„Genbauern“ ist es auch in diesem Jahr bereits wieder zu Zerstörungen und Besetzungen von Versuchsäckern gekommen. Im sächsischen Riesa mähten Unbekannte Anfang Mai ein 2.000 Quadratmeter großes Rapsfeld. Im brandenburgischen Schönfeld konnte die Aussaat von genmanipuliertem Mais nur unter Polizeischutz erfolgen, nachdem das Feld tagelang von einer Bürgerinitiative besetzt worden war.
Das Golmer Max-Planck-Institut geht nach den schlechten Erfahrungen im vergangenen Jahr auf„Nummer sicher“. Das Feld wird nun rund um die Uhr von Wachleuten behütet. ‚Wir haben allerdings nicht unendlich viel Geld, um dieses Spiel ewig zu trei
ben“, sagt Rainer Höfgen.
Bis zum Jahr 2000 sind die Freilandversuche des Max-Planck-Instituts genehmigt. Ob die genmanipulierten Knollen mit den verbesserten Stärkeeigenschaften dann auch jenseits des Golmer Ackerzauns ausgesetzt werden können, steht noch in den Sternen.„Das hängt auch davon ab, wie sich die öffentliche Akzeptanz der Gentechnologie in Deutschland entwickelt“, meint Höfgen. Die kommerzielle Umsetzung von Forschungsergebnissen aus diesem Bereich lasse hierzulande immer noch zu wünschen übrig:„Im Vergleich zu den USA haben wir da einen Rückstand von ungefähr fünf Jahren.“ mcef
WAS WIRD AUS PSYCHISCH AUFFÄLLIGEN KINDERN? _Längsschnittstudie vom Kindes- zum Erwachsenenalter
Der Verlauf psychischer Auffälligkeiten in einer Region mit gutem Behandlungsangebot kann nur durch prospektive epidemiologische Längsschnittstudien untersucht werden. Solche Untersuchungen sind aufgrund des hohen materiellen Aufwands selten. Insbesondere der Übergang vom Kindes- zum Erwachsenenalter ist bislang kaum untersucht. Die wenigen existierenden Studien sind mit erheblichen methodischen Problemen behaftet. Umso bedeutender sind die nun vorliegenden Ergebnisse der Mannheimer Kurpfalzerhebung, die über einen Zeitraum von 17 Jahren durchgeführt wurde. An der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Untersuchung waren auch Wissenschaftler des Instituts für Psychologie der Universität Potsdam beteiligt.
1978 wurde die erste Untersuchungswelle der 1970 geborenen Mannheimer Kinder durchgeführt. Weitere Untersuchungen erfolgten im Alter von 13, 18 und 25 Jahren. Die letzte Erhebungswelle wurde gemeinsam mit einer Rostocker Längsschnittstudie durchgeführt, bei der unabhängig von der Mannheimer Studie Kinder des gleichen Jahrgangs mit ähnlichen Fragestellungen untersucht wurden.
Die Kurpfalzerhebung befaßt sich insbesondere mit den Entstehungsbedingungen und dem Verlauf von psychischen Störungen vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter. Von den 399 im Alter von acht Jahren erstmals untersuchten Mannheimern konnten als 25jährige immerhin noch 321(über 80 Prozent) nachuntersucht werden.
Die Rate psychischer Auffälligkeiten schwankte über die Jahre konstant zwischen 16 und 18 Prozent. Rund vier bis sechs Prozent mußten als schwere Formen und unbedingt behandlungsbedürftig eingeschätzt werden. Durchschnittlich betrug die Stabilität psychischer Störungen über einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren 50 Prozent. Ein Fünftel aller Teilnehmer der Studie waren über den gesamten Erhebungszeitraum psychisch gesund. Zehn Prozent waren mindestens zehn Jahre lang psychisch auffällig, so daß hier insgesamt von einer chronischen Störung ausgegangen werden mußte. Achtjährige mit Ängsten und Kontaktstörungen hatten gute Chancen, ihre Probleme bis zum
13. Lebensjahr zu bewältigen. Dies gelang immerhin drei von vier Betroffenen. Dieser positive Trend setzte sich auch über die nächsten zwölf Jahre fort. Sehr viel ungünstiger war der Verlauf bei Kindern mit Sozialstörungen. 90 Prozent von ihnen hatten auch fünf Jahre später noch deutliche Auffälligkeiten, von denen sich nur ein kleiner Teil in den weiteren Jahren zurückbildete. Ängste, Depressionen und Kontaktstörungen 13jähriger Mädchen zeigten einen ungünstigen Verlauf, während die gleichen Störungsbilder bei Jungen eher günstig verliefen. Das Umgekehrte galt für Sozialstörungen im Alter von 13 Jahren, die bei Jungen sehr ungünstig und bei Mädchen sehr günstig verliefen.
