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(01/01/2019) 03
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SCHULE AUS, GLOTZE AN: FREIZEIT WIRD ZUR MEDIENZEIT

Befragung der Arbeitsstelle Medienpädagogik zum ThemaJugend und Medien"

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Kinderzimmer als Empfangsstation: Die Zeiten, in denen die meisten Jugendlichen noch im elterlichen Wohnzimmer vor der Glotze hingen, sind endgültig vorbei. Die StudieJugend und Medien ergab, daß drei von vier Brandenburger Schülern zwischen elf und 20 Jahren inzwischen einen eigenen Fernseher besitzen, sogar 95 Prozent verfügen über einen Kassettenrekorder. Jeder dritte Jugendliche ist mit einem Computer ausgestattet. Foto: Märkische Allgemeine/Rohr

Brandenburger Jugendliche hocken pro Tag durchschnittlich mehr als zwei Stun­den vor der Glotze, hören am liebsten Radio Energy und interessieren sich bei der Zeitungslektüre in erster Linie für die Anzeigenrubriken. Das geht aus einer Umfrage unter Schülern im Alter von elf bis 20 Jahren hervor, die in den vergange­nen zwei Jahren von der Arbeitsstelle Medienpädagogik der Universität Pots­dam in Zusammenarbeit mit dem Institut zur Objektivierung von Lem- und Prüfver­fahren Aachen und der Märkischen Allge­meinen Zeitung durchgeführt wurde. 1.117 Jugendliche aus dem westlichen Brandenburg beteiligten sich bislang an der Studie mit dem TitelJugend und Me­dien. Die erfaßten Daten sollen vor allem für die medienpädagogische Arbeit an Schulen und die Lehrerausbildung an Universitäten genutzt werden.

Freizeit ist inzwischen zu großen Teilen Medienzeit, faßt Dr. Wolfgang Fromm von der Arbeitsstelle Medienpädagogik die er­sten Ergebnisse der Untersuchung zusam­men. Das Fernsehen steht im Mittelpunkt des alltäglichenMedien-Marathons der Brandenburger Schüler. Bei 88,4 Prozent der Befragten läuft die Flimmerkiste mehr als eine Stunde täglich. Jeder dritte gab sogar an, mehr als drei Stunden seiner Frei­zeit vor der Glotze zu verbringen, Spitzen­reiter unter den Programmanbietern sind die privaten TV-Stationen RTL und Pro Sie­ben,ARD und ZDF sitzen bei Kindern nicht einmal in der zweiten Reihe, so Fromm. Auch beim Hörfunk steht ein privater Sen­der in der Gunst der Schüler ganz oben. Bei fast jedem zweiten Befragten dröhnt Radio Energy am häufigsten aus dem Äther. 104.6 RTL und das Gemeinschafts­programm von ORB und SFBFritz folgen weit dahinter auf den Rängen zwei und drei. Die elektronischen Medien werden von den Jugendlichen in erster Linie zur Unterhal­tung genutzt. Spielfilme und Serien flim­mern bei ihnen am häufigsten über die Mattscheibe, aus ihren Radios kommen meist flotte Sprüche und vor allem Musik. Tageszeitungen dienen den Schülern dage­gen in erster Linie zur Information.Wir waren überrascht, daß 81 Prozent täglich die aktuelle Presse nutzen, so Fromm. Al­lerdings ist die Lektüre den meisten nur weniger als eine halbe Stunde ihrer Freizeit wert. Die redaktionellen Beiträge stoßen dabei auf weniger Interesse als die Anzei­gen. 42 Prozent studieren täglich den Stellenmarkt, die Kontaktanzeigen oder gar die Todesinserate. Der Politikteil der Täges- zeitungen wird dagegen nur von vier Pro­

zent regelmäßig gelesen.

Die Ergebnisse zeigen, daß eine zeitgemä­ße Medienerziehung immer wichtiger wird, so Wolfgang Fromm. Vor allem im Vorschulalter sollten Eltern ihre Kinder nicht allein vor dem Fernseher sitzen lassen und Einfluß auf Sehdauer und Programm­auswahl nehmen. Wichtig sei zudem eine alternative Freizeitgestaltung innerhalb der Familie. Neben den Eltern seien aber auch die Lehrer gefordert.Der Umgang mit den Medien muß heutzutage genauso erlernt werden wie lesen und schreiben, sagt Fromm, Die Erziehung zur selbstbestimm­ten Nutzung von Fernsehen, Hörfunk, Zei­tung oder Computer soll nach seinen Vor­stellungen fächerübergreifend erfolgen. Der Deutschunterricht könne ebenso zu einem bewußteren Umgang mit Medien beitragen, wie Erdkunde, Kunst oder Politi­sche Bildung.Wir wollen nicht den passi­ven, gutgläubigen, mediensüchtigen Kon­sumenten, der sich zu Tode amüsiert. Wir wollen vielmehr den aktiven, kritischen, kreativen Nutzer, der selbstbestimmt die Medien für eigene Interessen und Bedürf­nisse in Anspruch nimmt, beschreibt Fromm das strategische Ziel der Medien­pädagogik,

Die Grundlage für eine zeitgemäße Me­dienerziehung müsse an den Hochschulen geschaffen werden, meint Fromm:Jeder Lehramtsstudent sollte eine solide medien­pädagogische Grundausbildung erhalten.

An der Uni Potsdam werde in diesem Be­reich noch viel zu wenig getan.Dabei hängt doch die Zukunftsfähigkeit unseres Bildungssystems mit davon ab, inwieweit Schüler mit Medien umgehen können. Aber das wird hier offenbar noch nicht so gese­hen", sagt Fromm. Eine Novellierung der Studienordnung sei dringend notwendig, um der Medienerziehung einen angemes­senen Anteil am Pädagogikstudium zu ver­schaffen.

Die Resonanz der Studenten auf die Ange­bote der Arbeitsstelle gibt dem Medien­pädagogen recht. Allein an dem Seminar zum ThemaJugend und Medien" nahmen im vergangenen Semester 58 Studenten teil. In zahlreichen Hausarbeiten wurden die Daten der Untersuchung bereits unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewer­tet. Die Befragungen werden derweil fort­gesetzt. Zunächst bis Herbst 1999 sollen Daten über die Mediennutzung der Bran­denburger Jugendlichen gesammelt wer­den.Dann wird es zunächst eine Zäsur geben, so Fromm. Eine Fortsetzung des Projektes als Langzeitstudie sei allerdings wünschenswert. mcf

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