„BRANDENBURGISCHE TOLERANZ”
Beitrag der Uni Potsdam zu den„Tagen des Dialogs zwischen den Kulturen“
Auf Anregung des Bundespräsidenten fanden in der Region Berlin-Brandenburg vom 12. bis zum 14. November 1997„Tage des Dialogs zwischen den Kulturen“ statt, eine in den kommenden Jahren— dann in anderen Bundesländern und Regionen— fortzusetzende Gelegenheit, zwischen und über die vielen Immigrationskulturen in Deutschland zu diskutieren, miteinander ins Gespräch zu kommen, gemeinsam zu feiern. Eine Gelegenheit auch für die zahlreichen interkulturellen Initiativen, sich zu präsentieren und Erfahrungen auszutauschen. Am zweiten Tag, dem 13. November, waren die Hochschulen aufgerufen, einen eigenen Beitrag zu gestalten. Für die Universität Potsdam wurde daraus eine ganztägige Veranstaltungsreihe unter dem Motto„Brandenburger Toleranz“.
Die Vorträge des Vormittags wurden nach der Begrüßung durch den Rektor, Prof. Dr. Wolfgang Loschelder, von Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe eröffnet, der Toleranz als ethische Maxime des aktiven Verstehen-Wollens gegen Ignoranz und Indifferenz aufgriff und die großen Herausforderungen ihrer praktischen Verwirklichung betonte. Auch forderte er Politik und Wissenschaft auf, gemeinsam in einer Argumentations- und Handlungsoffensive gegen Fremdenfeindlichkeit zusammenzuwirken. Politik bedürfe der wissenschaftlichen Beobachtung und Analyse, um deutlich auf Gestaltungsmöglichkeiten und Defizite hingewiesen zu werden.
Prof. Dr. Heinz-Dieter Heimann vom Historischen Institut behandelte sodann in einem Vortrag„Brandenburger Toleranz zwischen Mythos, Anspruch und Dementi“. Ausgehend von grundsätzlichen und aktuellen Anmerkungen präsentierte er eine geschichtliche Tour d’horizon vom Mittelalter bis zur Neuzeit und stellte hiesige Toleranztraditionen als Herausbildung dialogischer Politikweisen zur Wahrnehmung normativer Gemeinsamkeit in der Erosion jeweils überkommender Wertesysteme vor. Während die forcierte Einwanderungspolitik, wie sie etwa im Edikt von Potsdam von 1685 zum Ausdruck kommt, eher Anlaß zu vielfältiger Mythenbildung geworden ist— hier ging es primär um Zuwanderung aus merkantiler Staatsraison, erZwungen gegen den Widerstand der ansässigen Bevölkerung-, seien diese mittelalterlichen Wurzeln in der Tat früheste Belege für Toleranz gleichsam als politisches Lernprogramm.„Empirische Befunde zur(Un) Duldsamkeit in Brandenburg“ erläuterte im Anschluß Dr. Dietmar Sturzbecher vom Zentrum für Jugend- und Sozialisationsforschung der Universität. Seine Hauptaussage lief darauf hinaus, daß die Fremdenfeindlichkeit
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Betreffend
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unter Brandenburger Jugendlichen in den letzten Jahren insgesamt nicht zu, sondern eher abgenommen habe, dieser Trend aber nicht für die Gruppe der Auszubildenden gelte, die auch in besonderem Maße für antisemitische Vorurteile anfällig ist. Ebenfalls im Zunehmen seien Anzeichen für eine stärkere Gewaltbereitschaft. Zum Abschluß der vormittäglichen Beiträge erörterte Prof. Dr. Barbara Krahe vom Institut für Psychologie die Frage,„wie Vorurteile entstehen und sich fortzeugen“ aus sozialpsychologischer Sicht. Danach bedienen Vorurteile grundlegende Wahrnehmungsbedürfnisse von Individuen im Verhältnis zu anderen Menschen und Gruppen, enthalten besonders wirksame Selbstbestätigungselemente, die beispielsweise aus einem bloßen Kennenlernen Fremder auch negative Vorurteile bestärken könnten. Sie ließen sich in ihrer Fortzeugung vielmehr nur durch Bewußtmachen und kritische Eigenwahrnehmung eindämmen.
