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(1.1.2019) 09
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EMANZIPATION IM SOZIALISMUS?

ViertesForum Politik und Geschichte in Potsdam

Mit einer Tagung zu Frauenerwerbstätig­keit und Strukturwandel in der Region Brandenburg wurde dasForum Politik und Geschichte, das gemeinsam von der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung(ZZF) Pots­dam durchgeführt wird, kürzlich fortge­setzt. Diese im März 1997 eröffnete Rei­he stellt regelmäßig zeitgeschichtliche Themen, die für das Land Brandenburg von besonderer Relevanz sind, zur Dis­kussion. Sie bietet nicht nur Fach­historikern, sondern auch historisch inter­essierten Multiplikatoren der politischen Bildungsarbeit ein Podium.

Die vierte Veranstaltung ging von dem Be­fund aus, daß die gegenwärtige Zurückset­zung vieler ostdeutscher Frauen auf dem Arbeitsmarkt häufig zu einem verklärenden Blick auf die Vergangenheit führt. Demge­genüber vertreten die drei Referentinnen die These, daß eine Reihe aktueller Benachtei­ligungen von Frauen bereits aus dem Ar­beitsleben in der DDR vor 1989 resultieren. Katrin Andruschow(Berlin) thematisierte in ihrem EinführungsvortragDer unverstellte Blick zurück: Die Frauenarbeit in der DDR hatte zwei Gesichter die Ambivalenz von weiblicher Erwerbsarbeit in der DDR. Sie wies nach, daß die Gleichberechtigungs­politik der SED-Führung geschlechts­hierarchische Strukturen im Erwerbsbereich angelegt hatte, die wesentlich zur massiven Entwertung von Frauenerwerbsarbeit nach der deutschen Vereinigung beitrugen und so auch die rasche Übernahme der patriar­chialen Strukturen des bundesrepublikani­schen Beschäftigungssystems ermöglich­ten. Diese generalisierende Einführung in die Problematik wurde von zwei Regional­studien untersetzt. Leonore Ansorg(Pots­dam) untersuchte in ihrem Beitrag die wider­sprüchlichen Seiten der Berufstätigkeit von Landfrauen in der Prignitz. Sie zeichnete dabei das Bild vom Fluch und Segen der Industriearbeit für die Frauen, die Anfang der 70er Jahre von der Land- zur Textilarbeit wechselten. Die lebendige Schilderung ih­rer Wahrnehmungs- und Handlungsmuster mündete in dem Fazit, daß trotz der überwie­gend als negativ verinnerlichten Erfahrun­gen mit Industriearbeit die Frauen an ihrem Anspruch auf Erwerbsarbeit festhielten.

Renate Hürtgen(Potsdam) richtete die Per­spektive ihres Vortrages auf die Sozialisationsmuster ostdeutscher Frauen, die bis heute wirken. Am Beispiel der ersten Betriebs- und Personalrätinnen in den neu­en Bundesländern fragte sie nachMitgift undErblast ihres Emanzipationsver­

In den 70er Jahren hieltenindustriemäßige Produktionsmethoden Einzug in die DDR-Landwirtschaft, Im Arbeitsalltag Brandenburger Landfrauen spiegelte sich dies jedoch oftmals nicht wider. Foto:zg.

ständnisses aus dem(Arbeits) Leben in der DDR. Sie kam zu dem Schluß, daß die in der Lebensplanung der interviewten Frauen verankerte ständige Berufstätigkeit nicht nur nicht automatisch emanzipativ, sondern durchaus auch antiemanzipatorisch wirkte. Die anschließende Diskussion varlierte zu­nächst die Leitfrage der Veranstaltung nach der Identität von Frauenerwerbsarbeit und Emanzipation in der DDR anhand einer brei­ten Themenpalette. Im Raum stand zugleich die Frage nach dem praktischen Nutzen der Forschungsergebnisse, insbesondere mit

Blick auf Ansatzpunkte für die frauenpoliti­sche Arbeit in der Region. Wesentlichen An­eil an dem erfreulichen Effekt, daß histori­sche Themen zu einem ausgesprochen leb­haften Diskurs über ganz aktuelle Fragen führten, hatte auch die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises. Neben Fachfrauen und-männern aus den Bereichen Geschich­te, Kulturwissenschaften und Bildung, aus Archiven und Museen, trugen Landes- und Lokalpolitikerinnen und-politiker, die sich intensiv in die Debatte einbrachten, zum Ge­lingen des Forums bei. Dagmar Langenhan

INTERKULTURALITÄT UND HERRENTOILETTEN

Anmerkungen zum 2. Romanistischen Tag der Uni

Der am 7. November 1997 nun schon zum zweiten Mal veranstaltete Romanistische Tag hatte durchaus einen politischen Hin­tergrund. Sagte doch Helmut Kohl kürz­lich: ‚Wenn wir die doppelte Staatsbür­gerschaft einführen würden, hätten wir statt vier Millionen bald sechs Millionen Türken in Deutschland.

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Was.aber bedeuten überhaupt die auch in der politischen Diskussion so häufig ge­brauchten Begriffe Interkulturalität und Multikulturalität? Ersterer meint kurz ge­sagt die Vereinigung verschiedener Kultu­ren, letzterer das bloße Nebeneinander der­selben. Der Gastvortrag von Dr. Thomas

Wägenbaur von der Universität Tübingen

Im Rahmen des 2. Romanistischen Tages zeigte die Groupe de Theä­tre Fancais, hier Nicole Bucher und Fabian Waldmann, ihr Stück.Cent Soucis Varies", Den interkulturel­i Jen Begegnungen darin wurden vor allem komische Effekte abgewon­nen. Foto: Tribukeit

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