Heft 
(1.1.2019) 09
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AM ANFANG WAR DER RUNDE TISCH

Früherer Ministerpräsident Polens bei den Zeithistorikern

Mitte November weilte am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) ein prominenter Redner zu Gast. Im Rahmen der öffentlichen Veranstaltungs­reiheZeithistorische Dialoge- politische Erfahrungen und wissenschaftliche Fra­gen sprach in der Einrichtung der ehema­lige polnische Ministerpräsident Dr. Mieczyslaw Rakowski. Er hattte sich das Thema ‚Vom Runden Tisch zur ersten frei gewählten Regierung Polens gewählt. Kommentiert wurden seine Ausführungen von Dr. Helmut Fehr(Erlangen/Berlin).

Mieczyslaw Rakowski, Jahrgang 1926, von Beruf Dreher, studierte Journalistik, Ge­schichte und Politische Wissenschaft und promovierte 1955 über die SPD der Nach­kriegszeit. Neben hochrangigen Partei­funktionen leitete er von 1958 bis 1982 die ZeitschriftPolityka, die auch in den ver­schiedenen Krisenjahren um eine relative Offenheit bemüht war. Heute ist Rakowski Mitglied der polnischen Sozialdemokratie und Herausgeber der linken theoretischen ZeitschriftDzis(Heute).

Zu Beginn seines Vortrages sagte Rakowski, er habe 1987 geschrieben, daß das soziali­stische System an einem Wendepunkt stehe; heute wisse er, daß dieser Wendepunkt ei­gentlich schon vorbei war. Diese Denkschnift war schon nach drei Tagen im State Depart­ment in Washington bekannt. Das Interesse der amerikanischen Stellen wurde vor allem von Rakowskis Idee wachgerufen, Polen umfassend zu reformieren noch ohne Be­teiligung der Opposition. Diese Einschrän­kung, so Rakowski heute, warnaiv und dumm. Dennoch nahm die Führung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP), auch auf Anraten Rakowskis, inoffi­zielle Kontakte zu Adam Michnik, einem Füh­rer der Opposition, auf. Unter späterer Hin­zuziehung eines anderen wichtigen Opposi­tionellen, Jacek Kuron, enstand im Juni 1988 das Projekt des Runden Tisches, das Wojciech Jaruzelski zunächst mit Skepsis betrachtet hatte. Schließlich aber kam Jaruzelski zu der Ansicht, man müsse die Solidarnosc als Verhandlungspartner aner­kennen. Damit war die Idee geboren, daß nur PVAP und Opposition gemeinsam Polen reformieren könnten.

Der Runde. Tisch entstand aus den Lehren, die die Reformkommunisten nach den teil­weise blutigen Konfrontationen mit ihren nichtkommunistischen Gegnern und mit den aufständischen Arbeitern 1956, 1970, 1976 und 1980/81 gezogen hatten. DieseInstitu­tion brachte die Polen aus den verschiede­nen politischen Lagern zusammen, ermög­lichte einen friedlichen Systemwandel und

