„KNIEFALL IN WARSCHAU“
Im Gespräch mit Gerhard Rosenfeld über seine neue Oper
Am 22. November 1997 wurde im Dortmunder Opernhaus Gerhard Rosenfelds Oper„Kniefall in Warschau“ uraufgeführt. Mit dem Lehrbeauftragten für Tonsatz und Komposition an der Universität Potsdam führte Bringfried Löffler vom Institut für Musik und Musikpädagogik für PUTZ folgendes Gespräch.
PUTZ: Presse, Rundfunk und Fernsehen kündigten seit geraumer Zeit eine Opernpremiere an, die schon im Vorfeld für einiges Aufsehen sorgte. Wie kam es zu Ihrem Projekt über Willi Brandt? Gerhard Rosenfeld: Die Idee, Willi Brandts Kniefall in Warschau in den Mittelpunkt einer Oper zu stellen, kam von John Dew, dem jetzigen Generalintendanten des Theaters Dortmund, der die Oper auch inszenierte. Er wurde auf mich aufmerksam, sah sich die Klavierauszüge meiner anderen fünf Opern an und hörte Musik von mir auf Schallplaten. Er fragte mich, ob ich mir den Kniefa in Warschau auf der Opernbühne vorstellen könnte. Ich war natürlich sehr überrasch nd habe nach einiger Überlegung spontan zugestimmt. Ich dachte, daß dieser Kniefa eine äußere Geste für eine starke Emotion war. Ich habe das Archivmaterlal angesehen: Willi Brandt verharrt sehr lange vor dem Mahnmal in Warschau, ehe er sich plötzlich auf den Steinen hinkniet. Dieses lange Verarren war bestimmt begleitet von sehr starken inneren Vorgängen. Sie schienen mir für die Musik erschließbar, deutbar. Der Kniefall selber nimmt in der Oper die siebente Szene von neun ein. Weitere Stationen im Leben von Willi Brandt werden angerissen, So die Gestalt des jungen Brandt in einer skandinavischen Hauptstadt, die Rückkehr mit seiner Frau Rut in das zerstörte Lübeck, seine Zeit als Regierender Bürgermeister von Berlin, seine Bundeskanzlerzeit. Epilog sind die Szenen acht und neun, die den Versuch zeigen, Brandt abzuwählen und dann die Guillaume-Affäre, auf die der Rücktritt von Brandt erfolgt. Und so endet die Oper. PUTZ: Es gibt eine Anzahl von Berufskollegen aus aller Welt, die Bühnenwerke schrieben, einige durchaus mit nicht gerade glücklichem Erfolg, in denen Einzelpersönlichkeiten aus der Politik im Mittelpunkt stehen. Wie schafften Sie es, ein kompositorisches Ausgangsmaterial zu finden? Wie gingen Sie künstlerisch-musikalisch, kompositorisch an diese Dinge heran? Gerhard Rosenfeld: Ich habe mich im Vorfeld der Arbeit sehr genau mit allen Schriften und Reden von Brandt beschäftigt und durch das, was ich als Zeitgenosse durch das Fernsehen in früheren Jahren erfahren habe, meinen Eindruck von der Persönlichkeit
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Komponierte die Oper„Kniefall in Warschau“: Gerhard Rosenfeld, der an der Potsdamer Uni Komposition lehrt. Foto: Rex Schober
bereichern können. Auch das hat mich bestärkt, diese Oper zu schreiben, weil mir die sehr vielgestaltige Persönlichkeit von Brandt sympathisch war. Er war ein Mann, der eine große Glaubwürdigkeit ausstrahlte und dessen Leben von Höhen, Tiefen, Visionen und allen Dingen, denen ein Mensch sonst begegnen kann, gekennzeichnet war. Diese Dinge, glaube ich, lassen sich musikalisch deuten, wobei die Erscheinungsform der Oper nichts Naturalistisches hat, sondern wirklich die Sache überhöht. PUTZ: Wenn die Komposition abgeschlossen ist, beginnt in der Regel eine lange Zeit
des Wartens für den Komponisten. Hatten Sie Einfluß auf die Probenarbeit am Dortmunder Musiktheater? Gerhard Rosenfeld: Ich habe einen g Einfluß auf die Realisierung der Mu mich ist es immer eine sehr schöne B tung, wenn das, was ich mir gedacht habe, von anderen zu ihrem Eigenen gemacht wird, auch die eigene Persönlichkeit des Sängers oder Bühnenbildners dazu kommt und der Sache dann zum Leben verhilft.
PUTZ: Das Institut für Musik und Musikpädagogik ist in der glücklichen Lage, Sie als Lehrbeauftragten für Komposition gewonnen zu haben, Studenten konnten zumindest latent den Kompositionsprozeß um die neue Oper mitverfolgen. Gibt es denn ntentionen, die Sie bei der musikalischen Arbeit mit Studierenden verfolgen? Gerhard Rosenfeld: Ich gehe im Grunde von mir aus. Ich brauchte zum Beispiel auch durch Gespräche ein bißchen Bestärkung z meiner eigenen Phantasie. Diese Bestärkung sollte man Studenten auch geben. Ich bin über Erwarten froh, daß es in unseren Konzerten, die wir dann zum Abschluß des Studienjahres gemacht haben, gelungen ist, sovie interessante Stücke, ganz individuell verschieden, von den Studenten zu bekommen. ch sah meine Aufgabe darin, den Studenten Mut zu ihrer eigenen Phantasie zu machen, so wie ich von anderen auch gerne Mut gemacht bekomme, zu dem, was ich mache. PUTZ: Herzlichen Dank für dieses Gespräch.
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ALBERTINA-AUSSTELLUNG AN DER UNIVERSITÄT POTSDAM
Auch an der Universität Potsdam konnten Interessierte für zwei Wochen im Oktober die Ausstellung„Universität Königsberg 1544— 1994" anschauen. Zum 450jährigen Jubiläum der Königsberger Albertus-Universität im Jahre 1994 haben das KGerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf, das Museum der Stadt Königsberg und das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen mit dem Museum für Geschichte und Kunst Kaliningrad/Königsberg eine Wanderausstellung konzipiert. Die Exposition wurde während der Jubiläumsfeierlichkeiten 1994 erstmals in Königsberg/Kaliningrad gezeigt. Sie war anschließend in Göttingen, Düsseldorf, Duisburg, Leipzig und Dortmund zu sehen. Die aus 51 Schautafeln bestehende Ausstellung und der dazu erschienene Begleitkatalog veranschaulichen die wissenschaftlichen und kulturhistorischen Leistungen der Universität Königsberg/Kaliningrad sowie ihre Bedeutung für Deutschland und die östlichen Nachbarn seıt ihrer Gründung. In deutscher und russischer Sprache werden nicht nur die bekanntesten Professoren der„Albertina“ mit Kant an der Spitze, sondern auch sehenswerte Dokumente aus Geschichte und Gegenwart vorgestellt.
Unser Foto zeigt Lorenz Grimoni, Direktor des Museums Stadt Königsberg, Duisburg, Dr. Thomas Freitag, Kommissarischer Leiter des Referates für Kultur, und Prof. Dr. Rolf Steding, Dekan der Juristischen Fakultät(v.l.n.r.), bei der
Ausstellungseröffnung. F.E./Foto: Fritze
PUTZ 8/97
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