Der Nachmittag versammelte drei Foren, in deren erstem„Dialoge in schwieriger Nachbarschaft: Brandenburg und seine östlichen
Nachbarn“ Hochschullehrer der beiden Partneruniversitäten Posen und Potsdam die Voraussetzungen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit beleuchteten, verschiedene Aspekte der gegenseitigen Wahrnehmung behandelten und gemeinsame Perspektiven in der europäischen Integration aufzeigten. Das zweite Forum ‚Wo der Dialog eingeübt werden soll: Lebensgestaltung— Ethik— Religionskunde. Ein neues Schulfach in der Kontroverse“ brachte Betroffene, Pro- und Kontra-Engagierte sowie Wissenschaftler ins Gespräch über den Sinn und die Ausgestaltung dieses spezifisch brandenburgischen und höchst umstrittenen Schulprojekts.
Der Praxis des interkulturellen und des intrakulturellen Dialogs war das dritte Forum gewidmet: ‚Wo Dialoge stattfinden: Integrations- und Nachbarschaftsinitiativen in Brandenburg“. Eine erste Forumsrunde gestalteten verschiedene Initiativen, die im Dialog zwischen Kulturen und in Integrationsvorhaben engagiert sind. Ein Dialogfeld auch innerhalb unserer eigenen Kulturen bildete die zweite Runde zum jüdischen Leben in Brandenburg, das allerdings wesentlich durch osteuropäische Immigranten bestimmt wird und sich so unschwer auf die zuvor verhandelten Integrationsprobleme beziehen ließ. Während die Angebote der Vorträge und Foren ein beredtes Zeugnis von der attraktiven Präsenz der Universität Potsdam auch zu aktuellen Themen abgaben, muß sie sich selbst offensichtlich hinsichtlich ihres Dialogbedürfnisses noch erheblich weiterentwikkeln, war doch die Teilnahme der naheliegendsten Adressaten, Studierende und Lehrende, recht dürfüg. Bernhard Muszynski
DER BÖRSENGANG:
Chancen für Wachstumsunternehmungen und Anleger
Zur Auftaktveranstaltung für die geplante Kooperation zwischen der Professur für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Finanzierung und Banken und dem Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband hatten kürzlich Prof. Dr. Detlev Hummel aus der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam und Dr. Roland van Gisteren, Direktor der Ostdeutschen Sparkassenakademie in Potsdam, zu einem Gastvortrag eingeladen. Als Referent trat Dr. Rüdiger Freiherr von Rosen, Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstituts e. V. in Frankfurt am Main, ans Rednerpult. Über 200 Gäste, vor allem Mitarbeiter und Auszubildende der Sparkassen und Banken sowie Studierende der Alma mater, folgten seinen Ausführungen über den Börsengang als Chance für Wachstumsunternehmungen und Anleger.
Indikatoren für eine unterentwickelte Aktienkultur(„Equity Culture“) sind demnach eine zu geringe Anzahl von börsennotierten Unternehmen und eine nicht ausreichende Anzahl von Neuemissionen. Als Ursache hierfür diene die deutsche Tradition der Fremdkapitalfinanzierung. Brauche ein Unternehmen Kapital für Investitionen, hole es
sich dieses von der Bank, was auch die kontinuierlich sinkenden Eigenkapitalquoten der deutschen Unternehmungen zeigten. Besonders Mittelstandsunternehmen mit einem hohen Innovations- und Risikopotential hätten es schwer, von Banken das für den Wachstumsprozeß benötigte Kapital zu erhalten. Abhilfe könne hier insbesondere die
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PUTZ 9/97