ZWEITE SAISON FÜR GOLMER GEN-KARTOFFELN
Freilandversuch fortgesetzt— Proteste von Potsdamer Studenten
Die zweite Saison für die Golmer Gen-Kartoffeln hat begonnen. Das auf dem Campus der Potsdamer Universität angesiedelte Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie hat Anfang Mai erneut 5.500 genmanipulierte Pflanzen auf einer Fläche von einem Hektar ausgesät. Im vergangenen Jahr war das Golmer Experiment als bundesweit größter Freilandversuch gestartet worden. Ziel ist die Verbesserung der Stärkeeigenschaften und des Phosphatstoffwechsels der Kartoffeln.
Auf den ersten Blick sieht das Golmer Versuchsfeld aus wie ein herkömmlicher Kartoffelacker. In Kochtopf, Pfanne oder Friteuse werden die hier reifenden Knollen jedoch nicht landen.„Pflanzen nicht für menschlichen Verzehr oder Verfütterung bestimmt!“, ist auf acht Schildern am Ackerrand zu lesen— die Erdäpfel Marke„MaxPlanck-Institut“ wachsen ausschließlich fü die Wissenschaft. Für die„Speisekartoffel“ interessieren sich die Pflanzenphysiologen ohnehin nicht:„Uns geht es hauptsächlich um den nachwachsenden Rohstoff Kartoffelstärke“, so der Forschungskoordinator des Instituts, Rainer Höfgen. Stärke werde beispielsweise als Dickungsmittel in der Lebensmittelindustrie, als Bindemittel für Wellpappe oder für die Herstellung von Papier und Klebstoff verwendet. Durch die Veränderung des Erbgutes könne die Stärkezusammenset
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Wissenschaftliches Versuchsgelände Betreten für Unbefugte verboten! Pflanzen nicht für menschlichen Verzehr ‚oder Verfütterung bestimmt!
Max-Pharck-Inssitut Kür Mukikukang Plinnsoerpestalagie, Got
Kartoffeln hinter Gittern: Das Versuchsfeld des Max-Planck-Instituts für Molekulare PflanzenPhysiologie in Golm gehört zu den bestbehütetsten Äckern Deutschlands. Rund um die Uhr bewachen Sicherheitskräfte die 0,6 Hektar große Fläche mit genmanipulierten Pflanzen. Foto: Tribukeit
Gentechnik-Gegner auf der Brandenburger Straße in Potsdams Innenstadt: Zweimal protestierte die Hochschulgruppe„Kartoffelkäfer” in diesem Jahr bereits gegen den Freilandversuch in Golm und für den sofortigen Ausstieg
aus der„grünen Gentechnik“, Foto: Fritze zung in der Kartoffel„leistungsfähiger“ gestaltet werden. 24 fremde Gene aus Spinat, Hefen und Bakterien haben die Forscher ihren Pflanzen eingebaut. Insgesamt 96 neue Linien sind so entstanden.
Gefahren für die Umwelt durch die Testreihe schließt Höfgen aus. Eine Übertragung der eingepflanzten Gene auf andere Organismen sei nicht zu befürchten. Die Gegner von Gentechnik-Experimenten sehen das ganz anders.„Die Möglichkeit eines Überspringens von Genen ist bereits mehrfach nachgewiesen worden“, so die Potsdamer Biochemie-Studentin Cornelia Schindler. Die 20jährige hat Anfang des Jahres zusammen mit 15 Kommilitonen die Hochschulgruppe„Kartoffelkäfer“ gegründet, die sich für den sofortigen Abbruch des Golmer Freilandversuches und einen Ausstieg aus der„grünen Gentechnik“ einsetzt. Zweimal protestierten die Studenten in diesem Jahr bereits in der Potsdamer Innenstadt. Weitete Aktionen sind nach Angaben von Corneia Schindler bereits geplant. ‚Wir haben gemerkt, daß die Bevölkerung der Genechnik äußerst kritisch gegenüber steht. Das hat uns in unseren Aktivitäten bestärkt.‘ Mit Zerstörungen von Versuchsfeldern wolen die„Kartoffelkäfer“ allerdings nichts zu un haben.„Gewalt lehnen wir grundsätzich ab“, betont Schindler. Im vergangenen ahr hatten Unbekannte bundesweit 14 von insgesamt 99 Äckern mit genmanipulierten Pflanzen zerstört und einen Sachschaden
Brandenburg setzt auf Gentechnik
Nach Einschätzung der Landesregierung gehört die Bio- und Gentechnik auch für Brandenburg zu den zentralen Zukunftstechnologien. Die Zahl der Arbeitsplätze und damit auch das vorhandene wirtschaftliche Potential in diesem Bereich werde sich in naher Zukunft verdoppeln, hieß es kürzlich in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zum Thema Gentechnik. Bereits jetzt gibt es 50 kleinere und mittlere Bio- und Gentechnikunternehmen mit mehreren hundert Beschäftigten in Brandenburg. Die gewerbliche Nutzung beschränkt sich derzeit noch auf die Herstellung von einzelnen Spezialprodukten. Für die kommenden Jahre wird allerdings mit der Etablierung von gentechnischen Anlagen gerechnet.
Nicht nur auf wirtschaftlicher, auch auf wissenschaftlicher Ebene ist die Biound Gentechnik in Brandenburg auf dem Vormarsch. Drei Forschungszentren befinden sich derzeit im Aufbau. Neben dem Wissenschaftspark in Golm entstehen Biotechnologiezentren in Luckenwalde und auf Hermannswerder in Potsdam.
Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen werden derzeit an drei Standorten in Brandenburg durchgeführt. Während sich das MaxPlanck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie auf die Kartoffel spezialisiert hat, testet die Firma Agrevo in Schönfeld die Herbiszidresistenz von Raps, Mais und Zuckerrüben. Ein weiterer Acker mit genmanipuliertem Raps befindet sich Dahnsdorf. Auch hier geht es um die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegen Unkrautbekämpfungsmittel. mef
von etwa zwei Millionen Mark angerichtet. Ganze Versuchsreihen wurden durch die Anschläge vernichtet. Auch das Feld in Golm fiel Mitte Juni 1996 dem Vandalismus zum Opfer. Zäune wurden niedergerissen, Ackerfurchen zertrampelt und kostbare Knollen aus dem Boden gerupft. Zurück blieben 6.000 zerstörte Kartoffelpflanzen— ein Fünftel des Bestandes. Den reinen Sachschaden schätzt Rainer Höffgen auf 60.000 Mark. Viel schlimmer sei allerdings der Forschungsrückstand, der durch den Überfall entstanden sei:„Der wissenschaftliche Schaden ist unschätzbar“, so Höffgen. Trotz der erhöhten Alarmbereitschaft bei den
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