Aufgrund ihres Verlaufs lassen sich sieben
Symptomtypen identifizieren:
* Typ 1: z.B. Freßsucht und Zwänge; konstante Häufigkeit vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter.
* Typ 2: z.B. motorische Unruhe, Einnässen oder Geschwisterrivalität; kontinuierlich abfallende Häufigkeit vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter.
* Typ 3: z.B. Nikotin- und Alkoholmißbrauch; kontinuierlicher Anstieg vom Kindes- zum Erwachsenenalter,
* Typ 4: z.B. Ablenkbarkeit, Einschlafstörungen, aber auch Stehlen; eine typische Störung des Kindesalters mit hohen Raten im Kindes- und niedrigen im Jugendund Erwachsenenalter.
* Typ 5: z.B. Panikstörungen und Somatisierungstendenzen; Erwachsenentyp mit niedrigen Raten im Kindes- und hohen Raten im Erwachsenenalter.
* Typ 6: z.B. depressive Verstimmungen und Kopfschmerzen; Höhepunkt im Jugendalter bei niedrigeren Werten im Kindes- und Erwachsenenalter.
* Typ 7: z.B. Disziplinstörungen in der Schule und Nägelkauen; phasenspezifischer Typ mit Höhepunkt im Alter von 13 Jahren, ansonsten niedrige Werte.
Psychisch auffällige Kinder haben als junge Erwachsene Beeinträchtigungen in vielen Lebensbereichen. Dies gilt zum Beispiel für eine gestörte Beziehung zur Herkunftsfamilie, zu Gleichaltrigen, eine Einschränkung der Interessen und Freizeitbeschäftigungen, sowie eine niedrigere berufliche Anpassung. Insgesamt sind die Kinder mit ehemaligen Sozialstörungen stärker betroffen als diejenigen mit ehemaligen emotionalen Problemen. Eine Analyse der Belastungsfaktoren erbrachte, daß bei jungen Erwachsenen mit Ängsten, Depressionen und psychosomatischen Beschwerden die relevanten Probleme eher im Jugend- und jungen Erwachsenenalter zu suchen sind, während bei Erwachsenen mit Sozialstörungen und Suchterkrankungen eher in der frühen und mittleren Kindheit zu suchen sind.
Ein Vergleich zwischen der Häufigkeit psy
chischer Auffälligkeiten in Rostock und
Mannheim erbrachte, daß die Raten in Ro
stock mit 12,7 Prozent im Vergleich zu 18,4
Prozent in Mannheim niedriger waren. Vor
allem Suchtprobleme und psychosomati
sche Beschwerden waren in Mannheim häufiger. So war bei Mannheimer Männern häufiger Nikotin- und Drogenmißbrauch sowie Arbeitsverweigerung festzustellen, während Rostocker Männer häufiger Panikstörungen zeigten. Mannheimer Frauen litten häufiger unter Phobien, Kontaktstörungen und Nikotinabhängigkeit, während
Rostocker Frauen sich als impulsiver und
hypochondrischer erwiesen.
Ein hochinteressantes Ergebnis bezüglich
des Ost-West-Vergleichs ergab sich bei Be
rücksichtigung der Risikofaktoren. Familiäre
Belastungen wie Disharmonie in der Ehe,
psychische Störungen der Mutter oder Kri
minalität des Vaters, Faktoren, die in Mannheim wichtige Prädiktoren für psychische
Auffälligkeit waren, hatten in Rostock prak
tisch keine Bedeutung. Es konnte gezeigt
werden, daß familiäre Belastungsfaktoren in
Mannheim die psychische Gesundheit der
Kinder erheblich stärker belasten als in Ro
stock. Erklärt wird dieser Ost-West-Unter
schied durch das Vorhandensein protektiver
Faktoren(Krippen- und Horterziehung) in
der DDR, die insbesondere bei psychosozial
schwer belasteten Familien den Kindern eine wertvolle Stütze waren. Günter Esser
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