

Der Grund dafür ist, daß jedes Element Röntgenstrahlen auf charakteristische Wei­se absorbiert. Dadurch läßt sich beispiels­weise die Verteilung von Calcium in Zellstrukturen detailliert abbilden. Und bei Wellenlängen zwischen 2,4 und 4,5 nm ist Sauerstoff - und damit Wasser - erheblich röntgendurchlässiger als Proteine, so daß in diesem Bereich Einzelheiten durch Was­ser/Zellflüssigkeit hindurch beobachtet werden können.Deswegen ist das der Spektralbereich, der tatsächlich interessant ist für die Mikroskopie", betont Dr. Peter Guttmann von der Universität Göttingen, der bei BESSY I schon seit einigen Jahren Röntgenmikroskopie an organischen Zellen betreibt. Bei einem seiner Projekte unter­sucht er mit Malaria infizierte rote Blutkör­perchen. Dabei interessiert ihn vor allem, wie der Parasit in die Zelle hineingekom­men ist, bzw. ob es einen Verbindungskanal vom Parasiten zur Außenmembran gibt. Dies wäre für die Behandlung von Malaria von großer Bedeutung, weil dadurch Medi­kamente in die Blutzelle eingeschleust wer­den könnten. Gudat bemerkt dazu:Eine komplette Zelle in wässriger Lösung zu beobachten und ihre inneren Strukturen sichtbar zu machen, ist auf eine andere Art kaum möglich." Bei BESSY II nun wird durch die stärkere Fokussierung des Elektronenstrahls die Durchführung der Experimente stark verkürzt. Gleichzeitig sind bessere Messungen möglich. ade

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PUTZ 3/97