Dr. Mieczyslaw Rakowski, der frühere Minister­präsident Polens. Foto: Tribukeit

zeigte, daß Reformkommunisten im Unter­schied zu Stalinisten die Macht abgeben können, wenn sie vom Volk mehrheitlich kein Mandat mehr dafür haben. In seinem Kom­mentar unterstrich Helmut Fehr, daß nach dem Systemwechsel große Teile der Solidarnosc-Eliten mit ihrerDekommuni­sierungs-Kampagne die bislang tragfähige Komponente einer Zusammenarbeit mit den Reformkommunisten aufgaben. Unter ande­rem trage dies zur heutigen Kluft zwischen den politischen Eliten und Teilen der Bürger bei. In der anschließenden Diskussion machte Rakowski mit dem Jahr 1970 und den damaligen Arbeiterprotesten in den polni­schen Hafenstädten und Bergbaugebieten die Wende vom reformsozialistischen zum antisozialistischen Arbeiterprotest aus. Seine eigenen Reformanstrengungen, die zu retten suchten, was nicht mehr zu retten war, WUur­den von manchen SED-Führern in teilweise oberlehrerhafter Manier kritisiert. Rakowski kommentierte dies intern mit dem Bonmot, daß Polen die lustigste Baracke im Sozialisti­schen Lager gewesen sei jedenfalls lusti­ger als die DDR. Auch das Kriegsrecht be­zeichnete Rakowski als relativ mild. Bei allen tragischen Einzelschicksalen, die er nicht vergessen machen wollte, kann man dem Politiker, der als Jugendlicher das nazistische Terrorregime in Polen erlebt hatte, dies wohl glauben. Der Gast beschloß seine in ausgezeichne­tem Deutsch gehaltenen Ausführungen mit der Hoffnung auf einenDritten Weg. Sein Glaube an den Sozialismus sei stärker als der Glaube an das zu Recht zusammenge­brochene System. Der Mensch brauche auch künftig eine soziale Utopie.

Mario Keßler

FRAUEN IN BRANDENBURGISCHEN SPORTVEREINEN

Frauen im Sportverein damit werden die einen Gymnastikgruppen, Hausfrauen­volleyball oder Mutter-Kind-Tumen verbin­den, während andere eher Frauenfußball, Rhythmische Sportgymnastik oder Power­Aerobic assoziieren. Zu erkunden, wie Frauen die brandenburgische Sportver­einslandschaft mitgestalten, war eines der Ziele des kürzlich mit einer zweitägigen Abschlußtagung abgeschlossenen Mo­dellprojektesDer vereinsorganisierte Frauensport im Land Brandenburg.

Das Projekt gestalteten die kooperierenden Institutionen die Landesministerien für Bil­dung, Jugend und Sport sowie für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, der Landessportbund Brandenburg(LSB) sowie der Arbeitsbereich Sport und Gesellschaft des Insitutes für Sportwissenschaft der Uni­versität Potsdam von Beginn an als Ver­knüpfung wissenschaftlicher Analyse und praktischer Interventionen. In einem ersten Teilprojekt wurden Gruppenleiterinnen aus Brandenburger Sportvereinen unter ande­rem zu den Teilnehmerinnen ihrer Gruppen, den Angeboten in den Frauensportgruppen und zu Möglichkeiten der Förderung von Fraueninteressen in den Vereinen befragt. Neben dieser analytischen Arbeit sollte die Entwicklung des_vereinsorganisierten Frauensports auch praktisch unterstützt wer­den. In diesem Zusammenhang trugen be­sondere Förderleistungen wie Honorare für Starthelferinnen, Zuschüsse für Sportgeräte zur Gründung von 40 Frauengruppen mit rund 1000 neuen Teilnehmerinnen bei. Zu­dem unterstützte eine Vereinsberaterin inter­essierte Vereine in der Einrichtung und Er­weiterung von Frauensportangeboten und bot spezielle Fortbildungsveranstaltungen für weibliche Führungskräfte an. So konnten Forschungsergebnisse in die Vereinspraxis einfließen, wie auch die Beobachtungen in den Frauengruppen selbst zu weiteren theo­retischen Überlegungen führten.

Zum Abschluß des Projektes zeigten sich nicht nur die Kooperationspartner zufrieden mit den erzielten Ergebnissen. Auch die Frauensprecherin des Deutschen Sport­bundes(DSB), Dr. Inge Berndt, nannte die Brandenburger Initiativein ihrem ganzheit­lichen Anspruch geradezu beispielhaft. Die Vorsitzende des LSB-Landesfachaus­schussesFrauen im Sport, Ilona Golm, stellte dann auch in Aussicht, die Förde­rung des Frauensportes fortzusetzen. Denn, so Prof. Dr. Jürgen Baur vom Arbeitsbereich Sport und Gesellschaft,die Modellgrup­pen stellen bislang erst Inseln im ansonsten männerdominierten Sport des Landes Brandenburg dar. Stephan Telschow

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PUTZ 9/97