„GEGEN BILDUNGSMORD IN BRANDENBURG”
Studierende und Uni-Mitarbeiter für intelligentes Sparen
Sparsam mit den Finanzen umzugehen, ist in allen Bereichen an der Tagesordnung. Die damit verbundenen Einschnitte sind oft unangenehm, aber unabdingbar und hinterlassen natürlich auch an der Universität Potsdam Spuren. Doch nun soll es an die Substanz gehen. Der weitere Ausbau der Hochschule ist in Gefahr. Dagegen wehrten sich in den vergangenen Wochen und Monaten gleichermaßen Mitarbeiter und Studierende der Alma mater mit vielfältigen und phantasievollen Aktionen, die ihre Öffentlichkeitswirksamkeit nicht verfehlten.
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Über 3500 Uni-Angehörige gingen auf die Straße. Konzil, Senat und die Personalräte wandten sich mit Resolutionen an die Politiker und die Öffentlichkeit, Studierende besetzten die SPD-Landeszentrale, diskutierten mit dem Ministerpräsidenten, Dr. Manfred Stolpe, und dem Wissenschaftsminister des Landes Brandenburg, Steffen Reiche. Unter dem Motto:„Soll die Universität ausbluten?“ informierte die Uni-Leitung auf einer Pressekonferenz die Journalisten.
Am Ende der Fahnenstange
Bisher hat die Hochschule konstruktiv daran mitgewirkt, Mittel einzusparen. Jetzt stehen jedoch solche finanziellen Einschnitte bevor, die eine seriöse Entwicklung der Hochschule unmöglich machen. Geht es nämlich nach dem Willen des brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur(MWFK), so bleiben von den ursprünglich für das Jahr 2000 geplanten 262 Professuren, später auf 243, dann sogar auf 209 reduziert, nur noch 190 übrig. In dem Zusammenhang postulierte das MWFK beispielsweise die Zusammenlegung der beiden Philosophischen Fakultäten sowie der Juristischen mit der Wirtschafts- und Sozial
wissenschaftlichen Fakultät und dachte gar laut über die Schließung der Juristischen Fakultät nach. Mit dieser Reduzierung der Professuren wäre die Potsdamer Alma mater im Vergleich zu den anderen brandenburgischen Hochschulen von besonders hohen Kürzungen betroffen.
Potsdam sollen 72 Professuren genommen werden, Cottbus 13 von 143 und in Frankfurt/Oder den im Gründungskonzept vorgesehenen 51 Professuren noch zwei weitere hinzugefügt werden. Das ergibt eine Reduzierung des Lehrkörpers um 27,5 Prozent bei der Universität Potsdam, um neun Pro
Zeıtweiliges ) Verkehrschaos verursachten die 3500 Uni-Mitarbeiter und
Studierenden am 28. April 1997.mit ihrem Demonstrationszug in der Innenstadt Potsdams, hier vor der Staatskanzlei, Foto: Tribukeit
zent bei der Technischen Universität Cottbus und einen Zuwachs von vier Prozent bei der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/ Oder. Gemessen an den haushaltsmäßig verfügbaren Professorenstellen beträgt der gegenwärtige Ausbaustand in Potsdam 75,6 Prozent(im Vergleich: Frankfurt/Oder 102 Prozent, Cottbus 98 Prozent).
Klar sei, so Rektor Prof. Dr. Wolfgang Loschelder, daß die Universität Potsdam als größte Einrichtung die Lasten bis zu einem gewissen Grade überproportional tragen
1.500 DM
als Universität mit traditionellem Fächerspektrum in fünf Fakultäten die erfolgreichste Hochschule des Landes Brandenburg dar, denn sie bildet bei steigender Tendenz mit rund 10.000, etwa 2.500 waren es 1991, die Hälfte aller Studierenden des Landes Brandenburg aus. Aufgrund des günstigen Betreuungsverhältnisses können die Studierenden die Regelstudienzeit einhalten, die Abbrecherquote ist gering. Und das, obwohl die Mittel sowohl je Professur als auch je Studierendem ständig gesunken sind. Deshalb stellen weitere von 209 Professuren ausgehende Kürzungen eine akute Gefahr für die Ausbildung der Studierenden und die Konkurrenzfähigkeit der Einrichtung dar. Solchen Studiengängen wie Arbeitslehre, Sonder- und Grundschulpädagogik droht das Aus.
Eckprofessuren in den Ernährungswissenschaften und Geowissenschaften sind noch immer unbesetzt. Die gerade von der Landesregierung mit hoher Priorität geforderte Einrichtung der Ethik-Professur für L-E-R wäre gefährdet. Neue Ausbildungsprofile, beispielsweise in der Sportwissenschaft, würden zerstört.
Prof. Dr. Karl Erich Grözinger und Prof. Dr. Julius H. Schoeps bangen um den Studiengang„Jüdische Studien“, weil die„Kürzungen bereits jetzt ein Ausmaß erreicht haben, das eine Aufrechterhaltung der Grundverpflichtungen in Lehre und Forschung schon im kommenden Wintersemester fraglich erscheinen läßt“. Auch wären„Bedarfskündigungen unvermeidbar, wenn nicht für die Umstrukturierung der Universität Zwischenfinanzierungen, was Zeit braucht, ermöglicht werden“, konstatierte Uni- Kanzler Alfred Klein. Angesichts dieser Tatsache bedarf es nach Auffassung der Uni-Leitung„eines ausgewogenen, durchdachten Konzeptes der Landesregierung, das die knappen Mittel nach einsichtigen Kriterien verteilt“. Dieses bisher noch im
müsse. Aber mit der Zahl von 209
1.400 DM
—____|Sachmittel je Student im Laufe der Jahre]
Professuren sei das Ende der
1.300 DM
Fahnenstange erreicht. ‚Wir ak
1.200 DM
zeptieren eine zeitliche Strek
1.100 DM
kung unseres Alfbaus; aber‘;
eine weitere Absenkung tragen wir nicht mit!“
Potsdam stellt
900 DM.
800 DM
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