WISSENSCHAFT AKTUELL
STEUERUNGSMASSNAHMEN IM STRASSENFERNVERKEHR
Erste Promotion in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät abgeschlossen
Ende des vergangenen Wintersemesters wurde an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam das erste Promotionsverfahren eines wirtschaftswissenschaftlichen Mitarbeiters erfolgreich abgeschlossen. Dipl.-Ökonom Martin Franke promovierte summa cum laude mit der Dissertation „Die Engpaß- und C0 2 -Problematik im Straßenverkehr. Eine vergleichende Analyse nachfrageseitiger Steuerungsmaßnahmen am Beispiel des Straßenfernverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland“. Sein Doktorvater war Dr. Norbert Eickhof, der in der Fakultät die Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik innehat.
Diese Arbeit wendet sich einem aktuellen Thema zu: Auf der einen Seite führt eine massiv ansteigende Verkehrsnachfrage zu zunehmenden und immer länger werdenden Straßenverkehrsstauungen. Immer häufiger ist in diesem Zusammenhang der Begriff Verkehrsinfarkt zu lesen. Auch die Höhe der jährlichen Staukosten, die mittlerweile im dreistelligen Milliardenbereich liegt, verdeutlicht die Brisanz der aktuellen Situation. Auf der anderen Seite trägt der Straßenkraftverkehr aufgrund seiner ansteigenden C0 2 -Emissionen zur Verschärfung der Klimaproblematik bei. Als ein Hauptverursacher des anthropogenen Treibhauseffektes rückt er immer mehr in den Mittelpunkt der öffentlichen Kritik.
Aufgrund der dringend notwendigen Lösung dieser Probleme werden derzeit große Hoffnungen in sogenannte verkehrssteuernde Maßnahmen gesetzt. Konkret soll der Staat durch den Einsatz nachfrageseitig ansetzender Lenkungsinstrumente sowohl eine effiziente Nutzung der vorhandenen Infrastruktur als auch eine Reduzierung der Straßenverkehrsemissionen herbeiführen. Bei den hierzu vorgeschlagenen Instrumenten handelt es sich mit der Mineralölsteuer, der Kfz- Steuer und der Autobahngebühr um bereits bekannte Maßnahmen. Darüber hinaus werden aber auch zahlreiche neue Konzepte diskutiert. Hierzu zählen Kraftstoffverbrauchsgrenzwerte, elektronische Verkehrsinformationssysteme, der digitale Verkehrswarndienst, die variable Verkehrsbeeinflussung, das elektronische Road Pricing sowie eine vom Verfasser der Dissertation speziell für den Straßenverkehr entwik- kelte C0 2 -Zertifikatlösung.
Die Untersuchung dieser Steuerungsinstrumente führte zu sehr bemerkenswerten Ergebnissen: So hat sich hinsichtlich der Engpaßproblematik ergeben, daß keines der untersuchten Lenkungsinstrumente
vollständig überzeugen kann. Zwar sind mit dem digitalen Verkehrswarndienst sowie der variablen Verkehrsbeeinflussung durchaus empfehlenswerte Instrumente herauskristallisiert worden. Diese eignen sich jedoch lediglich für einen ergänzenden, selektiven Einsatz. Darüber hinaus ist jedoch kein nachfrageseitiges Steuerungsinstrument gefunden worden, das in der Lage wäre, die Engpaßproblematik effektiv zu bekämpfen. Selbst das im Moment immer wieder geforderte elektronische Road Pricing kann aufgrund zahlreicher offener Fragen und ungelöster Probleme nicht überzeugen. Auch zur Bekämpfung der C0 2 -Problematik haben sich die allermeisten Instrumente als ungeeignet erwiesen. Hier hat sich herausgestellt, daß nur die Mineralölsteuer den gestellten Anforderungen ausreichend entsprechen kann und daher als ein geeignetes Lenkungsinstrument zu bezeichnen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Forschungsresultate lassen sich folgende Handlungsempfehlungen für die deutsche Verkehrspolitik ableiten: Da keines der nachfrageseitigen Instrumente den gestellten Anforderungen zur Engpaßbeseitigung entspricht, kann die angebotsseitige Alternative in Form einer gezielten Erweiterung der Straßeninfrastruktur nicht weiter abgelehnt werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um die zentrale verkehrspolitische Option. Der quantitative und qualitative Ausbau der Fernverkehrsinfrastruktur ist die einzige Möglichkeit des Staates, eine treffsichere Beseitigung der einzelnen Engpässe zu erreichen. In den Bereichen, in denen eine Ausweitung der Infrastruktur bautechnisch
schwierig ist, müssen aber auch nachfrageseitige Maßnahmen eingesetzt werden. Hier können speziell die elektronischen Verkehrsbeeinflussungsanlagen zu einer effizienten Nutzung der vorhandenen Infrastruktur beitragen. Darüber hinaus sollte der digitale Verkehrswarnfunk möglichst unverzüglich eingeführt werden. Hinsichtlich der C0 2 -Reduktion im Straßenkraftverkehr können folgende Empfehlungen gegeben werden: Zunächst einmal ist eine klare Priorität zugunsten der Mineralölsteuer als emissionsreduzierendes Lenkungsinstrument zu setzen. Darüber hinaus muß der Einsatz der Mineralölsteuer von ergänzenden Maßnahmen flankiert werden, um die sehr geringe Preiselastizität der Kraftstoffnachfrage im Straßenverkehr zu vergrößern. Hierzu ist es unter anderem notwendig, daß die Mineralölsteuererhöhungen sukzessive und für die Betroffenen transparent sowie planbar erfolgen. Ferner
muß die staatliche Infrastrukturpolitik bestrebt sein, die bei der Substitutionskonkurrenz Eisenbahn vorhandenen Infrastrukturdefizite soweit wie möglich zu beseitigen. Hier ist insbesondere an den Ausbau der Schienennetze zu denken. Und schließlich müssen Anreize zur Leistungssteigerung bei der Substitionskonkurrenz gesetzt werden: So sollte die institutionelle Trennung von Netz und Betrieb durchgesetzt werden, damit der Wettbewerb auf der Schiene schneller voranschreitet. Darüber hinaus ist eine faktische Privatisierung anzustreben, um auch die Bahn dem Konkursrisiko auszusetzen. Nur so sind weitere Verbesserungen der Angebotsqualität im Schienenverkehr zu erwarten. n.e.
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Freuen sich über die mit „summa cum laude" abgeschlossene erste Promotion in der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät: Dekan Prof. Dr. Werner Jann, Doktorvater Prof. Dr. Norbert Eickhof, Promovend Martin Franke, Zweitgutachter Prof. Dr. Klaus Gloede und Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann als weiteres Mitglied der Prüfungskommission (von links nach rechts). Foto: Tribukeit
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PUTZ 3/97