AGRARGESCHICHTE ALS LEBENSGESCHICHTE
Drittes„Forum Politik und Geschichte” in Potsdam
„Gutsherrschaft und preußische Untertanen“ war das Thema des dritten„Forum(s) Politik und Geschichte“, das die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung veranstaltete. Einblick in die Lebenswirklichkeit der Landbevölkerung in der frühen Neuzeit gaben Mitarbeiter aus dem Historischen Institut der Universität Potsdam.
Junkerherrschaft, Erbuntertänigkeit, Fronzwang, militärischer Drill haben demnach den preußischen Untertanen geformt. Dieses Konzept zur Erklärung der negativen Seite der deutschen Geschichte bleibt gültig, doch fällt auf, daß hierbei die breite Bevölkerung nur als Objekt der Herrschenden aufgefaßt wird. Eine solche Herangehensweise ist in der Geschichtswissenschaft eigentlich überwunden, das Volk wird als Handelndes in den Blick genommen. Aus der Zusammenschau von jJunkerlichem und bäuerlichem Agieren wollen die Potsdamer Wissenschaftler um Prof. Dr. Jan Peters nun das System Gutsherrschaft neu konzipieren.
Nicht eben widerspruchslos begaben sich die v. Salderschen Bauern in der Prignitz im 17. Jahrhundert in das Schicksal ihrer Untertänigkeit, wenn sie dem Gutspächter entgegenhielten,„sie seien bei weitem seine Leibeigenen nicht“, und die Pächter fast resignierend die Widersetzlichkeit beklagten. Neben dem Obrigkeit-Untertanen-Gegensatz bestanden Klientelverhältnisse. Der Saldernsche Lehnschulze Achaz Steil ging 1618 mit dem Degen auf seinen Vater los, infolgedessen dieser eine Zeit später verstarb. Der Schulze wurde verklagt, der Amtsschreiber Kaspar Weichhaupt aber, der Gläubiger des
Kommerzielle Lesezeichen
Die Bücher der Potsdamer Universitätsbibliothek werden nun doch nicht mit Reklame beklebt(vgl. PUTZ 7/97). Zu Werbeträgern sollen sie trotzdem werden: Ab März nächsten Jahres liegen den Leihgaben Handzettel mit Werbebotschaften bei. Sieben Pfennig bekommt die Uni für jeden verteilten„Flyer“. Von den Einnahmen sollen der Büchereibestand aufgestockt und die technische Ausstattung verbessert werden. Laut Bibliotheksdirektorin Barbara Schneider-Eßlinger könnten die kommerziellen Lesezeichen bis zu 12.000 Mark im Jahr einbringen. Zunächst wird der Werbefeldzug durch die Bücherregale jedoch auf zwei Monate befristet.„Es ist ganz wichtig, wie die Benutzer reagieren. Wenn der Unwille zu groß ist, brechen wir den Versuch ab“, so Schneider-Eßlinger. mcef
Achaz Steil war, verstand es, die Klageschrift so aufzusetzen, daß Steil vor harter Strafe bewahrt blieb. Die Gemeinde verweigerte überdies ihrem allzu selbstherrlichen Pfarrer die Gefolgschaft. Eberhard Sodemann, 1701-43 Pfarrrer auf Rügen, lag mit seiner Konfirmandengruppe über Kreuz, so daß sie sich weigerte, das Examen abzulegen. Er griff sich einen Schusterjungen heraus, dem er von der Stralsunder Obrigkeit die überaus schwere Strafe von 24 Talern auferlegen ließ. Am Tage der Konfirmation fand der Pfarrer die Kirche leer.
