Issue 
(01/01/2019) 03
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

WISSENSCHAFT AKTUELL

STEUERUNGSMASSNAHMEN IM STRASSENFERNVERKEHR

Erste Promotion in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät abgeschlossen

Ende des vergangenen Wintersemesters wurde an der Wirtschafts- und Sozialwis­senschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam das erste Promotionsverfahren eines wirtschaftswissenschaftlichen Mit­arbeiters erfolgreich abgeschlossen. Dipl.-Ökonom Martin Franke promovier­te summa cum laude mit der Dissertation Die Engpaß- und C0 2 -Problematik im Straßenverkehr. Eine vergleichende Ana­lyse nachfrageseitiger Steuerungsmaß­nahmen am Beispiel des Straßenfern­verkehrs in der Bundesrepublik Deutsch­land. Sein Doktorvater war Dr. Norbert Eickhof, der in der Fakultät die Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik innehat.

Diese Arbeit wendet sich einem aktuellen Thema zu: Auf der einen Seite führt eine massiv ansteigende Verkehrsnachfrage zu zunehmenden und immer länger werden­den Straßenverkehrsstauungen. Immer häufiger ist in diesem Zusammenhang der Begriff Verkehrsinfarkt zu lesen. Auch die Höhe der jährlichen Staukosten, die mittler­weile im dreistelligen Milliardenbereich liegt, verdeutlicht die Brisanz der aktuellen Situation. Auf der anderen Seite trägt der Straßenkraftverkehr aufgrund seiner anstei­genden C0 2 -Emissionen zur Verschärfung der Klimaproblematik bei. Als ein Haupt­verursacher des anthropogenen Treibhaus­effektes rückt er immer mehr in den Mittel­punkt der öffentlichen Kritik.

Aufgrund der dringend notwendigen Lösung dieser Probleme werden derzeit große Hoff­nungen in sogenannte verkehrssteuernde Maßnahmen gesetzt. Konkret soll der Staat durch den Einsatz nachfrageseitig ansetzen­der Lenkungsinstrumente sowohl eine effizi­ente Nutzung der vorhandenen Infrastruktur als auch eine Reduzierung der Straßen­verkehrsemissionen herbeiführen. Bei den hierzu vorgeschlagenen Instrumenten han­delt es sich mit der Mineralölsteuer, der Kfz- Steuer und der Autobahngebühr um bereits bekannte Maßnahmen. Darüber hinaus wer­den aber auch zahlreiche neue Konzepte diskutiert. Hierzu zählen Kraftstoffver­brauchsgrenzwerte, elektronische Verkehrs­informationssysteme, der digitale Ver­kehrswarndienst, die variable Verkehrs­beeinflussung, das elektronische Road Pricing sowie eine vom Verfasser der Disser­tation speziell für den Straßenverkehr entwik- kelte C0 2 -Zertifikatlösung.

Die Untersuchung dieser Steuerungsinstru­mente führte zu sehr bemerkenswerten Ergebnissen: So hat sich hinsichtlich der Engpaßproblematik ergeben, daß keines der untersuchten Lenkungsinstrumente

vollständig überzeugen kann. Zwar sind mit dem digitalen Verkehrswarndienst sowie der variablen Verkehrsbeeinflussung durchaus empfehlenswerte Instrumente herauskristallisiert worden. Diese eignen sich jedoch lediglich für einen ergänzen­den, selektiven Einsatz. Darüber hinaus ist jedoch kein nachfrageseitiges Steuerungs­instrument gefunden worden, das in der Lage wäre, die Engpaßproblematik effektiv zu bekämpfen. Selbst das im Moment im­mer wieder geforderte elektronische Road Pricing kann aufgrund zahlreicher offener Fragen und ungelöster Probleme nicht überzeugen. Auch zur Bekämpfung der C0 2 -Problematik haben sich die allermei­sten Instrumente als ungeeignet erwiesen. Hier hat sich herausgestellt, daß nur die Mineralölsteuer den gestellten Anforderun­gen ausreichend entsprechen kann und daher als ein geeignetes Lenkungsinstru­ment zu bezeichnen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Forschungs­resultate lassen sich folgende Handlungs­empfehlungen für die deutsche Verkehrs­politik ableiten: Da keines der nachfrage­seitigen Instrumente den gestellten Anfor­derungen zur Engpaßbeseitigung ent­spricht, kann die angebotsseitige Alternati­ve in Form einer gezielten Erweiterung der Straßeninfrastruktur nicht weiter abgelehnt werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um die zentrale verkehrspolitische Option. Der quantitative und qualitative Ausbau der Fernverkehrsinfrastruktur ist die einzige Möglichkeit des Staates, eine treffsichere Beseitigung der einzelnen Engpässe zu erreichen. In den Bereichen, in denen eine Ausweitung der Infrastruktur bautechnisch

schwierig ist, müssen aber auch nach­frageseitige Maßnahmen eingesetzt wer­den. Hier können speziell die elektroni­schen Verkehrsbeeinflussungsanlagen zu einer effizienten Nutzung der vorhandenen Infrastruktur beitragen. Darüber hinaus soll­te der digitale Verkehrswarnfunk möglichst unverzüglich eingeführt werden. Hinsichtlich der C0 2 -Reduktion im Straßen­kraftverkehr können folgende Empfehlun­gen gegeben werden: Zunächst einmal ist eine klare Priorität zugunsten der Mineral­ölsteuer als emissionsreduzierendes Len­kungsinstrument zu setzen. Darüber hinaus muß der Einsatz der Mineralölsteuer von ergänzenden Maßnahmen flankiert wer­den, um die sehr geringe Preiselastizität der Kraftstoffnachfrage im Straßenverkehr zu vergrößern. Hierzu ist es unter anderem notwendig, daß die Mineralölsteuererhöh­ungen sukzessive und für die Betroffenen transparent sowie planbar erfolgen. Ferner

muß die staatliche Infrastrukturpolitik be­strebt sein, die bei der Substitutionskon­kurrenz Eisenbahn vorhandenen Infrastruk­turdefizite soweit wie möglich zu beseiti­gen. Hier ist insbesondere an den Ausbau der Schienennetze zu denken. Und schließ­lich müssen Anreize zur Leistungssteige­rung bei der Substitionskonkurrenz gesetzt werden: So sollte die institutionelle Tren­nung von Netz und Betrieb durchgesetzt werden, damit der Wettbewerb auf der Schiene schneller voranschreitet. Darüber hinaus ist eine faktische Privatisierung an­zustreben, um auch die Bahn dem Konkurs­risiko auszusetzen. Nur so sind weitere Ver­besserungen der Angebotsqualität im Schienenverkehr zu erwarten. n.e.

7 " :

Freuen sich über die mitsumma cum laude" abgeschlossene erste Promotion in der Wirtschafts­und Sozialwissenschaftlichen Fakultät: Dekan Prof. Dr. Werner Jann, Doktorvater Prof. Dr. Norbert Eickhof, Promovend Martin Franke, Zweitgutachter Prof. Dr. Klaus Gloede und Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann als weiteres Mitglied der Prüfungskommission (von links nach rechts). Foto: Tribukeit

Seite 22

PUTZ 3/97