DIE„GESTRECKTEN”“ PROFESSUREN
In der Senatssitzung am 20. November 1997 berichtete der Rektor dem Senat über die dem Wissenschaftsministerium nunmehr gemeldeten 19 Professuren, deren Besetzung bzw. Wiederbesetzung bis auf weiteres ausgesetzt wird. Diese Benennung war vom Wissenschaftsminister vor dem Hintergrund der Sparvorgaben des Landes verlangt worden und soll sicherstellen, daß die Universität Potsdam zunächst ım Zeitrahmen der Mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2001 auf eine Struktur von 190 Professuren ausgelegt wird, Bisherige, bereits stark reduzierte Planungen gingen von 209 aus. Der Senat hatte in seiner Sitzung am 23. Oktober 1997 Zwar gegen diese erneute— wenn auch zunächst zeitlich befristete— Reduzierung protestiert, das Rektorat jedoch trotzdem beauftragt, der staatlichen Aufforderung auf Denomination der 19 Professuren nachzukommen. Die 19 gemeldeten Professuren sind:
C4 Verwaltungsrecht, Verwaltungsprozeßrecht, Umweltrecht; C4 Zeitgeschichte(Geschichte der DDR); C4 Landesgeschichte; C3 Gräzistik; C4 Germanistische MediäviStik; C4 Angewandte Linguistik; C3 Anglistik, insbesondere Angewandte Sprachwissenschaft; C4 Kultur romanischer Länder, C4 Historische Pädagogik mit dem Schwerpunkt Historische Sozialisationsforschung; C3 Grundschulpädagogik, Anfangsunterricht; C3 Grundschulpädagogik, Lernbereich Mathematik; C3 Lernbehindertenpädagogik (erste freiwerdende Professur); C3 Instrumentale Ausbildung; C4 Sportsoziologie/anthropologie; C4 Kognitionswissenschaft; C3 Wirtschaftspädagogik; C4 Staatstätigkeit im europäischen Vergleich; C3 Sozialstrukturanalyse; C3 Umweltbildung. Hg.
PROTESTE GEGEN „PROFESSURENSTRECKUNG“
Senatssitzung mußte verlegt werden
Die fortwährenden Reduzierungsvorgaben des brandenburgischen Wissenschaftsministeriums für die Universität Potsdam und ihre Stellenstruktur zeigen Wirkung: Nachdem der Rektor, Prof. Dr. Wolfgang Loschelder, dem Minister— wie von diesem gefordert— 19 Professuren benannt hatte, die zeitlich nachrangig besetzt bzw. deren Wiederbesetzungen bis auf weiteres ausgesetzt werden könnten, hagelte es die ersten Proteste. So konnte die Sitzung des Senates am 20. November 1997 nicht in dem dafür vorgesehenen Senatssaal stattfinden, weil sich zu viele protestierende Studierende und auch Mitarbeiter eingefunden hatten. Der Rektor verlegte die Sitzung daraufhin in den größeren Chemiehörsaal und ermöglichte dort einen ausführlichen Austausch der Argumente.
Für Entrüstung, ja gar Bestürzung hatte vor allem die Aufnahme der in der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät angesiedelten Professur für Sozialstrukturanalyse in die sogenannte zeitliche Streckung (d.h. die Posterioritärsetzung) der insgesamt 19 Professuren a
gesorgt. Zwar
ist diese Stel
le derzeit
durch Dr.
Uwe Engel
besetzt; falls
sich dieser je
doch inner
halb des Zeitrahmens der Mittelfristigen Finanzplanung des Landes, die bis zum Jahr 2001 dauert, entschließen sollte, einen Ruf an eine andere Hochschule anzunehmen, so dürfte seine Professur zumindest in der genannten Zeit nicht wiederbesetzt werden. Und davor haben nicht wenige Studierende Angst:„Ohne die Professur Sozialstrukturanalyse sind die Anforderungen der Studien- und Prüfungsordnungen weder im Magister- noch im Diplomstudiengang Soziologie erfüllbar. Derzeit sind 329 Studierende im Fach Soziologie immatrikuliert. Allein im Wintersemester 1997/98 wurden 115 Erstsemester immatrikuliert“, trugen die Anwesenden vor.
raum„sprengten“.
Unterstützt wurden sie dabei von Professoren aus der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, die darauf verwiesen, daß im Falle einer nicht mehr möglichen Wiederbesetzung der Professur Sozialstrukturanalyse keine volle Fachvertretung der Soziologie an der Potsdamer Uni mehr gewährleistet wäre. Entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrates und der Brandenburgischen Landeskommission seien derzeit fünf Soziologie-Professuren besetzt. Da jede von ihnen eine tragende Säule darstelle, könne auf keine einzige verzichtet werden, ohne den gesamten Studiengang zu gefährden.
Rektor Loschelder verwies vor diesem Hintergrund darauf, daß es der Fakultät freistünde, eine andere Professur als Ersatz anzubieten. Nur müßten es insgesamt drei Professuren sein, die aus der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät in die zeitliche Streckung gegeben werden. Genau dagegen wandte sich ihr Dekan unter Verweis auf den Hochschulentwicklungsplan- des Wissenschaftsministeriums und bisherige
In den Großen Chemiehörsaal verlegt werden mußte die Senatssitzung am 20. November, weil viele protestierende Studierende den ursprünglichen Sitzungs
Foto: Fritze
Vorgaben. An der traurigen Realität führte allerdings auch kein Protest vorbei: Es mußten 19 Professuren„gestreckt“ werden, der Senat hatte das Rektorat mit ihrer vollständigen Benennung beauftragt, und die Fakultät sah sich bisher nicht in der Lage, einen Ersatz für die Sozlalstrukturanalyse anzubieten. „Diese ganze Streckung ist ein einziger Unfug! Aber wir haben keine Alternative, uns sind die Daumenschrauben fest angelegt. Also laden sie ihren Protest dort ab, wo er hingehört—- und nicht an der falschen Stelle Rektorat“, erklärte denn auch der Dekan der Philosophischen Fakultät I, Prof. Dr. HansJürgen Bachorski. Hg.
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PUTZ 9/97