Das Gutsherrschaftsgebiet war kein monolithischer Block. Bekannt ist, daß die Bauern auf den königlichen Domänen besser gestellt waren als die auf den Junkergütern. Amtsdörfer zwischen Berlin und Potsdam verwalteten sich weitgehend selbst, einmal im Jahr kam der Amtmann zum„Dingetag“. Holzverkauf aus der „Gemeinheide“ ermöglichte nicht nur, Gemeindeeinrichtungen wie Hirtenhäuser, Pfarr- und Schulhaus und ein Spritzenhaus zu erstellen, sondern auch völlig selbständig darüber auf der Gemeindeversammlung zu entscheiden, die Zuteilung des Holzbedarfs an die Bauern in Eigenregie vorzunehmen und die Holzfrevler zu büßen. Was machte die Funktionsfähigkeit des Gutsherrschaftssystems aus und die Untertänigkeit erträglich? Zu beobachten ist: Die Höfe waren ein sicherer Besitz, auch nur auf Lebenszeit überlassene Bauerngüter waren faktisch erblich. Widerständigkeit zeitigte Teilerfolge durch partielles Zurückweichen der Gutsherren. Die Untertanen verfolgten ihre Interessen durch Widerstand und Gehorsam. Letzterer konnte sich lohnen, etwa wenn er mit der Erlangung einer besseren Hofstelle belohnt wurde. Hartmut Zückert
INTERNATIONALE TAGUNG AM KLEINEN WANNSEE
Im September tagten 25 Psychologen aus Großbritannien, Israel, Kanada, Polen, den USA und Beutschland im Adam-von-TrottHauss am Kleinen Wannsee. Die Lage des Tagungsortes war auch Sinnbild für die Veranstaltung. Denn eingeladen hatten die Universität Potsdam und die Freie Universität Berlin—- getagt wurde gleichsam auf halbem Wege zwischen beiden Universitäten. Insgesamt standen Fragen der kognitiven Repräsentation menschlicher Wahrnehmungs- und Denkinhalte und vor allem ihre unterschiedlichen Rollen bei der Erstellung von Angst und Depression, in Prozessen des kognitiven Alterns sowie in Vorgängen der sozialen Wahrnehmung des Problemlösens oder des Verstehens von Sprache im Mittelpunkt. Mit anderen Worten, es wurde nach theoretischen Konzepten gesucht, die interne Fächergrenzen überschreiten, die wohlreguliertes und angepaßtes wie auch fehlreguliertes Verhalten erklären können. Grenzüberschreitend war auch die Vorbereitung der Tagung: Denn die lokalen Organisatoren Dr. Ulrich v. Hecker und Prof. Dr. Reinhold Kliegl von der Universität Potsdam, sowie PD Dr. Stephan Dutke von der Freien Universität Berlin wurden bereits im Vorfeld tatkräftig von Kollegen der polnischen Universität Warschau und der ameYNkanischen University of Kansas unterstützt. Finanzielle Förderung erfuhr die Konferenz von einer Vielzahl interessierter Institutionen: Neben den veranstaltenden Universitäten trugen das Brandenburger Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft und The British Council zur Deckung des Etats bel. Stephan Dutke
MOTIVATIONSFORSCHER IN POTSDAM
Das diesjährige Motivationspsychologische Kolloquium fand in Potsdam im Schloß Petzow statt. Rund 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trafen sich dort Ende September, um aktuelle Forschungsansätze vorzustellen und zu diskutieren. Die Beiträge boten Einblick in die Vielfalt der Motivationsforschung; so stand in eher theoretisch orientierten Vorträgen z. B. im Mittelpunkt, wie motivationsbezogene Konzepte wie Motive, Werte und Wille sich neu definieren und messen lassen. Ein weiterer Block beschäftigte sich mit dem Einfluß, den Motivation auf Lernen und Leistung hat. Dazu wurden Experimente vorgestellt, die den Lernprozeß in Abhängigkeit verschiedener Motivationszustände untersuchen.
Eng verwandt mit dem Motivationskonzept sind Emotionen. Daher wurden auch eine Theorie zur Emotionsentstehung vorgestellt sowie die Erfassung von Emotionen diskutiert. Im Zuge einer Vorstellung, wie theoretische Konzepte in die Praxis umgesetzt werden können, präsentierte man darüber hinaus ein Motivationstraining, das derzeit in Potsdamer Schulen erprobt wird.
Das Motivationspsychologische Kolloquium ist aus einem Bergisch-Westfälischen Motivationskolloquium hervorgegangen und wurde dieses Jahr zum ersten Mal außerhalb Bergisch-Westfalens ausgetragen. Die Organisation dazu übernahm Prof. Dr. Falko Rheinberg vom Institut für Psychologie der Universität Potsdam. RV.
Seite 14
PUTZ 8/97