WISSENSCHAFT AKTUELL
Prof. Dr. Wolfgang Gudat (Zweiter von links) zeigt den Potsdamer Kooperationspartnern bei BESSYII einen Undulator. Mit derartigen Geräten läßt sich Synchrotronlicht um ein Vielfaches intensivieren und gleichzeitig stark bündeln. Foto: Fritze
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ein ideales Instrument für viele Untersuchungen auf den unterschiedlichsten naturwissenschaftlichen Gebieten entwickelt wurde und seit langem Speicherringe eigens zur Erzeugung von Synchrotronstrahlung gebaut werden. Zu diesen Eigenschaften gehört, daß Synchrotronstrahlung eine hohe Intensität kontinuierlich über einen weiten Spektralbereich - vom infraroten über das sichtbare Licht, das Vakuum- Ultraviolett bis hin zum Röntgenbereich - besitzt. In Verbindung mit Monochromatoren, die nur Strahlung einer bestimmten Frequenz durchlassen, ergibt sich eine durchstimmbare Strahlungsquelle hoher Intensität. Weiterhin ist die Strahlung stark polarisiert, was es beispielsweise ermöglicht, die Orientierung von Molekülen auf Oberflächen zu bestimmen. Darüber hinaus sind die Eigenschaften von Synchrotronstrahlung, im Gegensatz zu anderen Lichtquellen, sehr genau berechenbar, so daß sie optimal zur Kallibrierung von Detektoren und Strahlungsquellen eingesetzt werden können. Ein weiterer Vorzug: Das Licht wird gepulst - als kurze, intensive Lichtblitze - erzeugt. Damit läßt sich der zeitliche Verlauf chemischer oder physikalischer Vorgänge verfolgen.
BESSY I & BESSY II
Die von der BESSY GmbH seit 1982 betriebene Speicherringanlage BESSY I in Berlin
Wilmersdorf besitzt einen Speichernng mit einem Umfang von 62,4 Metern, in welchen Elektronen mit einer Energie von 800 MeV aus einem Synchrotron eingespeist werden und dort mehrere Stunden mit konstanter Geschwindigkeit umlaufen, Er bietet damit gute Voraussetzungen besonders für Experimente im Vakuum-Ultravioletten- und „weichen" Röntgenbereich (Photonenenergie bis ca. 3 keV). Die Gebühr pro Stunde Meßzeit und Meßplatz beträgt bei BESSY I derzeit ca. 200,- DM, wodurch die GmbH finanziert wird. Hingegen ist für BESSY II, das Mitte 1998 in Berlin Adlershof seinen Betrieb aufnehmen soll, eine Finanzierung als Institut der Blauen Liste vorgesehen. Das würde bedeuten, daß dort für die Universitäten keine Strahlzeitgebüren mehr anfielen.
BESSY II ist nicht nur wesentlich größer als BESSY I (Umfang des Speicherrings: 240 Meter) und arbeitet bei einer mehr als doppelt so hohen Elektronenenergie ( 1700 MeV), so daß dort auch „härtere" Röntgenstrahlung mit Photonenenergien bis zu 200 keV zur Verfügung stehen. In den Speichernng werden auch eine Reihe von sogenannten Wigglern und Undulatoren eingebaut. Das sind spezielle Anordnungen starker Permanentmagnete, die die Elektronen auf eine schlangenförmige Bahn zwingen und bewirken, daß der dabei abgestrahlte Synchrotronstrahl um ein Vielfaches intensiver wird. Im Gegensatz zu Wigglern lie
fern Undulatoren eine nahezu monochromatische Strahlung, die auch noch intensiver und stärker gebündelt ist. Dadurch werden bei BESSY II die Bedingungen für viele Meßverfahren stark verbessert.
So wird beispielsweise die Röntgenmikroskopie, bei der Strukturen nicht mit sichtbarem Licht sondern mit weicher Röntgenstrahlung abgebildet werden, von BESSY II profitieren. Sie soll an einem Undulator, der speziell für biologische Fragestellungen ausgerichtet wird, zur Anwendung kommen. Da die Wellenlänge von Röntgenlicht sehr viel kürzer ist als die von sichtbarem Licht, können damit rund zehnmal kleinere Strukturen (bis zu 20 nm) aufgelöst werden. Zwar können mit Hilfe der Elektronenmikroskopie, bei der die Objekte mit Elektronen „durchstrahlt" werden, Auflösungen zwischen 0,2 und 2 nm erreicht werden, Sie hat gegenüber der Röntgenmikroskopie aber auch Nachteile: „Es müssen für die Untersuchungen Dünnschnitte angefertigt werden, das Material wird, um einen Kontrast zu bekommen, angefärbt, hat also relativ wenig mit natürlicher, insbesondere mit ‘lebender’ Matene zu tun", führt Gudat aus. Dies alles ist bei der Mikroskopie mittels Röntgenlicht nicht nötig, da sie auch Zellen von 10 nm Dicke durchdringt und die Strukturen innerhalb der Zelle ohne Kontrastmittel sichtbar macht.
Der Grund dafür ist, daß jedes Element Röntgenstrahlen auf charakteristische Weise absorbiert. Dadurch läßt sich beispielsweise die Verteilung von Calcium in Zellstrukturen detailliert abbilden. Und bei Wellenlängen zwischen 2,4 und 4,5 nm ist Sauerstoff - und damit Wasser - erheblich „röntgendurchlässiger“ als Proteine, so daß in diesem Bereich Einzelheiten durch Wasser/Zellflüssigkeit hindurch beobachtet werden können. „Deswegen ist das der Spektralbereich, der tatsächlich interessant ist für die Mikroskopie", betont Dr. Peter Guttmann von der Universität Göttingen, der bei BESSY I schon seit einigen Jahren Röntgenmikroskopie an organischen Zellen betreibt. Bei einem seiner Projekte untersucht er mit Malaria infizierte rote Blutkörperchen. Dabei interessiert ihn vor allem, wie der Parasit in die Zelle hineingekommen ist, bzw. ob es einen Verbindungskanal vom Parasiten zur Außenmembran gibt. Dies wäre für die Behandlung von Malaria von großer Bedeutung, weil dadurch Medikamente in die Blutzelle eingeschleust werden könnten. Gudat bemerkt dazu: „Eine komplette Zelle in wässriger Lösung zu beobachten und ihre inneren Strukturen sichtbar zu machen, ist auf eine andere Art kaum möglich." Bei BESSY II nun wird durch die stärkere Fokussierung des Elektronenstrahls die Durchführung der Experimente stark verkürzt. Gleichzeitig sind bessere Messungen möglich. ade
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PUTZ 3/97