Heft 
(1.1.2019) 08
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AGRARGESCHICHTE ALS LEBENSGESCHICHTE

DrittesForum Politik und Geschichte in Potsdam

Gutsherrschaft und preußische Unterta­nen war das Thema des drittenForum(s) Politik und Geschichte, das die Branden­burgische Landeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit dem Pots­damer Zentrum für Zeithistorische For­schung veranstaltete. Einblick in die Lebenswirklichkeit der Landbevölkerung in der frühen Neuzeit gaben Mitarbeiter aus dem Historischen Institut der Univer­sität Potsdam.

Junkerherrschaft, Erbuntertänigkeit, Fron­zwang, militärischer Drill haben demnach den preußischen Untertanen geformt. Die­ses Konzept zur Erklärung der negativen Seite der deutschen Geschichte bleibt gül­tig, doch fällt auf, daß hierbei die breite Bevölkerung nur als Objekt der Herrschen­den aufgefaßt wird. Eine solche Heran­gehensweise ist in der Geschichtswissen­schaft eigentlich überwunden, das Volk wird als Handelndes in den Blick genom­men. Aus der Zusammenschau von jJunker­lichem und bäuerlichem Agieren wollen die Potsdamer Wissenschaftler um Prof. Dr. Jan Peters nun das System Gutsherrschaft neu konzipieren.

Nicht eben widerspruchslos begaben sich die v. Salderschen Bauern in der Prignitz im 17. Jahrhundert in das Schicksal ihrer Unter­tänigkeit, wenn sie dem Gutspächter entge­genhielten,sie seien bei weitem seine Leib­eigenen nicht, und die Pächter fast resignie­rend die Widersetzlichkeit beklagten. Neben dem Obrigkeit-Untertanen-Gegensatz be­standen Klientelverhältnisse. Der Saldern­sche Lehnschulze Achaz Steil ging 1618 mit dem Degen auf seinen Vater los, infolgedes­sen dieser eine Zeit später verstarb. Der Schulze wurde verklagt, der Amtsschreiber Kaspar Weichhaupt aber, der Gläubiger des

Kommerzielle Lesezeichen

Die Bücher der Potsdamer Universitätsbiblio­thek werden nun doch nicht mit Reklame be­klebt(vgl. PUTZ 7/97). Zu Werbeträgern sol­len sie trotzdem werden: Ab März nächsten Jahres liegen den Leihgaben Handzettel mit Werbebotschaften bei. Sieben Pfennig be­kommt die Uni für jeden verteiltenFlyer. Von den Einnahmen sollen der Büchereibestand aufgestockt und die technische Ausstattung verbessert werden. Laut Bibliotheksdirektorin Barbara Schneider-Eßlinger könnten die kom­merziellen Lesezeichen bis zu 12.000 Mark im Jahr einbringen. Zunächst wird der Werbe­feldzug durch die Bücherregale jedoch auf zwei Monate befristet.Es ist ganz wichtig, wie die Benutzer reagieren. Wenn der Unwil­le zu groß ist, brechen wir den Versuch ab, so Schneider-Eßlinger. mcef

Achaz Steil war, verstand es, die Klageschrift so aufzusetzen, daß Steil vor harter Strafe bewahrt blieb. Die Gemeinde verweigerte überdies ihrem allzu selbstherrlichen Pfarrer die Gefolgschaft. Eberhard Sodemann, 1701-43 Pfarrrer auf Rügen, lag mit seiner Konfirmandengruppe über Kreuz, so daß sie sich weigerte, das Examen abzulegen. Er griff sich einen Schusterjungen heraus, dem er von der Stralsunder Obrigkeit die überaus schwere Strafe von 24 Talern auferlegen ließ. Am Tage der Konfirmation fand der Pfarrer die Kirche leer.

