DIE FLEDERMÄUSE UND IHRE ORIENTIERUNG
Zur Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Marianne Vater
In Potsdam wurden bisher ca. 2.000 Fledermäuse verschiedener Arten in sechs Quartieren gezählt. Als Domizil wählten sich die Flattertiere beispielsweise auch den sogenannten Tanzsaal im Neuen Palais und das Schloß Charlottenhof im Park Sanssouci aus. Mit diesen in Europa unter Naturschutz stehenden Tieren beschäftigte sich Prof. Dr. Marianne Vater in ihrer Antrittsvorlesung„Echoortungsspezifische Anpassungen des Gehörs von Fledermäusen“. Die Wissenschaftlerin bekleidet eine Professur für Allgemeine Zoologie im Institut für Zoophysiologie und Zellbiologie der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät.
Fledermäuse sind nachtaktiv. Im Gegensatz zu anderen Tieren nutzen sie ihr Gehör zur Orientierung im Raum, aber auch zur Detektion und Identifikation von Beute. Deshalb sind alle Gebiete des Hörsystems bei ihnen stark hypertrophiert, die Sehzentren demgegenüber verhältnismäßig winzig. Die Flugsäuger produzieren Ultraschallrufe und erhalten Informationen über ihre Umgebung durch die Analyse der von Zielobjekten reflektierten Echos. Die Erzeugung eines Hörbilds der Umgebung mit Hilfe von Echoortung bezeichnete die Professorin als schwierige Aufgabe. Für die Menschen sei dieser Vorgang ohnehin schlecht nachvollziehbar. Denn das menschliche Sehsystem erzeugt eine direkte Abbildung des Raumes auf der Netzhaut des Auges sowie im zentraen Nervensystem und nutzt extern vorhandenes Licht. Die Orientierung mittels Echoortung verglich die Referentin mit einer Wanderung im Stockdunkeln, wobei lediglich eine schwache Taschenlampe als Lichtquelle dient. Die Reichweite des Lichtstrahls ist dabei begrenzt. Deshalb sind nur jene Objekte wahrnehmbar, die sich direkt im Lichtstrahl befinden. Ein Echoorter muß sich also das Hörbild der Umgebung aus zeitlich diskreten kurzen akustischen Ereignissen zusammensetzen. Die Information über die Zielobjekte ist in der Frequenz-Zeitstruktur des Echos auf die Ortungsrufe enthalten. Das Gehör berechnet dann aus diesen Parametern ein akustisches Image. Die Ortungsrufe der Fledermäuse sind artspezifisch. Sie weisen unterschiedliche Frequenz-Zeitstrukturen auf. Untersuchungen ergaben, daß die Laute typischerweise im Ultraschallbereich oberhalb von 20 kHz, der oberen Hörgrenze des Menschen, liegen. Damit ergeben sich Werte je nach Art zwischen 180 und 20 kHz. Die Wissenschaftlerin wandte sich in ihrer Vorlesung zwei Problemkreisen intensiver zu: der Messung kleinster Frequenzver
schiebungen des Echos zur Analyse von Relativbewegungen und der Entfernungsmessung mit Hilfe der Analyse von Laufzeitdifferenzen. Am Beispiel der Hufeisennasen und der Schnurrbartfledermäuse erläuterte Marianne Vater die Anpassung der Ortungslautstruktur an die Jagd im artspezifischen Biotop. Diese Arten jagen sich in der Flügelschlagrate unterscheidende Insekten in dichter Vegetation. Der rhythmische Flügelschlag der Beute erzeugt im Echo kleine Frequenz- und Amplitudenmodulationen. Sie bilden rhythmische, akustische Glanzlichter vor den zeitlich umstrukturierten Echos des intergrunds. Das Hörsystem ist speziell auf e Verarbeitung kleinster Frequenzverchiebungen des Echos angepaßt. Auf diee Weise sei„das Nutzecho von Beutetieren us einem Salat von Störechos des Hintergrunds erkennbar“.
Viele Aspekte der Verarbeitung in der schwer zugänglichen Gehörschnecke und der Parallelverarbeitung im zentralen Hörsystem der Fledermäuse sei noch nicht er
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Prof. Dr. Marianne Vater Foto: Fritze forscht. Das Verständnis eines Sinnessystems und seines evolutiven Wandels bedürfe der„interdisziplinären Zusammenarbeit von Verhaltensforschern, Physikern, Neurobiologen und Zellbiologen, die sich in Ansätzen und Methoden ergänzen“, charakterisierte Marianne Vater die weitere Forschungsarbeit. B.E.
NEUE TECHNOLOGIEN AUS DER UNI POTSDAM
Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie fand am 11. März 1997 ein Technologie-Dialog zur Biotechnologie/ Medizintechnik in Berlin statt. Dieses Treffen von Wissenschaftlern, Technikern, Ausstellern und nicht zuletzt Politikern— die z.B. durch den Bundespräsidenten Roman Herzog, den Berliner Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen und Dr. Burkhard Dreher, den Wirtschaftsminister Brandenburgs, vertreten waren— sollte zur effizienten Verknüpfung von Forschung und Industrie beitragen. Die Universität Potsdam beteiligte sich an dieser Veranstaltung gleich mit drei Ausstellern. Prof. Dr. Frieder Scheller, der die Analytische Biochemie in der MathematischNaturwissenschaftlichen Fakultät vertritt, präsentierte das Kooperationsprofil des neueingerichteten Innovationskollegs„Biomolekulare Erkennungssysteme für die biochemische Ana
Iytik“. Dr. Sarkis Manukow aus dem Institut für Berufspädagogık stellte einen neuentwickelten Duschkopf zur Anwendung in der Hygiene, im Pflegebereich und in Kliniken(„Duschen im Bett“) vor. Aus dem Institut für Sportmedizin und Prävention stellten Dr. Dieter Lazik(unser Bild) und Rene Kittel eine neuentwickelte und in Zusammenarbeit mit der Industrie gefertigte Extensionsliege, d.h. ein Gerät zur Entlastung der Wirbelsäule, vor. Diese Bereiche sind darüber hinaus mit weiteren Wissenschaftlern der Potsdamer Universität, wie z.B. Prof. Dr. Peter Maaß und Dr. Hartmut Schachtzabel aus dem Institut für Mathematik, an der Entwicklung neuer Ideen, Patente, Industriekontakte und globalen Forschungskooperationen wesentlich beteiligt. Dabei werden sie von Dr. Andreas Bohlen aus dem Potsdamer Innovations- und Technologie-Transfer(PITT) beraten und unterstützt, La./Bo./Foto: Kittel
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PUTZ 4/97