Das Gutsherrschaftsgebiet war kein monolithischer Block. Bekannt ist, daß die Bauern auf den königlichen Domänen bes­ser gestellt waren als die auf den Junker­gütern. Amtsdörfer zwischen Berlin und Potsdam verwalteten sich weitgehend selbst, einmal im Jahr kam der Amtmann zumDingetag. Holzverkauf aus der Gemeinheide ermöglichte nicht nur, Gemeindeeinrichtungen wie Hirtenhäuser, Pfarr- und Schulhaus und ein Spritzenhaus zu erstellen, sondern auch völlig selbstän­dig darüber auf der Gemeindeversamm­lung zu entscheiden, die Zuteilung des Holzbedarfs an die Bauern in Eigenregie vorzunehmen und die Holzfrevler zu büßen. Was machte die Funktionsfähigkeit des Gutsherrschaftssystems aus und die Unter­tänigkeit erträglich? Zu beobachten ist: Die Höfe waren ein sicherer Besitz, auch nur auf Lebenszeit überlassene Bauerngüter waren faktisch erblich. Widerständigkeit zeitigte Teilerfolge durch partielles Zurückweichen der Gutsherren. Die Untertanen verfolgten ihre Interessen durch Widerstand und Ge­horsam. Letzterer konnte sich lohnen, etwa wenn er mit der Erlangung einer besseren Hofstelle belohnt wurde. Hartmut Zückert

INTERNATIONALE TAGUNG AM KLEINEN WANNSEE

Im September tagten 25 Psychologen aus Großbritannien, Israel, Kanada, Polen, den USA und Beutschland im Adam-von-Trott­Hauss am Kleinen Wannsee. Die Lage des Tagungsortes war auch Sinnbild für die Ver­anstaltung. Denn eingeladen hatten die Uni­versität Potsdam und die Freie Universität Berlin- getagt wurde gleichsam auf halbem Wege zwischen beiden Universitäten. Insgesamt standen Fragen der kognitiven Repräsentation menschlicher Wahr­nehmungs- und Denkinhalte und vor allem ihre unterschiedlichen Rollen bei der Er­stellung von Angst und Depression, in Pro­zessen des kognitiven Alterns sowie in Vor­gängen der sozialen Wahrnehmung des Problemlösens oder des Verstehens von Sprache im Mittelpunkt. Mit anderen Wor­ten, es wurde nach theoretischen Konzep­ten gesucht, die interne Fächergrenzen überschreiten, die wohlreguliertes und an­gepaßtes wie auch fehlreguliertes Verhal­ten erklären können. Grenzüberschreitend war auch die Vorbe­reitung der Tagung: Denn die lokalen Orga­nisatoren Dr. Ulrich v. Hecker und Prof. Dr. Reinhold Kliegl von der Universität Pots­dam, sowie PD Dr. Stephan Dutke von der Freien Universität Berlin wurden bereits im Vorfeld tatkräftig von Kollegen der polni­schen Universität Warschau und der ame­YNkanischen University of Kansas unterstützt. Finanzielle Förderung erfuhr die Konferenz von einer Vielzahl interessierter Institutio­nen: Neben den veranstaltenden Universi­täten trugen das Brandenburger Ministeri­um für Wissenschaft, Forschung und Kultur, der Stifterverband der Deutschen Wissen­schaft und The British Council zur Deckung des Etats bel. Stephan Dutke

MOTIVATIONSFORSCHER IN POTSDAM

Das diesjährige Motivationspsychologi­sche Kolloquium fand in Potsdam im Schloß Petzow statt. Rund 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trafen sich dort Ende September, um aktuelle Forschungsansätze vorzustellen und zu diskutieren. Die Beiträ­ge boten Einblick in die Vielfalt der Motivationsforschung; so stand in eher theoretisch orientierten Vorträgen z. B. im Mittelpunkt, wie motivationsbezogene Kon­zepte wie Motive, Werte und Wille sich neu definieren und messen lassen. Ein weiterer Block beschäftigte sich mit dem Einfluß, den Motivation auf Lernen und Leistung hat. Dazu wurden Experimente vorgestellt, die den Lernprozeß in Abhängigkeit verschie­dener Motivationszustände untersuchen.

Eng verwandt mit dem Motivationskonzept sind Emotionen. Daher wurden auch eine Theorie zur Emotionsentstehung vorgestellt sowie die Erfassung von Emotionen disku­tiert. Im Zuge einer Vorstellung, wie theore­tische Konzepte in die Praxis umgesetzt werden können, präsentierte man darüber hinaus ein Motivationstraining, das derzeit in Potsdamer Schulen erprobt wird.

Das Motivationspsychologische Kolloqui­um ist aus einem Bergisch-Westfälischen Motivationskolloquium hervorgegangen und wurde dieses Jahr zum ersten Mal au­ßerhalb Bergisch-Westfalens ausgetragen. Die Organisation dazu übernahm Prof. Dr. Falko Rheinberg vom Institut für Psycholo­gie der Universität Potsdam. RV.

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PUTZ 8/97